Der Dortmunder Arbeitskreis gegen Rechtsextremismus will in diesem Jahr verstärkt auf die „wehrhafte Demokratie“ setzen und den Faschisten aktiver entgegentreten: „Die Neonazis zeigen immer mehr ihr wahres Gesicht“, zieht DGB-Chefin Jutta Reiter Bilanz der letzten Monate. „Die erlebnis- und aktionsorientierte Flanke trägt den versuchten legalistischen Weg offensichtlich nicht mit.“
Doppelstrategie der Partei „Die Rechte“ in Dortmund bekämpfen
Für sie ist die Doppelstrategie der Neonazis mehr als offensichtlich: Während die führenden Mitglieder und Vertreter der Partei „Die Rechte“ mehr oder weniger an dem legalistischen Kurs in der Kommunalpolitik festhielten, „lässt das Fußvolk und die Anhängerschaft auf der Straße die Sau raus.“
Dies gehe soweit, dass das „Tatort-Gucken“ in der Nordstadt, zu dem die Christen gegen Rechtsextremismus aufgerufen hatten, nur noch unter Polizeischutz stattfinden konnte.
Das Scheitern des legalistischen Kurses sah Reiter auch bei den Bürgerversammlungen zu den Flüchtlingsunterkünften: Die Neonazis hätten mit diesem Kurs nur schwer oder gar nicht landen können.
„Die Menschen wollten Sachfragen diskutieren, keine ideologischen Verbrämtheiten“, verdeutlicht Reiter.
Ihre Versuche, mit Falschinformationen Stimmung zu machen, seien regelmäßig entlarvt worden. Daher hätten sie bei der Bürgerrunde in Eving einen anderen Kurs eingeschlagen: „Sie wollten dort nicht nur Verunsicherung schüren, sondern die Leute in SA-Manier einschüchtern.“
Schutz von Flüchtlingen als zentrale Aufgabe der Stadtgesellschaft
„Der Schutz von Flüchtlingen ist daher in diesem Jahr unsere wichtigste Aufgabe. Und das muss eine gemeinsame Aufgabe sein“, macht Pfarrer Friedrich Stiller, Co-Sprecher des Arbeitskreises, deutlich.
Doch die Dortmunder Bevölkerung widerstehe den Rattenfängern – obwohl es mancherorts auch knirsche und einige (unberechtigte) Sorgen gebe.
„Bei der Aufnahme von Flüchtlingen ist eine wunderbare Bereitschaft zu sehen, sich zu engagieren und die Menschen aufzunehmen“, betont Stiller.
„Wir erleben überwiegend eine Willkommenskultur und eine große Hilfsbereitschaft. Da bin ich wahnsinnig stolz auf diese Stadt!“ Die Neonazis seien dabei zum Glück nur eine leise Begleitmusik.
Neue Wege bei Protestaktionen und Verboten in Dortmund beschreiten
Sehr positiv sei, dass die Neonazis immer häufiger auch juristische Niederlagen einstecken müssten – zum Beispiel die Verbote ihrer Weihnachtsdemos.
„Ich finde es gut, dass der Polizeipräsident neue juristische Wege geht. Auch die Zivilgesellschaft muss neue Wege gehen“, fordert Stiller.
Daher will der Arbeitskreis, in dem unter anderem Parteien, Sozialverbände, Kirchen und Gewerkschaften organisiert sind, die wehrhafte Kultur gegen Neonazis in den Mittelpunkt rücken. „Wir müssen Menschen aus der Mitte der Gesellschaft mobilisieren, aber in den Formen demokratisch bleiben.“
Es müsse ein noch deutlich breiteres gesellschaftliches Engagement geben. Denn die anhaltende Drohung mit Gewalt und die Einschüchterung der Bevölkerung nehme immer massivere Formen an. „Das trifft nicht mehr nur Einzelne“, warnt Stiller.
Arbeitskreis will sich mit NSU und Versammlungsrecht befassen
Daher will sich der Arbeitskreis dem Thema Rechtsextremismus von verschiedenen Seiten nähern.
Sie wollen die Morde des Nationalsozialistischen Untergrunds thematisieren und einen Fokus auf den Parlamentarischen Untersuchungsausschuss im Landtag von NRW werfen.
Mit dem türkischen Kioskbesitzer Mehmet Kubasik aus der Nordstadt hat auch die Stadt Dortmund einen Menschen zu betrauern, welcher dem rechtsextremen Mord-Trio zum Opfer fiel.
Außerdem wollen die Nazi-Gegner das Thema Versammlungsrecht fokusssieren. Auch die Stärkung der Zivilcourage bei Einzelnen bis hin zu neuen Protestformen soll dabei behandelt werden.
Dialog mit dem Staatsschutz und der Justiz gewünscht
Ebenso will der Arbeitskreis wieder stärker mit dem Staatsschutz ins Gespräch kommen, „weil eine Entfremdung deutlich wurde – Stichwort Wahlabend“, so Stiller.
„Wir sind mit dem Thema auch nicht fertig“, ergänzt Jutta Reiter. Eine entsprechende Dokumentation sei in Arbeit.
„Es gibt unterschiedliche Wahrnehmungen. Wenn wir die Polizei auf der einen und die Zivilgesellschaft auf der anderen Seite nicht übereinanderkriegen, werden wir nicht erfolgreich gegen Neonazis sein.“ Sie fordert daher erneut, die Nötigungsverfahren gegen die „Rathausbeschützer“ endlich einzustellen.
Auch mit der Justiz wollen sie – wie auch die Koordinierungsstelle im Rathaus – stärker ins Gespräch kommen. „Wir sind gespannt, was die Staatsanwaltschaft und die Gerichte machen“, so Reiter. „Wir respektieren die Unabhängigkeit der Justiz. Aber die Diskussion gehört dazu.“
Arbeitskreis will am 28. März und 1. Mai aktiv werden
Die nächsten Knackpunkte werden der 28. März und der 1. Mai: Zum zehnten Jahrestag der Ermordung des Punkers Thomas „Schmuddel“ Schulz wollen die Neonazis Veranstaltungen machen.
„Ein unerträglicher Vorgang, weil auf die Tötung eines Menschen in Dortmund angespielt wird. Das ist dermaßen menschenunwürdig“, empört sich Stiller. „Das werden wir in den Blick nehmen und auch als Arbeitskreis das Umfeld gestalten.“
„Es würde mich mehr als bedenklich stimmen, wenn die Gerichte ein Fest zur Ermordung eines Menschen gestatten würden. Sie dürfen nicht nur die Fakten sehen, sondern müssen sie auch in das ideologische Umfeld einordnen“, so Reiter. „Da sehe ich bei Staatsanwaltschaft und Gerichten leider keine Fortschritte.“
Für den 1. Mai gibt es zwar noch keine veröffentlichten Pläne der Neonazis. Allerdings formuliert der DGB schon jetzt eine klare Kampfansage. „Wir werden uns als Stadtgesellschaft nicht auseinanderdividieren lassen“, verspricht Reiter. „Wenn die Rechten kommen, sind wir da. Wir werden unser Programm sehr flexibel gestalten.“
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Reaktionen
Joachim
Wenn du nicht mehr weiter weißt, gründe einen Arbeitskreis…
Gegen Nazis aktiv werden müssen alle Bürger Dortmunds immer wieder und sich nicht in symbolhaften Aktionen verlieren. Schön, dass der Arbeitskreis jetzt aktiv werden will. Aber wo war der Arbeitskreis bei den Nazi-Demonstrationen zu Ende des vergangenen Jahres?
Und auch die Stadt und die Polizei müssen sich fragen lassen, ob sie denn dem braunen Pack genug entgegen setzen (Stichwort Vorverlegung der Nazi-Demo am 3.1. oder die Kritik am Polizeieinsatz am 23.12.). These: solche Aktionen leisten Nazi-Dreistigkeiten wie die Hakenkreuz-Schmierereien am Haus von R. Rutkowski oder die Todesdrohungen gegen Journalisten Vorschub. Denn so wird ein Klima erschaffen, in dem sich Nazis sowas trauen.