Die Situation auf dem Dortmunder Wohnungsmarkt und im Besonderen die Wohnraumversorgung von Geflüchteten stand im Mittelpunkt beim Forum „Bezahlbares Wohnen für alle“ des Planerladens in Dortmund.
Es darf kein Gegeneinander der Gruppen auf dem Wohnungsmarkt geben
Es darf nicht darum gehen, verschiedene Gruppen gegeneinander auszuspielen. Der Dortmunder Wohnungsmarkt muss angemessenen und bezahlbaren Platz für alle ohne Ansehen der Person oder einer (zugeschriebenen) Gruppenzugehörigkeit bieten: für Wohnungslose, länger hier lebende Migranten, kinderreiche Familien, Neuzugewanderte aus Südosteuropa und eben auch für Geflüchtete. Sie alle haben den Wunsch nach einer eigenen Wohnung, die groß genug für ihren Haushalt ist.
Dafür fehlt es aber in Dortmund an genügend Wohnraum. Die Leerstandquote ist von 3,5% auf gerade einmal zwei Prozent gesunken, berichtet Rainer Stücker vom Dortmunder Mieterverein – also weniger als für die sogenannte „Fluktuationsreserve“, sprich für Umzüge und anfallende Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen, nötig ist.
Pro Jahr müssten in Dortmund mindestens 3.000 Wohnungen über das gesamte Stadtgebiet verteilt neu gebaut werden, um den quantitativen Bedarf zu decken, wobei dann längst noch keine Entspannung in allen Nachfragesegmenten sichergestellt wäre.
Wohnungsmarkt für Geflüchtete und Neuzugewanderte besonders eng
Bei diesem engen Wohnungsmarkt stehen die Chancen von Geflüchteten und Neuzugewanderten besonders schlecht, eine eigene Wohnung zu finden. Zwar hält die Stadt Dortmund ein gewisses Kontingent an selbst angemieteten Wohnungen für Geflüchtete bereit, jedoch reicht dies bei weitem nicht aus.
Hier erhalten Familien Vorrang, was dazu führt, dass manche Gruppen außen vor bleiben. Bei Neuzugewanderten aus Südosteuropa sieht die Wohnraumversorgung seit fast zehn Jahren unverändert katastrophal aus. Da stellt sich die Frage: Wollen wir das und wie gehen wir damit um?
Besonders alleinstehende junge geflüchtete Männer haben es sehr schwer, berichten Menschen, die in der Arbeit mit Geflüchteten tätig sind, wie z.B. Fadela Dahbi vom Verein Train of Hope, die u.a. bei der Wohnungssuche hilft und da sehr großen Unterstützungsbedarf sieht. Neben Vorurteilen, denen Geflüchtete ausgesetzt sind und mit denen sie bei der Wohnungssuche zu kämpfen haben, stoßen sie auf weitere Hürden.
DOGEWO21 hat ein gefördertes Projekt u.a. für Geflüchtete realisiert
Wohnungsunternehmen, aber auch private Vermieter legen häufig die Devise zugrunde, nur an Menschen mit einem geregelten Aufenthaltsstatus von mindestens sechs Monaten bis zu zwei Jahren zu vermieten, um häufigere Mieterwechsel zu vermeiden und damit temporäre Leerstände und Kosten durch Ein- und Auszüge so gering wie möglich zu halten.
Die DOGEWO21 hat ein öffentlich gefördertes Projekt mit 48 Wohneinheiten u.a. für Geflüchtete realisiert, so Regine Stoerring aus dem Bereich Unternehmenskommunikation der städtischen Wohnungsgesellschaft. Damit ist nun auch das letzte freie Grundstück des Unternehmens bebaut. Bei einem Leerstand von unter einem Prozent in den eigenen Beständen und angesichts hoher Bau- und Grundstückskosten bleibe der DOGEWO21 nur die Verwaltung des Mangels.
Um die Zeiten niedriger Zinsen und damit der Möglichkeit des günstigen Bauens im Sinne eines fairen Wohnungsmarktes nutzen zu können, fehlt denjenigen, die sich für ein ausgewogenes Angebotsspektrum einsetzen, das nötige Kapital. Gleichzeitig, so die Beobachtungen des Mietervereins, finden in den von Finanzinvestoren erworbenen Beständen regelrechte Modernisierungswellen mit entsprechenden Mieterhöhungen statt.
Diese Wohnungen gehen damit dem preiswerten Segment verloren, so dass sich die Situation noch weiter verschärft. Herr Stücker wünscht sich darüber hinaus insgesamt mehr Offenheit gerade im Hinblick auf die Unterbringung von Geflüchteten bei den Genossenschaften in der Region.
„Refugees Welcome“: Innovative Lösungen für die Wohnraumknappheit?
Der Architekt Simon Takasaki von der Universität Hannover berichtet von Projekten mit Studierenden, die sich mit prototypischen Lösungen für die Unterbringung von Geflüchteten beschäftigten und Grundlage der bundesweit viel beachteten Buchveröffentlichung „Refugees Welcome“ waren.
Zu den Ideen gehört bspw. die gemeinsame Unterbringung von Studierenden und Geflüchteten in einer aufgestockten Etage auf dem Fakultätsgebäude oder dem niederländischen Expo-Pavillon in Kombination von Wohnungen und Ausstellungsflächen.
Neben „schmalem Wohnen“ durch Bau- und Durchfahrtslückenschließung, das gleichzeitig städtebaulich „verwundete“ Stellen in der Stadt heilt, und der Nachverdichtung von Hinterhöfen, die häufig wenig attraktiv gestaltet sind und Potenzial für eine kleine neue Nachbarschaft bieten, sorgte der Vorschlag von „My Schrebergarten“ für besonderes Interesse: Die Einrichtung von Kleinstwohnungen in Kleingartenanlagen mit den Vorteilen der Integration in eine bestehende Gemeinschaft, der Selbstversorgung und der Erholung im eigenen Garten.
Hierzu bedarf es jedoch einer zumindest temporären Aussetzung des Wohnverbotes in solchen Anlagen. Die Idee des mobilen Bauens umfasst die Nutzung von aufgegebenen Güterbahnhöfen.
Mit „Wir wohnen im Zug“ kann ein neues urbanes Wohnquartier entstehen, das mit flankierender Infrastruktur (Kindergarten, Seminarräume, Gastronomie) und attraktiven Außenräumen z.B. in Form von Urban Gardening ergänzt werden kann.
Alternative Wohnmöglichkeiten könnten an Bedeutung gewinnen
Eine alternative Wohnmöglichkeit bieten auch ungenutzte Binnenschiffe, da innerstädtische Wasserflächen i.d.R. zentral gelegen sind. Die Idee des Wohn(Park)hauses sieht die Umnutzung der oberen Geschosse von Parkhäusern zu Wohnzwecken vor, da diese zu 80 Prozent meist nicht als Parkflächen in Anspruch genommen werden.
Mit beweglichen Holzmodulen kann hier, eingebettet in die innerstädtische Infrastruktur, schnell Wohnraum geschaffen und gleichzeitig mehr Qualität in das Stadtbild gebracht werden.
Sind diese Ideen alle nur Luftschlösser? Takasaki, als einer der Co-Autoren der oben genannten Publikation, erinnert an die im Sommer und Herbst 2016 in wenigen Monaten rasant gestiegenen Zahlen an Geflüchteten und die Notwendigkeit, trotzdem nicht von Konzepten für eine menschenwürdige Architektur abzurücken.
Statt sich nur an Konventionellem zu orientieren mit der Folge der Verdrängung von Geflüchteten in die Peripherie der Städte, präsentieren die studentischen Ideen kleinteilige und flexible Prototypen für ein heterogenes und hybrides Wohnen in urbanen Lagen, bei denen die gängige Trennung zwischen den verschiedenen Funktionsbereichen von Wohnen und Arbeiten teilweise überwunden wird.
Heute sei bereits vieles Realität, was früher als nicht realisierbar abgetan wurde. Ein Charakteristikum des Wohnens von Geflüchteten ist, dass es sich um einen Prozess des Ankommens handelt. Warum sollten also nicht auch einige der o.g. Ideen erfolgreich aufgegriffen werden?
Auch die Schiffe für Geflüchtete im Dortmunder Hafen belegen das. Die Aneignung von leeren Güterwaggons als Schlafstätte für Wohnungslose sei längst schon Usus, merkt Bastian Pütter von bodo e.V. an.
Dezentrale Unterbringung in Wohnungen in Dortmund erleichtert die Integration
Am Rande der Stadt, weit entfernt von Beratungs- und Versorgungsangeboten, gestaltet sich die Integration deutlich schwieriger, betont Jochen Köhnke, Dezernent der Stadt Münster für Migration und Kulturelle Angelegenheiten.
Die Unterbringung von Geflüchteten – zunächst in Erstaufnahmeeinrichtungen und später in eigenen Wohnungen – sollte dezentral aber in integrierter Lage erfolgen. In Münster wird dieses Modell seit Jahren sehr erfolgreich praktiziert: Die Geflüchtetenunterkünfte sind im gesamten Stadtgebiet verteilt. Ausgenommen sind jene Stadtteile, die eh schon große Integrationsleistungen erfüllen, um diese nicht zusätzlich zu überfordern.
Um auch in innenstädtischen Lagen preiswerten Wohnraum anbieten zu können, schlägt Jochen Köhnke Ausnahmeregelungen für eine „soziale Grundstücksvergabe“, sprich Bereitstellung von bebaubaren Grundstücken zu einem Preis, der bezahlbare Mieten zulässt, vor.
Darüber hinaus räumt Köhnke mit der Mär auf, dass Zugezogene immer nur unter ihresgleichen wohnen möchten. Den verfügbaren Arbeits- oder Ausbildungsmöglichkeiten komme viel mehr Gewicht zu. Das hätten bereits die Erfahrungen mit der Umsetzung des Wohnortzuweisungsgesetzes und der damit verbundenen Residenzpflicht für Spätaussiedler gezeigt.
Fazit: Es fehlt an Wohnraum für alle Zielgruppen mit Zugangsproblemen
Ohnehin leben in den Aufnahmeeinrichtungen mitunter Menschen auf engstem Raum zusammen, deren Heimatländer miteinander im Krieg stehen. Deshalb appelliert Köhnke dafür, den Geflüchteten mehr zuzutrauen. Dies gelte nicht nur für die Phase der Erstunterbringung.
Resümierend bleibt festzuhalten: Die Wohnraumknappheit war lange abzusehen, Reaktionen in Form von (kommunalem) Wohnungsneubau blieben bislang aus – vielleicht in der Erwartung, dass die Zahl der Geflüchteten oder auch der Neuzuwanderer aus Südosteuropa wieder zurückgeht.
Und so bleibt das Dilemma bestehen: Es fehlt an Wohnraum für alle Zielgruppen mit Zugangsproblemen, aber eben auch und im Besonderen für Geflüchtete! Generell ist eine politische Steuerung und Prioritätensetzung im Sinne einer sozialgerechten Bodennutzung gefragt.
Im Übrigen hat sich eine Strategie der Förderung von Wohnraum im mittleren und oberen Segment in der Hoffnung auf sog. „Sickereffekte“ für benachteiligte Haushalte schon in der Vergangenheit als erfolglos erwiesen.
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dkp
Die Wohnungsfrage – aktuell! Diskussionsveranstaltung mit Siw Mammitzsch,
Spitzenkandidatin der DKP für die Landtagswahl 2017 in NRW
Derzeit geht es rund auf den Wohnungsmärkten. In Zeiten der Krise und Leitzinsen bei rund 0 % scheinen Wohnimmobilien eine sichere und überdurchschnittlich lukrative Anlage. Was die Investo-ren freut, hat eine bittere Kehrseite:
Explodierende Mieten führen dazu, dass die Menschen immer weniger Geld zu Leben haben. Vor allem in den Metropolen sind die Mieten für viel kaum noch bezahlbar, viele müssen aus ihren langjährigen Wohnungen ausziehen und nach neuen günstigeren Wohnungen suchen. Die sind aber kaum zu finden, im Gegenteil werden sie immer weniger, u.a. weil mehr Sozialwohnungen aus der Preisbindung fallen als neue gebaut werden. (Energetische) Modernisierungen und in der Folge teils enorme Mietsteige-rungen, zweifelhafte Betriebskostenabrechnungen, mangelhafte Wohnungen, Zwangsräumungen sind Themen, die Mieter und Mietervereine beschäftigen.
Als Referentin wird Siw Mammitzsch (39), Geschäftsführerin der Mietergemeinschaft Essen und Spit-zenkandidatin der DKP für die Landtagswahl in NRW, einen Überblick über die drängendsten Themen auf dem (Miet-)Wohnungsmarkt geben und auch den juristischen Hintergrund erläutern.
Wann und wo?
Am 20. Dezember 2016 um 19h – im „Z“ (Zentrum für Kultur und Politik),
Oesterholzstrasse 27 (Nähe Borsigplatz)