Von Klaus Winter und Alexander Völkel
Dortmund verliert gerade ein ebenso markantes wie geschichtsträchtiges Gebäude: Der Altbau der Anne-Frank-Gesamtschule in der Nordstadt wird abgerissen. Mit den Abbrucharbeiten geht der letzte Hinweis auf ein Stück Stadtgeschichte verloren, dessen ganzer Umfang kaum noch jemandem bekannt ist. Denn viele kennen den monumentalen Bau an der Burgholzstraße nur als Schulgebäude. Tatsächlich war es vor 115 Jahren als Krankenhaus der Barmherzigen Brüder aus Trier gegründet worden.
Das Schulgebäude wurde einst als erstes Krankenhaus im Dortmunder Norden gebaut
Die Anfänge des Wirkens der Barmherzigen Brüder von Trier in Dortmund hatten sich in einem deutlich bescheideneren Umfeld abgespielt. Die ersten Mitglieder dieser Genossenschaft waren 1894 nach Dortmund gekommen und hatten im Gesellenhaus Quartier genommen. Hier widmeten sie sich der ambulanten Krankenpflege. Sehr rasch erwies sich die Niederlassung als zu klein.
So eröffneten die Barmherzigen Brüder in der Pottgießerstraße eine Filiale. Diese sorgte aber nur vorübergehend für Entlastung. Die Genossenschaft entschloss sich deshalb zu einer großen Lösung und fasste am 20. Januar 1899 den Beschluss, ein eigenes Krankenhaus in Dortmund zu errichten. Zu diesem Zweck wurde ein Grundstück an der Burgholzstraße gekauft.
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts erhielt Dortmund dann sein drittes Krankenhaus, das gleichzeitig das erste im Norden der Stadt sein sollte. Als das „Brüder-Krankenhaus“ 1905 seiner Bestimmung übergeben wurde, bot es einen imposanten Anblick: Die mehrstöckige Front des Hauptgebäudes zur Burgholzstraße maß bereits in der ersten Ausbaustufe stolze 110 Meter!
Das im Zweiten Weltkrieg zerstörte Krankenhaus wurde notdürftig zur Schule umfunktioniert
Im nationalsozialistischen Dortmund musste das angesehene Krankenhaus ein übles Geschick ertragen, dass in seiner Zerstörung gipfelte. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Komplex für einen Wiederaufbau als Krankenhaus vermutlich gar nicht mehr in Betracht gezogen. Stattdessen funktionierte man die Ruine notdürftig zur Schule um.
Bereits 1946 war hier das Stadtgymnasium eingezogen, das im Kriegsverlauf seine Heimstatt durch völlige Zerstörung verloren hatte. 1948 plante man eine Erweiterung der Räumlichkeiten durch die Aufstockung eines Flügels.
1950 wurde das Haus den Barmherzigen Brüdern von Trier rückübereignet. Die Genossenschaft verzichtete aber auf die Einrichtung eines neuen Konvents an diesem Ort. Sie verpachtete das Anwesen an die Stadt Dortmund, die es dann 1952 kaufte. Zu dieser Zeit war das Schiller-Gymnasium als weitere kriegsbedingt heimatlos gewordene Schule an der Burgholzstraße eingezogen.
Die lange Zeit des Abbruchs und des Wiederaufbaus setzte sich fort. Trümmerschutt wurde entfernt, die Ruine der Kapelle abgebrochen. Auf der anderen Seite entstanden neue Schulräume, eine Pausenhalle, eine Turnhalle, ein neues Maschinenhaus.
1959 bezog das Helene-Lange-Gymnasium das ehemalige Krankenhaus, in dem sich bis in die frühen 1960er Jahre auch noch Notwohnungen für Ausgebombte und Flüchtlinge befanden.
Die letzten Jahrzehnte befand sich die Anne-Frank-Gesamtschule in dem geschichtsträchtigen Gebäude. Doch es platzet aus allen Nähten – und der mittlerweile sanierte und erweiterte Neubau machten den Altbau überflüssig. Der weicht nun, um Platz für eine weitere Grundschule für die Nordstadt zu liefern…
FOTOSTRECKE
Einblicke in die Geschichte des Brüder-Krankenhauses (Sammlung Klaus Winter)
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Reader Comments
Günter Schwarz
Als nur noch die Hälfte der Schule stand, mache ich noch schnell einige Fotos, denn es kamen bei mir wieder viele Erinnerungen hoch. Schließlich wohnte ich mit meiner Frau über 30. Jahre lang als Schulhausmeister in dieser Schule. Im November 2011 wurde ich dann mit 65. Jahren in den wohl verdienten Ruhestand verabschiedet. Viele Lehrerinnen, Lehrer und viele Schüler bleiben bis Heute in meinen Erinnerungen.
Robert Gitler
Schade um das schöne Gebäude. Zu viele schöne Gebäude verschwinden aus unserem Stadtbild und werden durch austauschbare Neubauten ersetzt.
Herzliche Grüße
Robert
B. Heideck
Eine interessante Darstellung der Historie eines geschichtsträchtigen Gebäudes…. Wenn es sich um das Schulgebäude handelt, welches ich in Erinnerung habe, habe ich es als damaliger Schüler der Oberstufe noch als Erweiterungsgebäude des Einstein-Gymnasiums erfahren. Meine Mitschüler×innen und ich haben zur damaligen Zeit (ca. 1982/83) noch gegen die politischen Entscheidungen der Gesamtschultranformation demonstriert…