Rundgang auf HSP-Gelände in Dortmund: 800 Wohnungen, Grüngürtel, Dienstleistungen und Industrie geplant

Die als Emscherschlösschen gezeichnete Halle könnte als Mehrzweck- oder Markthalle dienen.
Die als „Emscherschlösschen“ bezeichnete Halle könnte als Mehrzweck- oder Markthalle dienen.

Für die zuletzt rund 350 ArbeitnehmerInnen war das Aus für Hoesch-Spundwand (HSP) im Jahr 2015 eine Katastrophe. Viele von ihnen gingen in die Arbeitslosigkeit. Weniger als 20 – fast alle kurz vor der Rente – helfen noch beim Rückbau der Anlagen auf dem rund 45 Hektar großen Areal. Das Leid der Einen ist das Glück der Anderen: Für die StadtplanerInnen tun sich hier bewerkenswerte Möglichkeiten auf, das innenstadtnahe Filetstück zwischen Innenstadt-West, Dorstfeld, Huckarde und der Nordstadt neu zu entwickeln.

Thelen-Gruppe hat das gesamte Areal von ThyssenKrupp gekauft

Wolfgang Thelen, Ludger Wilde, Ralf Stolze und Michael Groschek.
Investor Wolfgang Thelen, Planungsdezernent Ludger Wilde, stv. Bezirksbürgermeister Ralf Stolze und Bauminister Michael Groschek. Fotos: Alex Völkel

Das gesamte Areal hat die Thelen-Gruppe von ThyssenKrupp gekauft und will es – nach dem Rückbau der Anlagen – neu entwickeln. Die Stadt Dortmund hätte es gerne selbst gekauft, zog aber im Bieterverfahren den Kürzeren.

Auf Einladung des SPD-Landtagsabgeordneten Armin Jahl gab es jetzt einen Rundgang über das Gelände – mit von der Partie waren Landesbauminister Michael Groschek, Investor Wolfgang Thelen und Planungsdezernent Ludger Wilde.

Das Gespräch war sehr fruchtbar – vor allem Groschek und Thelen waren sich bei vielen Punkten, wie das Areal zukunftsfähig für Wohnen, Dienstleistungen und Industrie entwickelt werden könnte, einig. Hier könnten diverse Modell- und Pilotvorhaben realisiert werden.

Für den Dortmunder Chefplaner ist eines schon jetzt klar: Die Entwicklung wird an die Planungen und Maßnahmen an der Rheinischen Straße und an der Emscher angebunden. Hier sei ein großer Wurf denkbar.

Künftige Dreiteilung mit Wohnen, Grüngürtel und industrieller Nutzung

Die „Grüne Wand“ - eine vom Einsturz gefährdete Industriehalle entlang der Rheinischen Straße - könnte dann auch weg.
Die als „Grüne Wand“ bekannte Halle entlang der Rheinischen Straße könnte zukünftig verschwinden.

Vorgesehen ist eine Dreiteilung: Das südliche Gelände in der Nähe zur Rheinischen Straße soll  als „urbanes Quartier“ für Wohnungsbau, verträgliche Dienstleistungen und Freizeitangebote genutzt werden.

Rund 800 Wohnungen könnten hier entstehen. „Wir wollen kein Bauträgergeschäft, sondern vermieten“, machte Thelen klar. Der Wohnungsbestand soll durch einen Grüngürtel als Puffer und für den Freizeitwert vom hinteren Geländeteil abgegrenzt werden, wo weiterhin industrielle Nutzungen möglich sein sollen.

Bevor die neuen Nutzungen kommen können, müssen die Gebäude abgerissen und die Altlasten – immerhin gab es hier 115 Jahre lang Schwerindustrie – beseitigt werden. Fallen soll dann auch die „Grüne Wand“: Die lange – vom Einsturz gefährdete Industriehalle entlang der Rheinischen Straße – soll dann auch weg.

Sie wurde schon lange nicht mehr für die Fertigung genutzt, musste aber dennoch stehen bleiben: als Schallschutzwand. Künftig wird dies nicht mehr benötigt, wenn der Rückbau erfolgt ist. Doch auch mit Wand ist nicht alle Nachbarn begeistert: Die jetzigen Anlieger leiden unter Lärm- und Staubbelästigung, die durch den Rückbau entstehen.

Planungsdezernent würde gerne drei alte Hallen für neue Nutzungen erhalten

Die stark sanierungsbedürftige „Feldherrnhalle“ (ehemals Fa. Himmelreich) an der Emscher ist erhaltungswürdig.
Die stark sanierungsbedürftige „Feldherrnhalle“ (ehemals Fa. Himmelreich) an der Emscher ist erhaltungswürdig.

Doch nicht alle Gebäude sollen – wenn es nach Planungsdezernent Ludger Wilde geht – weg. Er würde gerne stark sanierungsbedürftige „Feldherrnhalle“ (ehemals Fa. Himmelreich) an der Emscher, das sogenannte „Emscherschlösschen“ sowie die alte Walzendreherei erhalten.

Vor allem das „Emscherschlösschen“ – eine Industriehalle, die nichts schlossartiges hat, aber viel Potenzial – hat es Wilde angetan. Das Gebäude, welches in der Struktur der Rohrmeisterei in Schwerte gleicht, könnte zu einer Mehrzweck- oder Markthalle werden.

Während Minister Groschek mit Wohlwollen die Ausführungen verfolgte, wirkte Investor Thelen deutlich reservierter. Wenn es wirtschaftlich darstellbar sei, könne man über einen Erhalt nachdenken. Doch mindestens drei bis vier Millionen Euro wären für eine Sanierung nötig.

Städtische Machbarkeitsstudie soll bis zum Jahresende 2017 vorliegen

Viele Altlasten aus 115 Jahren Schwerindustrie warten auf dem Gelände.
Viele Altlasten aus 115 Jahren Schwerindustrie warten auf dem Gelände auf die Entsorgung.

Details und Kosten sollen im Rahmen einer Machbarkeitsstudie ablesbar sein, die die Stadt derzeit für das gesamte Areal erarbeitet. Bis Ende des Jahres soll diese vorliegen und soll neben den Altlasten und Kosten auch Vorschläge enthalten, welche Gebäude nicht nur erhaltenswürdig, sondern auch erhaltensfähig sind.

Wolfgang Thelen machte bei dem Rundgang deutlich, dass er in diesem neuen Quartier – wie auch bei seinem zweiten Vorhaben in Essen – viele Zukunftsthemen bereits mitplanen will. Deshalb arbeitet eine Planerin ganz eng mit Zukunftsforschern zusammen.

Dazu wird auch der Einsatz von Robotern im Haushalt und in der Logistik auf der „letzten abgasfreien Meile“ zum Kunden schon berücksichtigt. Deshalb soll es neben Radwegen auch eine Fahrbahn für selbstfahrende Transport-Roboter geben.

Science Fiction könnte an der Rheinischen Straße Wirklichkeit werden

Der Rückbau der teils seit Jahren ungenutzten Hallen läuft auf Hochtouren.
Der Rückbau der teils seit Jahren ungenutzten Hallen auf dem HSP-Gelände läuft auf Hochtouren.

Was jetzt noch nach Science-Fiction klingt, könne bereits in 15 oder 20 Jahren zum Alltag gehören. Und Hausbau sei eine sehr langlebige Investition. – daher müsse man jetzt schon viele Zukunftsthemen mitdenken und berücksichtigen.

Das gilt für Thelen auch für das Thema E-Mobilität: Entsprechende Ladekapazitäten müssten schon jetzt mitgedacht werden. Das gelte auch für selbstfliegende Fahrzeuge: Taxi-Drohnen seien in Dubai jetzt schon im Einsatz.

Solche zukunftsgewandten Planungen hörte der Landesminister nur zu gerne und machte deutlich, dass es hier viele Kooperationsmöglichkeiten für Pilot- und Modellprojekte gebe. Armin Jahl freute sich darüber, dass seine Einladung so schnell für Dortmund Früchte tragen könne. Und Wilde kündigte vorsorglich schon an, dass sich Dortmund als Modellkommune für das Projekt „Emissionsfreie Innenstadt“ beim Land bewerben werde.

Langwieriger Rückbau: Mit ersten Neubauten ist nicht vor 2019 zu rechnen

Hoesch-Spundwand HSPDoch das ist noch alles Zukunftsmusik: Vorerst hat hier auf dem Hoesch-Spundwand-Areal die Rückbau-Kolonne des bisherigen Eigentümers das Sagen.

Erst ab Mitte 2018 können dann die Abbruchbagger des neuen Eigentümers anrücken: Mit ersten Neubauten könnte daher frühestens 2019 begonnen werden. Und auch nur dort, wo bereits Baurecht besteht – also beispielsweise entlang der Rheinischen Straße.

Für die größeren Vorhaben im nördlichen Bereich dürfte es noch leicht drei bis fünf Jahre dauern, bis überhaupt Plan- und Baureife erreicht werde. Wilde erinnerte an Vorhaben wie am Phoenixsee – dort seien auch zehn Jahre bis zur Fertigstellung der ersten Gebäude ins Land gegangen.

Doch das Warten lohne sich – auch für die Wirtschaft. Groschek sieht für das nördliche Areal sehr gute Entwicklungschancen – nicht nur wegen der Hafennähe. „Was den Kanalhafen stärkt, stärkt auch den Logistikstandort. Und durch die Gleisanlagen sehe ich hier Verknüpfungsmöglichkeiten wie aus dem Lehrbuch“, lobte der Landesminister.

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Reaktionen

  1. Die Urbanisten

    Möglichkeitsräume westlich der Dorstfelder Brücke? Veranstaltung der Urbanisten am Mittwoch, 26. April 2017 | 18 Uhr Infoabend, ab 20 Uhr Kino | Werkhalle, Rheinische Straße 143

    Ideenbox, Parcours und Kino. Es geht um unsere Stadt, unser Quartier, um die Zukunft des ehemaligen HSP bzw. Hoesch-Union Areals an der Rheinischen Straße. Interessierte Studierende, Unternehmen, Bewohner, Verwaltung und Politik werden über das, was dort war, ist und geplant werden könnte, berichten.

    Bei einem reinem Infoabend soll es aber nicht bleiben. Wir wollen die Gelegenheit nutzen, Ideen zu zukünftigen Nutzung und Tatkraft zur Zwischennutzung festzuhalten und Möglichkeiten erarbeiten, um an der Gestaltung und Entwicklung des Gebiets westlich der Dorstfelder Brücke mitzuwirken.

    An einer Ideenwand befinden sich sieben spannende Orte zum Beplanen: Den Tunnel, den Ofenplatz, den Kantinenkomplex, den Garagenhof, den Platanengarten, den Hinterhofdschungel und die Verladestation. Daneben gibt es drei Tische zu den Themen Wohnen, Grün und Pläne für den inhaltlichen Austausch.

    Das Gegenteil von Grau! Ab 20 Uhr werden die Urbanisten die Werkhalle in ein temporäres Kino verwandeln und mit der Initiative Recht auf Stadt Ruhr sowie dem Film „Das Gegenteil von Grau“ (gegenteilgrau.de) zeigen, welche Möglichkeiten der Freiraumnutzung im Ruhrgebiet bereits gelebt werden.

    http://www.dieurbanisten.de/mitmachen/hsp_2

  2. Grünen-Fraktion

    GRÜNE informieren sich über Zukunft der ehemaligen HSP-Fläche

    Zu einem Rundgang über das ehemals von der Hoesch Spundwand und Profile (HSP) GmbH genutzte Thyssen-Krupp-Gelände an der Rheinischen Straße traf sich die Fraktion der GRÜNEN. Ende 2015 musste HSP die Produktion auf der Industriefläche an der Alten Radstraße im Unionviertel einstellen. Rund 350 Mitarbeiter verloren ihren Job und 45 ha Fläche in der westlichen Innenstadt wurden frei. Viele der ehemaligen Mitarbeiter suchen noch eine neue berufliche Perspektive. Für die Fläche gibt es zumindest Pläne. Die Essener Thelen-Gruppe hat das Gelände im Mai letzten Jahres gekauft. Derzeit wird eine Machbarkeitsstudie zu dem gemeinsam mit der Stadt entwickelten Konzept erstellt. Das Konzept sieht im Norden die weitere Nutzung als Industriegebiet vor, im Bereich an der Rheinischen Straße sind aber auch Wohnbebauung und die Ansiedlung von Gewerbe geplant.

    Ingrid Reuter, Fraktionssprecherin der GRÜNEN:
    „Dieses Gelände ist für die Quartiersentwicklung an der Rheinischen Straße und im Unionviertel eine große Chance. Die Stadt hatte leider keine Möglichkeit, das Gelände selbst zu erwerben. Doch mit der Thelen-Gruppe scheint sich hier ein Investor zu engagieren, der an einer langfristigen und auch nachhaltigen Entwicklung der Fläche interessiert ist. Das vorliegende Konzept, das sowohl Wohnbebauung und Grünflächen als auch Industrie- und Gewerbefläche vorsieht, ist offenbar in enger Kooperation mit der Stadt entstanden. Bei der weiteren Bearbeitung der einzelnen Bereiche z. B. die Wohnbebauung, halten wir es für wichtig, über entsprechende Wettbewerbsverfahren zu hoher Qualität zu kommen. Wünschenswert wäre es, wenn bei der späteren Ausgestaltung auch über eine Öffnung in Richtung Ortskern Dorstfeld nachgedacht würde. Es wäre auch sinnvoll, die Nutzung der auf dem Gelände vorhandenen Schienen für das Straßenbahnmuseum Mooskamp zu ermöglichen. Positiv ist, dass es offenbar auch Ziel ist, einige bestehende Gebäude in das Gesamtkonzept zu integrieren. Dieser Ort ist ein traditioneller Stahlstandort und mit der Einbindung der Industriebauten sichert man auch diese Verbindung.“

    Die für Ende des Jahres erwartete Machbarkeitsstudie wird unter anderem unter Einbindung der Denkmalschutzbehörde erstellt. Sie muss bewerten, welche der noch auf dem Gelände befindlichen Hallen und Gebäude als erhaltenswert gelten und möglicherweise unter Denkmalschutz fallen. Zudem stehen Bodenuntersuchungen an, um zu prüfen, ob die geplanten Nutzungen umsetzbar sind. Ehrgeiziges Ziel ist es, auf dem Gelände einen Zukunftsgarten als Teil der 2027 im Ruhrgebiet stattfindenden Internationalen Gartenschau (IGA) umzusetzen.

    „Die Grünflächen werden hoffentlich nicht nur für die IGA geplant, sondern bleiben dauerhaft Teil des Gesamtkonzepts. Interessant wird auch die verkehrsmäßige Erschließung der Fläche, die durch den deutlichen Höhenunterschied zur Rheinischen Straße erschwert wird. Wünschenswert wäre für uns ein zukunftsorientiertes Mobilitätskonzept.“

    Im Vorfeld der Begehung hatten sich die GRÜNEN mit den Urbanisten getroffen, einem Verein, der sich als Ideenplattform für eine „Stadtentwicklung von unten“ versteht. Die Urbanisten, selbst direkte Anwohner*innen, haben einen öffentlichen Diskussionsprozess über die Flächenentwicklung des ehemaligen HSP-Geländes gestartet, um die Vorstellungen und Anregungen der Bürger*innen einzuholen. Seit 2016 arbeitet eine offene Arbeitsgruppe an verschiedenen Ideen, wie das Gebiet zur sozialen und innovativen Stadtentwicklung beitragen kann. Als Nächstes soll nun der Kontakt mit dem neuen Eigentümer gesucht werden, um auszuloten, was am Ende möglich ist.

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