Dortmund-Tatort lockte viele Menschen zum Rudelgucken – Kontroverse Reaktionen zur Neonazi-Thematik

Dortmund Tatort Hydra in der Pauluskirche. 5. Dortmund-Tatort spielt im Neonazi-Milieu. Rudelgucken in der Pauluskirche unter Polizeischutz
Der  5. Dortmund-Tatort spielt im Neonazi-Milieu. Rudelgucken in der Pauluskirche. Foto: Hartmann

Am Sonntag gab es vielerorts in Dortmund Tatort-Rudelgucken – zum Beispiel im U-Turm, im Salon Fink und im Subrosa. Rund 300 Zuschauerinnen und Zuschauer gab es in der Pauluskirche – hier musste die Türen schon lange vor 20.15 Uhr geschlossen werden, weil die Kirche voll besetzt war. Das Besondere hier: Im Anschluss gab es eine Auswertungsrunde des neuen Tatorts mit Mitgliedern des Arbeitskreises Christen gegen Rechtsextremismus.

Fazit: Dortmund kam besser weg als befürchtet – stimmige Geschichte

Dortmund Tatort Hydra in der Pauluskirche. 5. Dortmund-Tatort spielt im Neonazi-Milieu. Rudelgucken in der Pauluskirche unter Polizeischutz. Die Pfarrer Friedrich Stiller und Friedrich Laker, links, bei der abschließenden Diskussion
Die Pfarrer Friedrich Laker und Friedrich Stiller bei der anschließenden Diskussion. Foto: Hartmann

„Hydra“ kam bei den Zuschauerinnen und Zuschauern unterschiedlich gut an. Allen gemeinsam war die Erleichterung, dass Dortmund nicht zu schlecht weg kam und auch die Darstellung der Geschehnisse in weiten Teilen realistisch war.

„Als Geschichte war es geschlossen und stimmig. Man konnte der Geschichte folgen – das war nicht bei jedem Tatort so“, kommentierte ein Zuschauer.

Pfarrer Friedrich Stiller vom Arbeitskreis gegen Rechtsextremismus war die Erleichterung anzumerken. „Die Bedrohung durch die Neonazis kam rüber, auch wenn vieles der Freiheit der Kunst geschuldet war.“ So sei die Figur der Leiterin der Beratungsstelle für Opfer rechtsextremer Gewalt als israelische Jüdin überflüssig gewesen. „Diese politische Zuspitzung war nicht notwendig und fast irreführend“, bewertete Stiller.

Darstellung zivilgesellschaftlicher Projekte wurde vermisst

Positiv fand er, dass durch die Darstellung der Existenz der Beratungsstelle die Stadt lobend erwähnt würde. „Das war früher anders“, erinnerte er an den Beitrag „Allein unter Nazis“ – „das war völliger Blödsinn“. Allerdings hätte er sich gewünscht, dass auch das zivilgesellschaftliche Engagement aus der Stadtgesellschaft heraus gewürdigt würde. Dies fehlte völlig.

„Viele Menschen sind seit Jahren unterwegs und halten die Szene klein“, betonte Pfarrer Friedrich Laker. Beispielsweise hätte dies in den Film eingebaut werden können, als die Neonazis ihre Mahnwache abhielten – in der Regel bleiben diese nicht „ungewürdigt“. Gegenprotest formiert sich schnell.

Drohungen gegen Tatort-Crew – Rudelgucken unter Polizeischutz

Dortmund Tatort Hydra in der Pauluskirche. 5. Dortmund-Tatort spielt im Neonazi-Milieu. Rudelgucken in der Pauluskirche unter Polizeischutz
Das Rudelgucken in der Pauluskirche fand unter Polizeischutz statt. Foto: Klaus Hartmann

Dafür waren viele Charaktere – zum Beispiel die Führungsspitze der „Nationalen Sozialen“ – gut zu erkennen – selbst die Neonazis würdigten dies im Nachgang wohlwollend. Während der Dreharbeiten hatten sie – wie mittlerweile bekannt wurde – noch Drohungen gegen die Tatort-Crew ausgesprochen.

Wie aktuell der Tatort ist, zeigte auch das Rudelgucken in der Pauluskirche: Vor der Kirche Polizeiwagen, im Inneren und auf dem Außengelände ein Wachdienst. „Die Sicherheit hat für uns heute einen großen Stellenwert. Wir würden uns etwas anderes wünschen“, so Stiller.

Anlass waren die Vorkommnisse in der vergangenen Woche in Eving, wo Neonazis eine Bürgerversammlung für Propaganda-Zwecke missbraucht, Politiker beleidigt und einen Polizisten schwer verletzt hatten.

Kritik: Polizist mit brauner Vergangenheit als Mörder ist unrealistisch

Kommissarin Nora Dalay (Aylin Tezel) wurde überfallen. Die Täter sprühen ihr ein Hakenkreuz auf den Bauch. © WDR/Thomas Kost
Kommissarin Nora Dalay (Aylin Tezel) wurde überfallen. Foto: WDR/Thomas Kost

Irritationen löste bei den Zuschauern aus, dass der Täter ein Polizist mit brauner Vergangenheit gewesen sein soll. „Das mindert die Brisanz der Neonazis und lässt die Gefahren der rechten Szene nicht so richtig deutlich werden“, bedauerte eine Zuschauerin.

Denn die bisher fünf politisch motivierten Morde, die in Dortmund zu beklagen sind, waren von Neonazis zu verantworten – drei der Opfer waren Polizisten. Aber der Überfall auf die Polizistin ist so nicht mit der Realität gedeckt: Bislang gab es „nur“ verbale Attacken. Die Art und Weise des Vorgehens,  die Bedrohungen, Einschüchterungen, Überfälle und Verletzungen sind allerdings schon realistisch dargestellt: Opfer sind hier in der Regel aber Antifaschisten, Demokraten und Journalisten.

Konkurrenz zwischen Skinheads und Nationalen leider nur Fiktion

Wenn auch die im Film beschriebene Konkurrenzsituation zwischen Nationalen Sozialen (also der Partei „Die Rechte“) und der Skinheadfront Dorstfeld leider nur Fiktion ist, ist die Darstellung der rhetorischen Fähigkeiten der Führungsfiguren gut dargestellt. Der Student mit dem Internetversand-Handel ist hart an der Realität.

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Reaktionen

  1. Riseup

    Schön wäre es, wenn nur annähernd so viele Menschen auch mal zum Gegenprotest gegen die Faschos kommen würden! Da sieht es nämlich echt mager aus in Dortmund!

    Für eine so große Stadt haben wir viel zu wenig organisierte Antifas – und die Bürgerlichen futtern lieber ihre ‚Bratwurst gegen Nazis‘, als mit uns auf der Straße zu stehen!

  2. M.B.

    „Irritationen löste bei den Zuschauern aus, dass der Täter ein Polizist mit brauner Vergangenheit gewesen sein soll. „Das mindert die Brisanz der Neonazis und lässt die Gefahren der rechten Szene nicht so richtig deutlich werden“, bedauerte eine Zuschauerin.“

    Schade das dem anscheinend niemand widersprochen hat.
    Tatsache ist nämlich, dass die Realität sogar noch schlimmer ist als die Tatort-Fiktion.
    In der jüngeren Geschichte von Dortmunder Nazis+ Polizei wurde erstere nicht nur durch Angehörige der Verfolgungsbehörden vor Razzien u.ä. vorgewarnt, sondern sogar noch mit Waffen versorgt, mit denen sie dann auch Überfälle samt Schusswaffengebrauch durchführten.
    Siehe bspw:
    http://www.vice.com/de/read/der-nsu-war-nur-die-spitze-des-rechten-terror-netzwerks-818

  3. Bürgerlicher

    Ich würde ja mitmachen, wenn sichergestellt wäre, dass die Autonomen keinen Zoff mit der Polizei anfangen.
    Noch eine Frage: Dürfen die Nazis die Demonstranten filmen?

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