Von Rolf Pfeiffer
Dortmund. „Weisse Wölfe“ – absichtsvoll geschrieben mit zwei kantigen „s“ in Nazi-Runenschrift – heißt das Comic-Buch, das Anfang des Jahres herauskam.
„Weisse Wölfe“ heißt auch die Ausstellung mit vergrößerten Seiten aus diesem Buch, die bis zum 26. Juni im Foyer des Dortmunder Schauspielhauses noch zu sehen ist. „Eine grafische Reportage über rechten Terror“ haben David Schraven und Jan Feindt Buch wie Ausstellung im Untertitel genannt.
TV-Moderator kritisiert die Stadt für ihren Umgang mit den Nazis
Als Festredner der gut besuchten Vernissage im Obergeschoss hatte das Theater den Dortmunder Journalisten und TV-Produzenten Friedrich Küppersbusch verpflichtet, der seinem Ärger darüber Luft machte, dass seine Heimatstadt zu einem Zentrum der Rechtsextremen geworden sei.
Dass dem so sei, stellte er nicht in Frage und kritisierte deshalb Dortmunds Oberbürgermeister Sierau, der für diese Entwicklung lediglich – das kommt übrigens auch in der Geschichte vor – Dortmunds verkehrsgünstige Lage verantwortlich macht.
Die andere traurige Nachricht für die Stadt ließ er ebenfalls nicht unerwähnt, nämlich die vom baldigen Weggang des BVB-Trainers. Manchmal komme es ihm so vor, als hätte jemand mit unsichtbarer Tinte ins Stadtwappen geschrieben „Mit uns kann man’s ja machen“.
Und damit dürfe man sich nicht abfinden. Bei weitem nicht alle Anwesenden hatten von Küppersbusch eine solche, im besten Sinne lokalpatriotische Rede erwartet.
Der Comic erzählt von neonazistischen Aktivitäten, Morden und anderen Gewalttaten in Dortmund
Wer durch die Ausstellung streift, sieht schnell, dass „Weisse Wölfe“ nicht wirklich ein „Comic“ ist. Typische Elemente wie Dialoge oder Sprechblasen fehlen. Eher haben die im knochigen Schwarz und Weiß ganz ohne Grautöne auf das Papier geworfenen Bilder Jan Feindts begleitenden, akzentuierenden Charakter.
Sie liefern die emotionalen Valeurs zur Sprache des Journalisten David Schraven, die zwar nicht den staubtrockenen Sound des Faktensammlers hat, aber doch um Sachlichkeit bemüht ist.
In drei Erzählsträngen gehen Buch wie Ausstellung das Thema an. Erzählt wird von neonazistischen Aktivitäten vorzugsweise in Dortmund, von Morden und anderen Gewalttaten und von Bezügen zu den Verbrechen der Gruppierung „NSU“, zu deren zehn Mordopfern 2006 der Dortmunder Kioskbesitzer Mehmet Kubasik gehörte.
Zum Zweiten geht es um die Biographie von Albert S., der in den Sog der Neonazi-Szene geriet und interviewt wird, zum Dritten um so etwas wie eine internationale Handlungsanweisung für Nazi-Täter: die „Turner-Tagebücher“, ein in Deutschland indizierter Roman, der die Herbeiführung eines Rassenkrieges durch gewaltbereite Gruppen zum Thema hat und den „NSU“-Terroristen als so etwas wie eine Vorlage gedient haben dürfte.
Das Buch ist ein Beispiel für den etwas hilflosen und ritualisierten Umgang mit dem Thema
Bildseiten wechseln sich ab mit Texttafeln, auf denen David Schraven in schnörkelloser Thesenhaftigkeit die Fakten nennt. Doch erfährt man wenig Neues, viele Straftaten und nazistische Aktivitäten liegen weit zurück. Das schlimmste Verbrechen, ein Mord an drei Polizisten, den ein Neonazi beging, geschah vor 15 Jahren.
Auch befremdet die Leichtfertigkeit, mit der Dortmunder Stadtteile wie Dorstfeld als „Hochburgen der rechten Szene“ denunziert werden. Als Beweise sieht man in kleinteiligen Zeichnungen Nazi-Aufkleber aus dem Stadtbild, die einem sonst wahrscheinlich kaum auffielen.
Von einem Autor, der bis Mitte letzten Jahres Chef der Rechercheabteilung der WAZ (heute: Funke Mediengruppe) war, hätte man mehr aktuelles Material erwartet.
Allerdings übersieht, wer in der kulturschwangeren Atmosphäre des Theaters die „Weisse Wölfe“-Ausstellung zu sehen bekommt, schnell, dass das zugrundeliegende Bilderbuch wohl für eine jugendliche Zielgruppe geschrieben ist, die lange Texte nicht liebt und die trotzdem mit wichtigen Botschaften über Zusammenhänge und Mechanik des rechten Terrors versorgt werden soll. Das ist natürlich nicht zu geißeln, andererseits jedoch ein Beispiel für den etwas hilflosen und ritualisierten Umgang mit dem Thema.
David Schraven hat übrigens schon mehrfach die Form des Bilder- bzw. Comic-Buchs gewählt, um politisch brisante Themen zu transportieren. So beschäftigt sich „Kriegszeiten“ (erschienen beim Marktführer Carlsen), mit dem deutschen Einsatz im Afghanistan-Krieg.
„Weisse Wölfe“ ist nun das erste Bilderbuch im Eigenverlag des gemeinnützigen Recherchebüros „Correct!v“, dem Schraven mittlerweile vorsteht und das sich einen „aufklärenden Journalismus“ auf die Fahnen geschrieben hat. Das Bilderbuch gibt es auch im Internet: www.weisse-woelfe-comic.de.
Die Ausstellung kann bis 26. Juni zu den Zeiten von Vorstellungen im Schauspiel Dortmund besichtigt werden. Das Haus öffnet jeweils eine Stunde vor der ersten Vorstellung. Theatertermine: www.theaterdo.de