Ortstermin mit Mieterverein: In der Feldherrn- und der Gneisenaustraße brodelt es so gewaltig, dass Fäuste fliegen

Massive Missstände gibt es bei der Immobilie in der Feldherrnstraße.
Massive Missstände gibt es bei der Immobilie in der Feldherrnstraße.

Von Thomas Engel

Eigentlich reine Routine für jeden Lokalreporter. Tobias Scholz, Wohnungspolitischer Sprecher des Mieterverein Dortmund und Umgebung e.V., hatte am Vormittag des 24. Oktobers zu einem Vor-Ort Pressetermin an der fragwürdigen Immobilie eingeladen. Anwesend in Vertretung der Eigentümerin, seit zwei Jahren die ESTARA SIEBTE GmbH & Co. KG, war der Hausmeister des Objekts. Nach und nach kamen MieterInnen hinzu. Die Atmosphäre wurde schnell hitziger. Und dann flogen die Fäuste.

Protest gegen exorbitante Nachforderungen des Vermieters bei den Betriebskosten

MieterInnen diskutieren über die Zustände in ihrem Haus. Kurz darauf eskalierte die Situation
MieterInnen diskutieren über die Zustände in ihrem Haus. Kurz darauf eskalierte die Situation

Es ist kurz vor 11 Uhr am Hauseingang in der Feldherrnstraße 41-45. Nach und nach treffen die geladenen Pressevertreter ein. Ebenfalls vor Ort: Gamze Çalışkan und Tobias Knorn vom Moderations- und Mediationsbüro des Planerladen e.V..

Kenntnis von der Situation in dem Haus hatte der Mieterverein überhaupt bekommen, erklärt Tobias Scholz, weil sich ursprünglich eine Mieterin wegen Unklarheiten bei der Betriebskostenabrechnung für das letzte Jahr an den Mieterverein gewandt habe. So habe man bemerkt, in welchem katastrophalen Zustand sich die Immobilie befinde.

Währenddessen er spricht, setzen zwei Handwerker der Firma „Max Bau“ in den Eingang zur Wohnimmobilie gerade eine neue Haustür ein. Einer von ihnen stellt sich den Anwesenden als zuständiger Hausmeister vor. Zwar wusste er von dem Pressetermin, aber so recht scheint ihm der Sinn der Veranstaltung nicht einzuleuchten. Seine Worte hören sich so an, als hätte man es hier mit einem hoffnungslosen Fall zu tun.

Aus der Sicht der Wohneigentümerin: Die Schuld liegt bei den Mietern

Nicht betriebsbereit ist der Aufzug.
Nicht betriebsbereit ist der Aufzug.

Natürlich gäbe es Probleme mit der Immobilie, gibt er zu Protokoll. Aber man habe in den letzten zwei Jahren mehr gemacht, als in den zehn Jahren davor geschehen. Was aber das Wesentliche sei: Einige der 45 Mietparteien verhielten sich nicht so, wie man es erwarten könne. So würde regelmäßig Müll aus den Fenstern schlicht in den Hinterhof gekippt, der Sperrmüll stapele sich dort zuweilen. Vandalismus sei keine Seltenheit.

Dass der Aufzug in dem Haus beständig kaputt sei, läge an mutwilliger Zerstörung. Ein neuer Fahrstuhl rentierte sich einfach nicht. Immerhin habe man neue Heizungen in die im übrigen vollständig vermieteten Wohnungen eingebaut. Dennoch: Wolle man hier einigermaßen normal wohnen, müsse man wohl 70 Prozent der Mieter rausschmeißen, so der Vertreter der Eigentümergesellschaft.

Zudem gäbe es ein Problem im sozialen Umfeld des Hauses. Junkies aus der Umgebung hätten immer wieder das Schloss aus der Haustür herausgerissen, um im Keller der Immobilie ungestört ihre Drogen zu konsumieren. Mehrfach habe er dort Spritzen gefunden.

Die Situation eskaliert vor dem Haus – es kommt zu Handgreiflichkeiten

Während er seine Sicht der Dinge schildert, kommen immer mehr MieterInnen aus ihren Wohnungen. Die Atmosphäre wird zunehmend hitziger. Es kommt zu gegenseitigen Anschuldigungen, es fallen Beleidigungen. Zwei Beteiligte gehen aufeinander los, es entsteht ein kurzes Handgemenge. Nur mit Mühen können die Streithähne wieder getrennt werden. Auch mit Hilfe Unbeteiligter aus einem naheliegenden Café.

Aber die Lage bleibt angespannt. Erst als die herbeigerufenen PolizeibeamtInnen durch ihre Anwesenheit und einer gewissen professionellen Ruhe weiter schlichtend wirken und den Vorfall aufnehmen, können die MieterInnen von den Zuständen in ihrem Haus ungestört näher berichten.

Aus ihrer Perspektive stellt sich die Lage freilich etwas anders da, als den anwesenden Journalisten zuvor berichtet wurde. Ihnen zufolge sind die Missstände den Eigentümern der Immobilie bzw. ihren Vertretern vor Ort zuzuschreiben.

Probleme mit der Heizung gäbe es seit Längerem, berichtet Frau G.M., die sich wegen der Betriebskostenabrechnung als erste mit dem Mieterverein in Verbindung setzte.

Heizung zu heiß oder sie funktioniert oft gar nicht –  Horrende Rechnungen

Im letzten Winter habe die Heizung vielleicht ein bis anderthalb Monate funktioniert – dann aber sei sie glühend heiß gewesen. In der restlichen Zeit wäre sie gar nicht angesprungen, so dass sie wegen der Kälte in ihrer Wohnung teilweise bei ihren Kindern leben musste.

Tobias Scholz vom Mieterverein weist in diesem Zusammenhang noch einmal auf die fehlerhaften Betriebskostenabrechnungen für das vergangene Jahr hin. Ja, es gab Korrekturen: Statt 1171 Euro soll Frau G.M. jetzt beispielsweise „nur noch“ knapp 600 Euro nachbezahlen. Auch viele andere MieterInnen hätten ursprünglich Nachforderungen in drei- bis vierstelliger Höhe erhalten.

Die aktuellen Berichtigungen in den Abrechnungen beträfen aber lediglich die zuvor fehlerhafte Berücksichtigung hinsichtlich der Höhe der Vorauszahlungen. Andere problematische Bereiche der Abrechnung seien faktisch unangetastet geblieben.

Unzumutbare Zustände im Haus. Reparaturen exakt zum Pressetermin sorgen für Ärger

Andere Mieter erzählen von kaputten Fenstern und Türen in ihrer Wohnung, die nicht oder nur schleppend repariert würden. Die Briefkästen seien in einem desolaten Zustand, Wasser- und Abflussrohre durch dort wachsende Grünpflanzen verstopft.

Auch sei die Haustür schon seit dem vergangenen Sommer kaputt gewesen, berichtete eine junge Frau. Nun, wo die Presse erscheint, würden öffentlichkeitswirksam Reparaturen durchgeführt. „Es ist Betrug!“, rief sie sichtlich verärgert aus.

„Es war absehbar, dass es Konflikte im Haus gibt. Wir haben den Hauseigentümer aufgefordert, damit anders umzugehen als bisher“, fügt Tobias Scholz hinzu. Sagt er irgendwann.

Suche nach Konfliktlösungen: Was tun, wenn Feuer und Wasser sich beharken?

Angespannte Stimmungslage, scheinbar unversöhnliche Positionen. Weitere Eskalationen sind vorprogrammiert, wenn die Parteien nicht an einen Tisch gebracht werden können und miteinander reden. Denn etwaige Problemlösungen setzen bekanntlich einen friedlichen und mindestens einen einigermaßen unaufgeregten Dialog voraus.

In diesem Sinne äußerte sich auch Gamze Çalışkan vom Planerladen und bot ihre Hilfe zur Konfliktvermittlung an. Unter Wahrung des Neutralitätsgebots würde man bei Anforderung durch eine Konfliktpartei versuchen, die Eigentümer, deren ständige Vertreter vor Ort und die MieterInnen miteinander in Kontakt zu bringen. Und mediativ tätig werden.

Frau G.M., mit spanischen Wurzeln, ausgebildete sozialpädagogische Assistentin und seit zwei Jahren in dem Haus wohnhaft, bringt einen weiteren Problemaspekt auf den Punkt: Viele Mieter seien Flüchtlinge und wüssten nicht, wie in Deutschland der Müll entsorgt würde. Hier bedürfe es informativer „Einweisungen“ in die Gepflogenheiten in diesem Lande. Aber auch darüber, welche Rechte sie als MieterInnen hätten.

Und sie fügt mit Überzeugung und fester Stimme hinzu: „Diese Ungerechtigkeit find‘ ich nicht gut. Dafür hat mir Deutschland zu viel beigebracht. Die Würde des Menschen ist unantastbar. Hier ist sie antastbar.“

Mieterverein: „Ein Vermieter kann das soziale Zusammenleben nicht ausblenden“

Quartiersmanagement, Konfliktmanagement, Arbeitsgemeinschaften zu Problemhäusern und so weiter – die lokale Infrastruktur im Dortmunder Norden zur Bewältigung von Kontroversen unter Mietern und vor allem mit Vermietern ist vielfältig und gut etabliert.

„Es gibt viele Angebote, aber der Vermieter nimmt sie nicht wahr“, stellt Tobias Scholz fest. Und Gamze Çalışkan ergänzt: „Vermieter wenden sich eher selten an uns.“ Leider.

Ein Haus sei eben nicht nur ein Anlageobjekt, betont der Sprecher des Dortmunder Mietervereins. Man könne das soziale Zusammenleben dort nicht einfach ignorieren. Es „hat nicht nur eine Hardware, sondern auch eine Software. Die Beratungs- und Unterstützungsangebote müssen zum Zuge kommen“, fordert er.

Offenkundigen Handlungsversäumnisse des Vermieters – aber auch Missstände bei Mietern

Die Lage in der Feldherrnstraße ist angespannt, wenn nicht potentiell explosiv. Deskalationsstrategien sind vonnöten. Dafür braucht es ein Problembewusstsein bei allen Beteiligten.

Es müsse klar sein, betont Tobias Scholz, dass in der betreffenden Immobilie und um sie herum vieles im Argen liege. Dies gilt besonders für die offenkundigen Handlungsversäumnisse seitens der Vermieter, aber auch für die Mietparteien bezüglich der Müllentsorgung und der Einhaltung einer Hausordnung.

Zudem gäbe es offensichtlich ein Kommunikationsproblem. Und dies ist nicht nur den Sprachbarrieren geschuldet, die durch die multiethnische Zusammensetzung der Mietparteien zunächst unvermeidlich da sind. Das mangelnde Ohr für die Belange des jeweils Anderen hat etwas mit mangelnder Bereitschaft zu tun, so der Eindruck eines unvoreingenommenen Beobachters der Szenerie.

Forderung: Die baulichen Mängel an der Immobilie müssen zügig beseitigt werden

Abschließend fasst Tobias Scholz die zentralen Forderungen des Mietervereins zusammen: Die baulichen Mängel an der Immobilie müssen zügig beseitigt werden. Der Eigentümer muss, zweitens, die soziale Dimension des Problems berücksichtigen und über die vorhandenen Unterstützungs- und Hilfsangebote im Dortmunder Norden das Gespräch mit den MieterInnen suchen.

Schließlich sei es unabdingbar, an Ort und Stelle geeignete Ansprechpartner für die MieterInnern zu haben. Denn, so ließe sich ergänzen: Es wurde kurz zuvor noch und recht plastisch deutlich, wie schnell sich der angestaute Frust und die Ressentiments auf beiden Seiten in Gewalt entladen können. Schnelles und sozial kompetentes Handeln mit Augenmaß sind gefragt.

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Reaktionen

  1. Ein Nachbar

    An dieser Situation wird sich mutmaßlich nichts ändern. Im Gegenteil: hier droht vielleicht sogar ein zweiter Fall “Hannibal“. Warum auch sollten die Eigentümer ein Interesse an der Instandsetzung haben? Viele Mieten werden vermutlich vom Amt bezahlt. Hinzu kommt, dass die Bewohner über nur wenig Beschwerdemacht verfügen und einfach nicht die Möglichkeit haben, sich effektiv zur Wehr zu setzen.
    Die Stadt ist gefragt, bauordnungsrechtlich alle erdenklichen Hebel in Bewegung zu setzen, um den Eigentümer in die Pflicht zu nehmen.
    Die Mieter sind gut beraten, wenn möglichst viele dem Mieterverein beitreten und die Miete mindern.

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