Erinnerndes Gedenken an Unrecht, Verfolgung, Terror und Krieg, anlässlich der Morde an ZwangsarbeiterInnen und WiderstandskämpferInnen durch die Gestapo kurz vor Kriegsende in Dortmund: Die daraus resultierende Verantwortung für eine Gegenwart, die friedlich und tolerant ist, bedeutet immer auch, wachsam zu sein, damit es nie wieder geschehe. Symbolisiert in einem würdigen Rahmen am Karfreitag in der Bittermark.
Die Gestapo ermordet kurz vor Kriegsende in Dortmund mehrere hundert Gefangene
Wie jedes Jahr am Karfreitag in der Bittermark seit 64 Jahren, seit Karfreitag 1954: Antifaschisten gedenken der Ermordung von ca. 280 Menschen durch die Nazis kurz vor Kriegsende in Dortmund. Um nicht zu vergessen, damit es eine Zukunft gibt, in der alle Menschen in Würde leben können.
Damals, als die Alliierten vor den Toren der Stadt standen, wurden ab Anfang März 1945 kontinuierlich bis zum 12 April ZwangsarbeiterInnen und WiderstandskämpferInnen an mehreren Orten in Dortmund von der Gestapo ermordet: im Rombergpark, auf dem Eisenbahngelände zwischen Hörde und Berghofen und eben auf jener Lichtung in der Bittermark, wo heute das bekannte Mahnmal steht, das am 15. April 1960 offiziell eingeweiht wurde.
Die Menschen wurden überwiegend aus ihren Zellen zur Exekution geführt, gefesselt mit Stacheldraht: von der Steinwache im Dortmunder Norden aus und der Gestapo-Wache in Hörde. Auf dieser Lichtung in der Bittermark, wo heute das Mahnmal steht, um das sich alljährlich Dortmund versammelt, gab es einen Bombentrichter, an dessen Rand die Nazi-Schergen ihre Oper durch Genickschuss ermordeten.
Der Karfreitag als alljährlicher Gedenktag ist der Tag, an dem am 30. März 1945 im Rombergpark ca. 43 Menschen erschossen wurden.
BRD: Nur wenige Täter bestraft, die meisten kommen davon, einige werden befördert
Die Täter kamen weitgehend davon. Von den 147 Gestapo-Beamten der Hörder Wache wurden gerade mal 28 angeklagt. Bei 15 Freisprüchen wurden die anderen Beteiligten zu Haftstrafen zwischen zwei und acht Jahren verurteilt. Alle anderen Täter blieben unbehelligt, viele blieben der Bundesrepublik als Beamte erhalten, andere wurden wegen ihrer Verdienste ausgezeichnet und machten Karriere – im staatlichen Fortbestand des sog. Deutschen Reiches als Rechtssubjekt.
Darauf verweist Ernst Söder, vom Förderverein Steinwache – Internationales Rombergpark-Komitee e. V., in seiner Ansprache vor den ca. 1.000 BesucherInnen. Den Tätern sei erst sieben Jahre später der Prozess gemacht worden; nur wenige SS und Gestapo-Leute hätten Rechenschaft ablegen müssen. Manche hätten erneut Postionen in der Staats- und Justizverwaltung erhalten; und bei der Polizei seien sie gar aufgrund ihrer Verdienste in höhere Dienstgrade befördert worden.
Es habe schwerwiegende Versäumnisse bei der strafrechtlichen Verfolgung von NS-Verbrechen in der Bundesrepublik gegeben, bewusst, so Ernst Söder, und fasst nach der Aufzählung einiger – für die frühe Bundesrepublik der 50er und 60er Jahre – beschämender Details schnörkellos zusammen: „Eine Entnazifizierung hatte nicht stattgefunden.“
Den Opfern gedenken: Klare Kante gegen Neo-Nazis – in Dortmund und überall
Schließlich erinnert er an den Schwur von Buchenwald, ausgesprochen auf dem Appellplatz des Konzentrationslagers nach der Befreiung, am 19. April 1945, dessen Kernaussage besage: den Kampf erst einzustellen, bis auch der letzte Schuldige vor den Richtern der Völker stünde, und dem Ziel zu folgen, eine neue Welt des Friedens und der Freiheit aufzubauen. – Zur Erinnerung: Ab dem 4. März beginnen in Dortmund die Tage des Gedenkens an die Opfer des NSU-Terrors.
Den Nazismus bekämpfen, auch an seinen Wurzeln – dieser Satz kommt sinngemäß an der rezitierten Stelle ebenfalls im Schwur vor. Und auch die beiden anderen Hauptrednerinnen betonen ausdrücklich, dass Gedenken und Erinnern an die Gräuel der Vergangenheit neben der Trauer immer auch den Blick in das Jetzt und in die Zukunft beinhaltet.
Der Bezug ist leicht: Wer um die Opfer der Nazis trauert, würdigt die Opfer durch entschiedenen Widerstand gegen Neo-Nazis in der Gegenwart: gegen ewiggestriges, menschenverachtendes, ausgrenzendes Denken und Handeln.
Das Mahnmal erinnert an Verpflichtung und zeugt zugleich von Hoffnung
Neues Unrecht, wo auch immer, nicht hinnehmen – dies erfülle eine solche Gedenkveranstaltung mit Sinn, schlägt Söder die Brücke zur Gegenwart. Die Verpflichtung gegenüber den Opfern wendet Nicole Godard, stellvertretende Vorsitzende des Verbandes der Zwangs- und Arbeitsdeportierten, ins Positive: die deutsch-französische Freundschaft ausbauen, eine friedliche Welt bauen.
Der Faschismus sei keine spezifisch deutsche Gefahr, so die Überlebende der Nazi-Terrors, sondern eine, die von allen Völkern ausginge. Die „Bestie“ dürfe nie wieder auferstehen – daran erinnere das Mahnmal.
Bürgermeisterin Birgit Jörder ergänzt moderat, dass besonders heute, in Zeiten des Zulaufs für Rechtspopulismus und Nationalismus in Europa, wir uns unserer Verantwortung stellen und für ein freies, solidarisches und demokratisches Europa eintreten müssten.
Erde vom Mahnmal des Pariser Friedhofs Père Lachaise in der Bittermark
Moderiert wurde die Gedenkveranstaltung von den BotschafterInnen der Erinnerung und mitgestaltet von einer Gruppe elf junger Franzosen, die in der Karwoche gemeinsam mit den BotschafterInnen ein Programm erarbeitet hatten. TeilnehmerInnen des Heinrich-Czerkus-Gedächtnislaufs legten nach ihrer Ankunft in der Bittermark einen Kranz nieder.
Für den musikalischen Rahmen der Gedenkstunde sorgten die Posaunenchöre aus Dortmund unter Leitung von Helge Schneider sowie der Kinderchor der Chorakademie am Konzerthaus Dortmund e.V., geleitet von Bianca Kloda.
Eine ganz besondere Rolle kam während der knapp anderthalbstündigen Zeremonie der Krypta zu, die sich eingefasst am hinteren Ende des Mahnmals befindet. Feierlich eingeweiht zu einem Zeitpunkt, als die Stätte noch nicht fertiggestellt war, am Karfreitag 1958, wurde in ihr eine Urne mit französischer Erde vom ehrwürdigen Pariser Friedhof Père Lachaise hinterlegt und bis zum nächsten Jahr verschlossen.
Tausch von Erde als Symbol gegenseitiger Bezeugung von Verbundenheit
Auf dem Friedhof in Paris, gelegen im 20. Arrondissement, befindet sich ein Mahnmal zum Gedenken an die Opfer der Zwangsarbeit. Dort wurde – nach einigen Umwegen – 1970 eine Urne aufgestellt, die bereits im Jahre 1959 in Dortmund dem Boden, auf dem es geschah, entnommen wurde: Sie enthält Erde der Bittermark und ein Stück Stacheldraht.
Die nun in der Krypta hinterlegte Pariser Erde von Père Lachaise wurde Anfang März während einer feierlichen Zeremonie am dortigen Mahnmal in die Urne gegeben. Es nahmen teil: Bürgermeisterin Jörder, Nicole Godard, die stellvertretende Pariser Bürgermeisterin Catherine Vieu-Charier sowie Wolfgang Asshoff als offizieller Beauftragter des Dortmunder Stadtrates für die Bittermark.
Während der Mahnfeier tragen zwei junge Europäer aus Frankreich und Deutschland gemeinsam die Erde in die Krypta. Erde symbolisiert Verbundenheit. Sie zu tauschen: Freundschaft und Solidarität.
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Andreas Kossack
Antifaschistischer Kampf bedeutet heute auch, die Solidarität mit dem kurdischen Befreiungskampf gegen die Aggression des faschistischen Erdogan-Regimes in Afrin / Rojava zu organisieren. Das faschistische Erdogan- Regime führt nicht nur einen Krieg gegen die Kurden in Afrin / Rojava, sondern führt auch Krieg gegen das eigene Volk. Der Widerstand in den kurdischen Regionen der Türkei wurde und wird blutig unterdrückt. Jegliche fortschrittliche Opposition wird durch Verhaftungen, Folter und Mord bedroht. Die deutsche Merkel-Scholz- Regierung unterstützt dieses faschistische Regime mit Waffenlieferungen und Milliardenhilfen. In Deutschland selbst werden fortschrittliche türkische und kurdische Menschen von der Bundesregierung mit Demonstrationsverboten usw. traktiert. Es ist ein Skandal sondersgleichen. Erinnern an die Opfer faschistischer Naziherrschaft muss uns wachrütteln für den heutigen antifaschistischen Kampf und die internationale Solidarität – gegen Faschismus und deren Unterstützer!
Wolfgang Gurowietz (BVB-Fanclub Heinrich Czerkus)
14. Heinrich Czerkus Gedächtnislauf – Fanclub zieht Bilanz
Der Wettergott hatte es gut mit den Veranstaltern gemeint, als er gestern zum Czerkus-Lauf das schönste Frühlingswetter aus dem Hut zauberte.
In diesem Jahr wurde der Lauf bereits im 14.Jahr veranstaltet. Wie in all den Jahren zuvor war der Lauf als starkes Signal für ein friedliches und gewaltfreies Miteinander innerhalb und außerhalb des Stadions gemeint. Unterstützt von vielen Mitgliedern, Freundinnen und Freunden, hatte sich der Einsatz der Mitveranstalter der Naturfreunde Kreuzviertel, des Fanprojektes und der Fanabteilung des BVB gelohnt. Neue T-Shirts mit der Aufschrift „Nazis raus aus unseren Stadien“ fanden großes Interesse. Als Spendenpartner war diesmal die ökumenische Wohnungslosenintitiative Das Gast-Haus mit einem Informationsstand vertreten.
Begünstigt durch das schöne Wetter kamen über 1.200 Teilnehmerinnen und Teil-nehmer zum Lauf. Gut versorgt mit Waffeln, Kaffee und Kaltgetränken machte sich um 13 Uhr die größte Gruppe an den Start. Die Wanderer- und Fußgängergruppe wurde diesmal durch die beiden BVB-Legenden Dede und, zum 10. Mal bereits, durch Sigi Held auf den 7km langen Weg durch die Bolmke, den Rombergpark in die Bittermark geschickt. Dort ist Heinrich Czerkus mit etwa 300 Zwangsarbeitern aus Frankreich, Belgien, Polen, den Niederlanden, Jugoslawien und der Sowjetunion und deutschen Widerstandkämpfern in den letzten Kriegstagen ermordet und begraben worden. Um 13.30 folgte die Gruppe der etwas schnelleren Walker und um 14 Uhr eine, diesmal außergewöhnlich große Gruppe an Joggern und Radlern
Am Mahnmal für die Ermordeten in der Bittermark legten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Laufes den vom BVB bereitgestellten Kranz und 50 gelbe Nelken nieder. Anschließend begann die Gedenkveranstaltung der Stadt Dortmund
Im Namen der Veranstalter bedanken wir uns bei allen Helferinnen und Helfern die eine solche Veranstaltung erst ermöglichen.