Polizistinnen trainieren mit Frauen deren Selbstsicherheit

Gegen die Angst beim Spaziergang in Dortmund – wichtiger Rat: „Hören Sie auf Ihr Bauchgefühl!“

Schon eine Übung: die Vorstellungsrunde. Jede der 20 Teilnehmenden sollte aufstehen und frei über sich sprechen. Alle hatten aufmerksame Zuhörende.
Schon eine Übung: die Vorstellungsrunde. Jede der 20 Teilnehmenden sollte aufstehen und frei über sich sprechen. Alle hatten aufmerksame Zuhörende. Foto: Susanne Schulte für Nordstadtblogger.de

Von Susanne Schulte

Das Lob kam gleich nach Vorstellungsrunde: „Das war sehr gut – und auch schon die erste Übung. Wir haben schon manche Kolleg*innen erlebt, die nicht stehend vor einer großen Gruppe über sich reden können.“ Die, die das Lob aussprechen, sind die Polizeibeamtinnen Andrea Keimberg und Ute Dierks. Sie sprechen zu den Teilnehmerinnen des Frauen-Selbstsicherheitskurses, die sich in der AWO-Begegnungsstätte Lücklemberg versammelt haben. Bis auf die Referentinnen sind alle älter als 60 Jahre, einige mit dem Rollator mobil und die meisten haben bereits Situationen erlebt, in denen sie nicht wussten, wie sie sich richtig verhalten sollen. Das soll sich nach dem Kurs, der an drei Dienstagen jeweils anderthalb Stunden läuft, geändert haben.

„Kleine Menschen wirken nicht unbedingt verletztlicher“

„Der Täter beobachtet sein Opfer vorher“, sagt Andrea Keimberg. Und wer nach Gegenwehr aussehe, werde oft nicht angegriffen. Nach Gegenwehr sieht eine Frau aus, die mit geradem Rücken, erhobenem Kopf und aufmerksamem Blick unterwegs ist. Hände und Arme sollten nicht verschränkt sein, um sie schnell auseinander zu bekommen. „Und das ist das Wichtigste: Hören Sie auf Ihr Bauchgefühl!“, appellieren die Polizistinnen an die Frauen. 90 Prozent der Frauen, die eine Anzeige wegen eines Angriffs stellten, würden in den Gesprächen bei der Polizei immer wiederholen: „Hätte ich mal auf mein Gefühl gehört!“ ___STEADY_PAYWALL___

Andrea Keimberg (l.) und Ute Dierks machen das Training nicht nur lehrreich, sondern auch unterhaltsam.
Andrea Keimberg (l.) und Ute Dierks machen das Training nicht nur lehrreich, sondern auch unterhaltsam. Foto: Susanne Schulte für Nordstadtblogger.de

Die Lebenserfahrung sollte nicht beiseite geschoben werden. „Jüngere Menschen haben dieses Bauchgefühl nicht so wie Sie.“ Komme einer die Situation komisch vor, sei es wichtig, diese zu ändern: die Straßenseite zu wechseln, einen anderen Weg zu nehmen, den Park zu verlassen. Und dabei soll Frau einen selbstsicheren Eindruck machen.

„Kleine Menschen wirken nicht unbedingt verletzlicher“, sagen Keimberg und Dierks. Man könne sich groß machen, nicht verlegen lächeln, sondern entschlossen gucken. „Aufmerksamkeit ist das Aller-, Allerwichtigste.“ Und sollte jemand einer die Handtasche entreißen wollen: „Bitte loslassen.“

In kleinen Gruppen wird die große Haltung geübt. Das schafft schon mal Selbstvertrauen. Die Art der Referentinnen tut das Übrige dazu. Mit Humor und einem glaubhaft vermittelten Wir-Gefühl beantworten sie alle Fragen der knapp 20 Teilnehmerinnen, weisen aber gleich darauf hin, dass sie der Strafverfolgungspflicht unterliegen. „Wenn also eine von Ihnen erzählt, Ihr Sohn habe Fahrerflucht begangen, und Sie möchten nun wissen, was zu tun ist, müssen wir tätig werden. Also fragen Sie das lieber nicht.“ Die Frauen fragen anderes. Wo trägt man am besten das Geld? – Am Körper. – Reicht eine Kopie des Personalausweises, wenn man ihn auf der Straße vorzeigen müsste?  – Eigentlich nein, aber man kenne keine Kolleg*innen, die deswegen Schwierigkeiten machen würden.

Dreiteiliger Kurs mit vielen nützlichen Tipps für den Alltag

Auch sonst im Gespräch wichtig: Die Hände stets locker im oberen Körperbereich über dem Bauchnabel, im positiven Bereich, halten.
Auch sonst im Gespräch wichtig: Die Hände stets locker im oberen Körperbereich über dem Bauchnabel, im positiven Bereich, halten. Foto: Susanne Schulte für Nordstadtblogger.de

Als nach einer guten dreiviertel Stunde die Frage kommt, ob eine Pause gewünscht sei, schütteln alle den Kopf. Der Vortrag der Beamtinnen ist weder langweilig, noch ermüdend.

Anni Grutzpalk vom AWO-Ortsverein Lücklemberg hatte die Idee, einen Kurs dieser Art einmal vor Ort anzubieten. „Man liest ja immer vom Training in irgendwelchen Turnhallen. Also habe ich mal im Präsidium angerufen und bekam dann den Kontakt zu diesen beiden Damen.“

Andrea Keimberg und Ute Dierks begannen beide 1988 ihre Ausbildung bei der Polizei, gingen auf Streife, bildeten sich weiter, arbeiteten in diversen Kommissariaten und bei diversen Behören.

Andrea Keimberg macht es vor, wie man es nicht machen soll: Bei einer Auseinandersetzung nicht die Arme verschränken.
Andrea Keimberg macht es vor, wie man es nicht machen soll: Bei einer Auseinandersetzung nicht die Arme verschränken. Foto: Susanne Schulte für Nordstadtblogger.de

Seit einigen Jahren sind sie in Sachen Kriminalprävention und Opferschutz tätig, bringen vor allem ihren Kolleg*innen selbstsicheres Auftreten bei, geben aber auch Kurse für Frauen außerhalb der Polizei. Wie eben diesen in Lücklemberg.

An den kommenden beiden Dienstagen gibt es Tipps für das richtige Verhalten bei schlechtem Bauchgefühl, die Bedeutung von Stimme und Lautstärke wird erläutert wie auch das Verhalten im Fall eines Angriffs. Und wie man anderen zur Hilfe kommen kann, ist ebenfalls ein Thema, das noch zu besprechen ist.

Vereine und Gruppen, die diesen Kurs ihren Mitgliedern anbieten möchten, rufen im Dortmunder Polizeipräsidium diese Telefonnummer an: 0231/132-7057.


Anm.d.Red.: Haben Sie bis zum Ende gelesen? Nur zur Info: Die Nordstadtblogger arbeiten ehrenamtlich. Wir machen das gern, aber wir freuen uns auch über Unterstützung!

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