Zahl unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge in Dortmund steigt massiv an – Träger bauen Kapazitäten aus

27 aller in Deutschland ankommenden Asylbewerber durchlaufen die EAE Hacheney.
Rund 60.000 Menschen sind bereits in diesem Jahr durch die Erstaufnahme in Hacheney geschleust worden.

Die Zahl der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge (UMF) in Dortmund steigt rasant an. „Alle Prognosen haben sich überholt“, sagt Stadträtin Daniela Schneckenburger. Sind es aktuell 650, die das Jugendamt in Obhut benommen hat, werden es in den nächsten Monaten noch deutlich mehr: Mit 1000 bis 1200 Jugendlichen, die sich alleine auf die Flucht gemacht haben oder von ihrer Familie getrennt wurden, rechnet sie für Dortmund.

Die Dortmunder Träger wollen schnell und unbürokratisch Kapazitäten aufbauen

AWO Clearinghaus Eving
Das AWO Clearinghaus in Eving ist eine der Einrichtungen, wo alleinreisende Minderjährige wohnen.

„Das ist eine Herausforderung, auf die sich alle Beteiligten absolut schnell einstellen. Dafür kann ich nur Danke sagen, dass sie die Kapazitäten schnell und unbürokratisch zum Wohl der Jugendlichen ausbauen“, so Schneckenburger. „Aber wir brauchen dafür die Unterstützung des Landes.“

Dortmund ist mit Köln und Aachen die Stadt in NRW, in der die meisten UMF ankommen. Aachen als Grenzregion, Köln als Bahnhof und Dortmund – u.a. auch wegen Erstaufnahmeeinrichtung des Landes in Hacheney.

3000 bis 4000 junge Flüchtlinge durchlaufen dort die Altersfeststellung, über ein Drittel wird dann als „UMF“ vom Jugendamt in Obhut genommen, wenn man ihnen glaubt, dass sie minderjährig und alleine in Deutschland unterwegs sind.

Stadt Dortmund rechnet mit bis zu 1200 unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen

Jugenddezernentin Daniela Schneckenburger mit Farzaneh Khajeh, Mitarbeiterin in der mobilen Betreuung bei ConSol. Foto: Stadt Dortmund
Jugenddezernentin Daniela Schneckenburger mit Farzaneh Khajeh, Mitarbeiterin in der mobilen Betreuung bei ConSol. Foto: Stadt Dortmund

„1000 bis 1200 Jugendliche kommen so in unser System“, verdeutlicht Schneckenburger, die einen Tag lang alle Stationen besucht hat, die auch „UMF“ durchlaufen.

Bislang ist es so, dass die Kinder und Jugendlichen dort bleiben, wo sie angekommen sind. Durch die Erstaufnahmeeinrichtung ist dies halt sehr häufig Dortmund.

Doch diese Regelung wird fallen. Ab dem 1. Januar 2016 sollen die UMF stärker verteilt werden – dann können sie auf die 180 Jugendämter in ganz NRW verteilt werden.

Die Entscheidung war nicht unumstritten: Denn die Sorge ist, dass nun junge Flüchtlinge in Kommunen kommen, die nicht auf die Herausforderungen eingestellt sind und wo die Erfahrungen und Strukturen fehlen.

Schon jetzt fehlen die Plätze: Nur 400 von 650 Jugendlichen wohnen in Dortmund

Allein im Juni 2015 wurden mehr als 53.000 Flüchtlinge durch die EAE Hacheney geschleust.
Künftig können sogenannte UMF auch auf andere Jugendämter verteilt werden. Fotos: Alex Völkel

„Ich neige dazu, keine Schwerpunktjugendämter zu bilden, weil irgendwann jede Infrastruktur überlastet ist“, so Schneckenburger. „Ich nehme wahr, dass Umlandskommunen eigene Kapazitäten aufbauen. Es ist richtig, das zu machen.“

Dass die Kapazitäten in Dortmund bislang schon nicht ausreichen, daraus macht die Dezernentin keinen Hehl. Das Dortmunder Jugendamt ist aktuell für 650 junge Flüchtlinge zuständig.

Allerdings sind nur rund 400 in verschiedenen Wohn- und Unterbringungsformen in Dortmund untergebracht, 250 schon jetzt mangels Kapazitäten außerhalb.

Herausforderungen für die Dortmunder Schulen – 102 Willkommens-Klassen

_
Auch an der Nordmarkt-Grundschule gibt es Willkommensklassen für Flüchtlinge und Zuwanderer.

Nicht nur die Unterbringungs- und Betreuungskapazitäten, auch die Schulangebote müssen aufgestockt werden.

Denn zu den allein reisenden Jugendlichen kommen natürlich auch die kommunal zugewiesenen Flüchtlings-Kinder, die mit ihren Familien nach Dortmund kommen.

Aktuell gibt es 102 Willkommensklassen in Dortmund, wie die Auffang- und Vorbereitungsklassen auch genannt werden.

Im Bereich der Primarstufe gibt es an 31 Schulen insgesamt 36 Willkommens-Klassen, in der Sekundarstufe I an 30 Schulen insgesamt 46 Klassen (davon zwei Alphabetisierungsklassen) sowie im Bereich der Sekundarstufe II und der Berufskollegs acht Schulen mit 20 solcher Klassen.

Dort sind natürlich nicht nur die Flüchtlingskinder, sondern auch die Kinder von Zuwanderern, die hier auf den Schulalltag in Regelklassen vorbereitet werden.

Dortmund braucht kontinuierlich weitere Lehrerinnen und Lehrer

„Wir brauchen fortwährend weitere Zuweisungen von Lehrerinnen und Lehrern nach Dortmund, weil die Zahl der zu beschulenden Schülerinnen und Schülern steigt“, macht Schneckenburger deutlich.

Schon im Frühjahr hatte die Bezirksregierung weitere Lehrer-Stellen für Dortmund bewilligt. Doch das wird nicht reichen – weitere Lehrerinnen und Lehrer werden benötigt.

Dortmund steht damit gegen den Trend vieler Umlandgemeinden: „Wir schalten um auf ein wachsendes System“, so Schneckenburger.

Daniela Schneckenburger: „Die Jugendlichen bringen viele Potenziale mit“

Doch die Schulen stellen sich darauf ein: „Wir bekommen fast ausschließlich sehr positive Rückmeldungen und positive Erfahrungen aus den Schulen“, berichtet Anja Weier vom Dienstleistungszentrum Bildung.

Sehr zur Freude ihrer grünen Chefin: „Anders als in 90er Jahren hat die Gesellschaft verstanden, dass eine Chance in dieser Form der Zuwanderung steckt. Es gilt die Ärmel hochzukrempeln und anzupacken.“

Daher will Schneckenburger bei allen Herausforderungen eines nicht vergessen:  „Die Jugendlichen bringen viele Potenziale mit – darauf müssen wir den Schwerpunkt legen.“

Positive Beispiele hat sie bei ihren Ortsterminen erlebt. Es gebe viele Beispiele gelungener Integration: „Wir müssen den Jugendlichen Wege und Perspektiven in die Gesellschaft geben, damit sie eine Lebensperspektive in Deutschland entwickeln können.“

Print Friendly, PDF & Email

Reaktionen

  1. CDU-Fraktion

    EAE Hacheney: Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge blockieren Plätze: CDU-Fraktion sieht Jugendamt in der Pflicht

    Bei einem Ortstermin der CDU-Fraktion am 06. August 2015 in der Erstaufnahmeeinrichtung in Hacheney hat die CDU erfahren, dass sich am 05./06. August 2015 ungefähr 170 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in der EAE aufgehalten haben. In den Tagen zuvor waren die Zahlen ähnlich hoch.

    Laut Auskunft der Einrichtungsleitung blockieren die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge wichtige Plätze für andere Flüchtlinge, die nach Registrierung in andere Einrichtungen weitergeleitet werden können.

    „Das Jugendamt ist verpflichtet, die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge unverzüglich in Obhut zu nehmen und in Jugendhilfeeinrichtungen zu überstellen. Offensichtlich hat das Jugendamt aber große Probleme, die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge in geeigneten Einrichtungen unterzubringen.

    Dadurch ist seit Mitte Juni die Anzahl der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge in Hacheney stetig angestiegen“, erklärt der ordnungspolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Friedrich-Wilhelm Weber.

    Für die CDU ist es ein Unding, dass die verantwortliche Jugenddezernentin und die Amtsleitung des Jugendamtes trotz des Wissens um ständig ansteigende Zahlen der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge keinerlei Vorsorgemaßnahmen getroffen haben, um diese Jugendlichen wie gesetzlich vorgeschrieben, unverzüglich in Obhut zu nehmen.

    Die EAE Hacheney ist kein geeigneter Aufenthaltsort für diese Jugendlichen. Schließlich werden die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge nicht nach dem Asylrecht behandelt. Es gelten für diese Personengruppe vielmehr die gesetzlich vorgegebenen Standards der Kinder- und Jugendhilfe.

    Deshalb sollten diese Jugendlichen auch nicht länger als 24 h in der EAE verbleiben, nachdem ihr Status als unbegleitete minderjährige Flüchtlinge geprüft und anerkannt wurde.

    Die CDU-Fraktion wird daher in der kommenden Sitzung des Ausschusses für Kinder, Jugendliche und Familie am 12.08.2015 im Wege der Dringlichkeit eine Anfrage stellen, warum dieser Zustand nicht behoben wird und warum das Jugendamt nicht seinen Aufgaben nachkommt.

Reaktion schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert