
Mehr als 600.000 Einwohner:innen machen Dortmund zur bevölkerungsreichsten Stadt im Ruhrgebiet. Alle diese Menschen brauchen ein Zuhause, also adäquaten Wohnraum. Aber diesbezüglich besteht das Problem, dass Wohnraum, besonders zu auskömmlichen Preisen, nicht ausreichend vorhanden ist. Ein Dilemma, dessen sich verschiedene Initiativen bürgerschaftlich angenommen haben, um Politik und Privatwirtschaft in die Pflicht zu nehmen. Am Samstag (26. April 2025) stellten sie ihr Engagement gemeinsam der Öffentlichkeit vor.
Auch in Dortmund wird der Wohnraum immer knapper

Der Informationsstand vor der Josephkirche wurde gut besucht. Vertreter:innen verschiedener Vereine und Organisationen gaben Einblick in die missliche Lage: Zu wenig Wohnraum, immer weiter steigende, bereits jetzt zu hohe Mieten oder Kaufpreise werden für immer mehr Menschen zu einem nicht oder nur schwer lösbaren Problem.
Wenn man bedenkt, dass der Preis für Wohneigentum in Dortmund in den vergangenen vier Jahren um 16,5 Prozent gestiegen ist und die Zahl der Sozialwohnungen von 38.000 auf 21.100 sank, wird schnell klar, welchen fatalen Einfluss solche Entwicklung auf die Höhe der Mieten hat.
Dabei wird erwartet, dass die Anzahl der Sozialwohnungen bis 2032 noch weiter auf dann etwa nur noch 13.000 sinken wird, sofern keine zusätzlichen Förderungen bewilligt werden. Die Politik steht diesbezüglich unter einem enormen Druck.
Immobilien sind das „Betongold“ der Spekulierenden
Das Recht auf Wohnen ist aber ein Menschenrecht. Der „Internationale Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte“ (kurz: UN-Sozialpakt) regelt das. Seit 1966 wurde diese Vereinbarung von 171 Staaten – darunter auch die Bundesrepublik Deutschland – ratifiziert. Man müsste nur umsetzen, was schon vor Jahren sinnvoller Weise anerkannt und beschlossen wurde. Aber wie? Immobilien sind das „Betongold“ der Spekulierenden. Den Maßgaben des Kapitalismus folgend sind die Renditen dann am höchsten, wenn das Handelsgut knapp wird. Beim Wohnraum ist das zweifellos der Fall!

„Obwohl Mieter:innen in Deutschland im Vergleich zu anderen europäischen Ländern gut geschützt sind, sorgen steigende Kosten, fehlender Schutz und Diskriminierung auch bei uns für Verunsicherung, schlechte Wohnverhältnisse und vermeidbare Wohnungsverluste“, heißt es im Dortmunder Informationsblatt zum ‚Housing Action Day 2025‘.
Ein breites Bündnis verschiedener Organisationen hat sich formiert, um zu informieren und Betroffene zu unterstützen. Die „Planerladen gGmbH“, der „Mieterverein Dortmund und Umgebung e.V.“ beispielsweise sind ebenso dabei wie der „bodo e.V.“, denn infolge der allgemeinen Wohnungsnot geraten Menschen auch in Dortmund immer wieder sogar in die Obdachlosigkeit.
In der Nordstadt leben viele Menschen in „ungesunden Wohnräumen mit vernachlässigter Instandhaltung“
Die Situation in der Nordstadt wird von der allgemeinen Problematik deutlich bestimmt. Besonders einkommensschwache Haushalte sind davon betroffen. „Viele Bewohner:innen leben in prekären Wohnverhältnissen und leiden unter zu hohen Miet- und Betriebskosten“, lassen die Organisator:innen des ‚Housing Action Day‘ wissen. „Sie sind oft gezwungen, es in ungesunden Wohnräumen mit vernachlässigter Instandhaltung auszuhalten, da die Wohnungssuche nach einer preiswerten Wohnung im guten baulichen Zustand fast aussichtslos ist.“

Die Ursachen für diesen Missstand sind dort zu finden, wo Wohnraum als Ware betrachtet wird. Die Politik ist gefordert, dem mit wirksamen Maßnahmen entgegen zu treten. In Dortmund ist man sich dessen bewusst und die Bemühungen der Stadt wurden auch beim ‚Housing Action Day‘ ausdrücklich gelobt.
Der amtierende Oberbürgermeister Thomas Westphal meinte 2020 ja: „Die Großstadt der Nachbarn bietet für alle gute und bezahlbare Wohnungen“, und forderte 20.000 neue Wohnungen in den nächsten zehn Jahren. Aber war und ist das, angesichts knapper Kassen, auch wirklich machbar? Was wurde in den vergangenen Jahren erreicht?
Im vergangenen Jahr sind 93 Millionen Euro Fördermittel für bezahlbare Wohnungen nach Dortmund geflossen. Über deren Verwendung informiert die Stadt: „Der klare Schwerpunkt der Wohnraumförderung lag 2024 auf dem Neubau dringend benötigter Mietwohnungen. 76 Millionen Euro von den 93 Millionen wurden dafür bewilligt. Damit entstehen vor allem 262 Mietwohnungen.
Dazu gehören auch 50 Miet-Einfamilienhäuser für kinderreiche Haushalte, sieben für Rollstuhlfahrende zweckgebundene Mietwohnungen sowie ein Projekt mit 18 Wohnräumen für Menschen mit Behinderung.“ Das ist zwar ein Teilerfolg, aber hinsichtlich vom Verlust von rund 17.000 Sozialwohnungen in den vergangenen Jahren, und gemessen am Ziel der 20.000 neuen Wohnungen in zehn Jahren, leider nur ein schwacher Trost.
Spannungsfeld: Spekulative versus bürgerschaftliche Interessen
Was den Organisator:innen vom ‚Housing Action Day‘ in Dortmund besonders dringende Anliegen sind, wurde den Teilnehmer:innen an einem „Wohnungspolitischen Spaziergang“ anschaulich vor Augen geführt. Der Weg führte vom Informationsstand vor der Josephkirche durch das Münster- und Brunnenstraßenviertel bis zum Nordmarkt.

Anhand konkreter Beispiele wurden Lücken und Handlungsfelder aufgezeigt, mit denen sich die Wohnungspolitik in Dortmund unbedingt befassen müsste. Als klassisches Beispiel für die Vernichtung von Wohnraum durch fragwürdige Spekulationsgeschäfte wurde an das einstige „Horrorhaus“, einem Hochhaus in der Kielstraße, erinnert.
Am einstigen Standort, der heute ein Parkplatz ist, beschrieb Markus Roeser, wohnungspolitischer Sprecher des Mietervereins Dortmund, das Dilemma, dass verlorene Wohnungen kaum noch ersetzt werden können.

Dabei nehmen die Entwicklungen nur allzu oft den immer gleichen Verlauf. Mieter:innen sind den fragwürdigen Interessen mancher Vermieter ausgesetzt, beispielsweise der Unterschlagung von geleisteten Nebenkostenzahlungen.
„Eine unsere politischen Forderungen“, so Markus Roeser, „ist, dass endlich Versorgungssperren gestoppt werden. Was wir hier haben ist, dass Mieter:innen ihre Vorauszahlungen leisten, aber die Vermieter das eingenommene Geld nicht an die Versorger weiterleiten. Dann sperrt die DEW Wasser, Strom und Gas, und wir haben ein eigentlich unbewohnbares Haus. Diesem Problem begegnen wir in der Nordstadt immer wieder.“
Umgang mit Problemimmobilien: Das „Viertelwerk“ beweist, dass es auch anders geht
Auch, dass in Mietverträgen übertriebene Angaben zu Wohnungsgrößen gemacht werden, eigentlich unbewohnbare Wohnungen vermietet werden, kommt immer wieder vor. Häufig trauen Mieter:innen sich nicht, sich gegen erlittenes Unrecht zur Wehr zu setzen. Zu groß ist die Angst, die Wohnung zu verlieren und keine neue zu finden. Hier setzen die vielfältigen Beratungsangebote an, die beim ‚Housing Action Day‘ vorgestellt wurden.

Ausdrücklich betonte Markus Roeser, dass jeder Widerstand von Mieter:innen gegen offensichtliche Missstände zur allgemeinen Verbesserung der Lage beiträgt. Ein Netz gemeinnütziger Initiativen ist gespannt, um geprellte Mieter:innen zu beraten und zu unterstützen.
Dass der Umgang mit Immobilien von Seiten der Vermieter auch anders geht, dass die Interessen der Mieter:innen wahr- und ernstgenommen werden, wurde deutlich, als der Stadtrundgang auf dem Nordmarkt beendet wurde. Dort befinden sich ein paar vorbildlich sanierte Immobilien vom „Viertelwerk“ der „Grünbau gGmbH“, einer Gesellschaft, die aus dem „Planerladen e.V.“ hervorgegangen ist und 1990 als eigenständiges Unternehmen gegründet wurde.
Gemeinsam, das wurde am ‚Housing Action Day‘ deutlich, leisten engagierte, bürgerschaftliche Initiativen einen wichtigen Beitrag zum Leben in der Nordstadt. Das wirkt sich bezüglich der Wohnsituationen aus – und es ist im besten Sinne dazu angetan, die Lokalpolitik auch weiterhin zu inspirieren. Das war auch eines der Themen einer Podiumsdiskussion, die es zum Abschluss des „Housing Action Days“ im SÖZ gab.
Anm.d.Red.: Haben Sie bis zum Ende gelesen? Nur zur Info: Die Nordstadtblogger arbeiten ehrenamtlich. Wir machen das gern, aber wir freuen uns auch über Unterstützung!
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