Niemals vergessen: Lesung und Kundgebung zum Gedenken an die Deportation von Juden aus Dortmund vor 76 Jahren

Sammlung der zu Deportierenden auf dem Eintracht-Sportplatz, heute Ruhrallee. Foto: Stadtarchiv Dortmund
Sammlung der zu Deportierenden auf dem Eintracht-Sportplatz (heute Ruhrallee). Foto: Stadtarchiv Dortmund

Die Schriftstellerin und Schauspielerin Renan Demirkan liest am Freitag, 27. April 2018, ab 18.30 Uhr in der Mahn- und Gedenkstätte Steinwache (Steinstraße 50) aus Zygmunt Klukowskis „Tagebuch aus den Jahren der Okkupation 1939-1944“. Zudem wird es am 29. April am Mahnmal auf der Ruhrallee 98 eine Gedenkkundgebung zur Erinnerung an die deportierten Jüdinnen und Juden aus Dortmund vor 76 Jahren geben.

Das schlimmste Verbrechen der Menschheitsgeschichte darf nicht vergessen werden

Die Weltkriege sind eng mit der deutschen Geschichte verknüpft. Nach der sogenannten „Schmach von Versailles“ wollten die Nationalsozialisten das Deutsche Reich in ihr tausendjähriges Reich verwandeln. Das Resultat ließ Europa in Schutt und Asche zurück, kostete über 60 Millionen Menschen das Leben und führte mit dem Holocaust zum schlimmsten Verbrechen in der Menschheitsgeschichte.

Die alte Dortmund Synagoge: Wilhelm Schmieding sprach bei der Einweihung im Jahr 1900 stolz von einer „Zierde für die Stadt“ und wünschte sie sich „für Jahrhunderte erbaut“.
Die alte Synagoge wurde im Jahr 1900 als „Zierde für die Stadt“ eröffnet. Foto: Stadtarchiv

Auch Dortmund ist eng mit diesem düstersten Kapitel deutscher Geschichte verknüpft. Auch hier wütete der nationalsozialistische Mob schon vor Beginn des Krieges. Auf dem Gelände des heutigen Stadttheaters, wo inzwischen deutsche und internationale Kultur gefeiert und groß geschrieben werden, stand damals die prachtvolle Synagoge.

Sie wurde von den Nationalsozialisten aus angeblich städtebaulichen Gründen abgerissen und in der Reichspogromnacht am 9. November 1938 setzten sie die Synagogen in Dorstfeld und Hörde in Brand.

Zahlreiche Geschäfte und Wohnungen wurden vor den Augen der Polizei verwüstet und geplündert, jüdische BürgerInnen misshandelt. Die männlichen wohlhabenden jüdischen Bürger wurden anschließend in Konzentrationslager verschleppt, um sie zur Emigration zu nötigen und ihr Vermögen zu „arisieren“.

Die dunkelste Seite deutscher Geschichte hat auch in Dortmund ihre Spuren hinterlassen

Von nun an sollte sich das Leben für jüdische BürgerInnen in Deutschland dramatisch verändern. So wurden zwischen dem 28. und 30. April 1942 insgesamt 791 Jüdinnen und Juden aus dem Regierungsbezirk Arnsberg, davon 178 aus Dortmund, ins polnische Zamość deportiert. Die Gestapo richtete dafür in der Turnhalle der Dortmunder Eintracht am Rheinlanddamm (heute Parkplatz der Continentale an der Ruhrallee) einen Sammelpunkt ein.

Die Fahrt startete am 30. April am damaligen Südbahnhof. Die Ältesten waren über 70 Jahre alt, die Jüngsten noch Säuglinge. Die meisten wurden in den nahe gelegenen Vernichtungslagern Sobibór und Belzec mit Giftgas ermordet.  Niemand überlebte. Anlässlich des Jahrestags der Deportation finden in Dortmund eine Gedenkkundgebung und eine Lesung statt.

Die Mahn- und Gedenkstätte Steinwache in Kooperation mit Borussia Dortmund, Evonik und dem Metropol-Verlag laden zu zwei Veranstaltungen gegen das Vergessen und zum Gedenken an die Opfer ein. Am morgigen Freitag liest Renan Demirkan also aus Zygmunt Klukowskis „Tagebuch aus den Jahren der Okkupation 1939-1944“.

Klukowskis Tagebuch ist ein einzigartiges Zeugnis über die Banalität des Bösen

Renan Demirkan wird aus Zygmunt Klukowskis Tagebuch lesen. Foto: Ayshe Gallé

Zygmunt Klukowski war polnischer Arzt, Historiker und Sammler und schrieb während des Zweiten Weltkrieges fast täglich in seinem Tagebuch detailliert über die Ereignisse in Szczebrzeszyn und der Region Zamosk im von den Deutschen besetzten Polen. 

Mit diesen einzigartigen Aufzeichnungen wollte er Zeugnis ablegen über die „unerhörte Geschichte“ jenes Gebietes, in das die Dortmunder Deportation führte. Hier wurden einerseits hunderttausende Jüdinnen und Juden ermordet.

Andererseits erklärte Heinrich Himmler die Region zum ersten deutschen Siedlungsgebiet und somit zum bevölkerungspolitischen Laboratorium für den „Generalplan Ost“, mit verheerenden Folgen auch für die nicht-jüdische Zivilbevölkerung. Zum Verständnis: Der „Generalplan Ost“ bildete die Grundlage für die „Kolonisierung“ und „Germanisierung“ von Teilen Ostmittel- und Osteuropas. Vor der Lesung geben die Herausgeberinnen Dr. Christine Glauning (Leiterin Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit, Berlin) und Ewelina Wanke eine Einführung.

Am Sonntag, den 29. April, soll der Opfer der Deportationen gedacht werden. Die Gedenkkundgebung findet am Mahnmal in der Ruhrallee 98 statt und beginnt um 11.30 Uhr. Organisiert wird die Kundgebung von der Evangelischen Paul-Gerhardt-Kirchengemeinde, der Katholischen Bonifatiusgemeinde, der Evangelisch-lutherischen Trinitatisgemeinde, dem BVB und der Mahn- und Gedenkstätte Steinwache.

Weitere Informationen:

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