KOMMENTAR: „DAS WORT ZUM SONNTAG“ – Für einen „Sozialstaat ohne Tafeln“ und eine Nordstadt-Kirche ohne AfD

Bei der Neuauflage soll die Podiumsdiskussion ohne die AfD nachgeholt werden. Einen Termin gibt es noch nicht.
Bei der Neuauflage soll die Podiumsdiskussion ohne die AfD nachgeholt werden. Einen Termin gibt es noch nicht.

Ein Kommentar von Susanne Schulte

Sie wollten sich Ideen zu den „Reformperspektiven des Sozialstaats anhören“, jetzt müssen sie sich Gedanken machen um die Reformen von Diskussionsveranstaltungen: Christian Nähle, Mitglied der Tafel, und Pfarrer Friedrich Laker, als Vertreter der gastgebende Lydia-Kirchengemeinde, meinten es gut und machten es schlecht. 

Sie luden für diesen Donnerstagabend in die Räume der Tafel an der Straße Osterlandwehr BundestagskandidatInnen aller sechs Parteien ein, denen laut ARD-Politbarometer eine Chance zugestanden wird, ins nächste Bundesparlament gewählt zu werden. Dazu gehört auch die AfD. Für ein gutes Dutzend junger Menschen hatte Mathias Helferich, der Kandidat dieser Partei, nichts auf dem Podium zu suchen. 

Sie ließen ihn nicht zu Wort kommen: „Ich bin nicht bereit, heute mit Nazis zu diskutieren“, sagte eine der Protestierenden. „Sie sind Gast der Tafel, Sie müssen das respektieren“, entgegnete ein Ehrenamtlicher des Vereins. Das taten die AfD-GegnerInnen nicht. Und letztendlich ging es nur noch um die Frage: Muss man es akzeptieren, dass die evangelische Kirchengemeinde während einer öffentlichen Veranstaltung einem AfD-Politiker ein Forum bietet?

Sprechchöre: „AfD-Faschistenpakt, wir haben euch zum Kotzen satt“

Pfarrer Friedrich Laker (re.) kündigte an, die Veranstaltung ohne AfD-Kandidat Matthias Helferich (li.) nachgeholt.
Pfarrer Friedrich Laker (re.) kündigte an, die Veranstaltung werde ohne AfD-Kandidat Matthias Helferich (li.) nachgeholt.

Die meisten der mehr als 100 ZuhörerInnen im Saal meinten „ja“, sahen sogar die Demokratie und ihr Recht auf Information gefährdet, sollte Helferich nicht zu Wort kommen. Die Gruppe der Buhenden sah durch die AfD die Demokratie gefährdet: „Es gibt kein Recht auf Nazi-Propaganda“ und „AfD-Faschistenpakt, wir haben euch zum Kotzen satt“, war zu hören. Weder Christian Nähle noch Friedrich Laker bekamen die Situation in ihrem Sinne in den Griff. 

Weder wollten die StörerInnen auf ihr Angebot eingehen und mit Argumenten ihren Protest untermauern – kein Wunder: filmten doch die Helferich begleitenden AfD-Funktionäre ihre wort- und lautstarken GegnerInnen -, noch wollten sie Ruhe geben. „Ich möchte Sie bitten, den Saal zu verlassen“, hörte man Laker sagen. Das wiederum entsetzte andere Gäste im Publikum. 

„Die Linken müssen gehen und die Rechten dürfen bleiben …! Dann gehe ich auch“, so eine Frau im Publikum. Dem hätte sich auch die SPD-Bundestagsabgeordnete Sabine Poschmann angeschlossen, die an diesem Abend gar nicht zu Wort kam. Dafür kam Laker wieder zu Sinnen und rief zur Pause.

Ein Podium ohne AfD? Niemand hätte sie dafür schlechte Demokraten genannt

AntifaschistInnen ließen den AfD-Kandidaten nicht zu Wort kommen. Fotos: Alex Völkel
AntifaschistInnen ließen den AfD-Kandidaten nicht zu Wort kommen. Fotos: Alex Völkel

Inmitten von Dutzenden Polizisten auf dem Hof und in der Halle – die schon seit Beginn der Veranstaltung rund um und auf dem Grundstück anwesend waren – gingen die Diskussionen weiter, während die Security mit Unterstützung der Beamten einen Teil der protestierenden jungen Leute vom Gelände führte und deren Personalien aufnahm. Und das mit Billigung von Nähle und Laker. 

Nach der Pause die Beschlussfassung: Die Podiumsdiskussion wurde beendet, ein neuer Termin noch vor der Wahl zum selben Thema versprochen – ohne Mathias Helferich. Hätten Laker und Nähle nicht perfekt sein wollen, nicht als Lehrmeister der Nordstadt dastehen wollen, hätten sie die AfD gleich aus dem Kreis der RednerInnen gestrichen. Niemand hätte sie dafür schlechte Demokraten genannt. 

Nun ist dem Pfarrer auch noch eine kircheninterne Auseinandersetzung sicher: Hatte die Kreissynode doch entschieden, Menschen mit rechtsextremen oder rassistischen und menschenverachtenden Ansichten kein Forum zu bieten.

 


IN EIGENER SACHE:

Wir stehen ja „gerne“ KommentatorInnen auf unseren Online-Seiten Rede und Antwort.

Hier ein Beispiel, wenn man der AfD bei Twitter antwortet und denen die Argumente ausgehen… Lupenreine Demokraten.

 


UPDATE: Einige Kommentarbeispiele auf Youtube:


Mehr zum Thema auf nordstadtblogger.de:

AfD sperrt Medienvertreter vom Landesparteitag aus – Journalisten-Union kritisiert Eingriff in die Pressefreiheit

Ein Sozialstaat ohne Tafeln: PolitikerInnen von sechs Parteien aus Dortmund lassen sich fragen, ob und wie das geht

+++VIDEO+++ Lautstarke und kreative Proteste gegen AfD: Landtagswahl-Debatte an der TU Dortmund geplatzt

AfD sperrt Medienvertreter vom Landesparteitag aus – Journalisten-Union kritisiert Eingriff in die Pressefreiheit

Print Friendly, PDF & Email

Reaktionen

  1. Frau Bzdok

    Ich finde es unerträglich und erschreckend wieviele Menschen in Deutschland sich die Zeit der NSDAP wieder herbei wünschen. Es ist erschreckend mit was für einer Respektlosigkeit, Aggression und Gewalt Politikern, Polizisten und Reportern begegnet wird. Beleidgungen. Diffamierungen und Hetzerei, sind wie damals normal geworden, so normal dass man Menschen ganz offen beleidigt wie Herr Helferich hier dem Nordstadtblog, oder aber AfD Sympatisanten in Sozialen Kanälen anderen Hass und den Tod wünschen. Auf Twitter geht ein Film um von der Veranstaltung wo in den Kommentaren dem Filmemacher die Todesstrafe versprochen wird wenn die AfD an die Macht kommt. Herr Gauland möchte Menschen entsorgen und Herr Meuthen spricht bereits davon alle Politiker rückstandfrei zu entsorgen und wird dafür bejubelt.

    Ich schäme mich zu sagen dass ich Deutsche bin.

    Anmerkung der Redaktion:
    Wir haben einige der genannten Youtube-Kommentare nun auch hier veröffentlicht.

  2. Ein Besucher

    Herr Laker hat sich in vorbildlicher Art und Weise für die Protestierenden eingesetzt. Die Polizei war nur auf seinen Wunsch als Schutz vor möglichen neonazistischen Angriffen anwesend, es ensprach nicht seinem Wunsch das diese gegen Linke aktiv wurde.
    beschwerte sich persönlich bei den Polizist_innen und versicherte das er auch keine Anzeige stellen würde.
    Herr Laker hat sich den ganzen Abend sehr gut verhalten.
    Er hat versucht die Veranstaltung bis zum Ende durchzuführen (was man kritisieren kann).
    Er hat aber ebenfalls sich geweigert den Saal räumen zu lassen, was sicherlich zu hässlichen Szenen geführt hätte.
    Ich denke alle Beteiligten können Herrn Laker und dem anderen Moderator sehr dankbar sein das er so besonnen gehandelt hat, den ganzen Abend lang.

Reaktion schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert