Von Thomas Engel
Für den anvisierten Hafenumbau müssen Steine rollen. In den nächsten Wochen wird das alte Verwaltungsgebäude der Dortmunder Hafen AG (Speicherstraße 14) dem Abrissbagger zum Opfer fallen. Der Bau aus den 1960er-Jahren ist marode, eine Sanierung ausgeschlossen, muss daher weichen; bis Ende September 2020 sollen die gestern symbolisch begonnenen Arbeiten abgeschlossen sein. Voraussichtlich im Laufe des kommenden Jahres wird es dann an die benachbarte riesige Knauf-Halle gehen. Geplant ist an Ort und Stelle – dem Scheitelpunkt von südlicher und nördlicher Speicherstraße – die Errichtung eines modernen Mobilitätszentrums, mit dem der motorisierte Individualverkehr aus dem zukünftigen Hafenquartier möglichst herausgehalten werden soll.
Gegen Ende September wird das ehemalige Verwaltungsgebäude des Hafens verschwunden sein – so der Plan
Was hier nun geschehe, das symbolisiere den Umbau des Hafenquartiers, bedeutet Uwe Büscher, Vorstand der Dortmunder Hafen AG. Zu dem Gebäude, ja, da habe so mancher schon eine emotionale Beziehung. ___STEADY_PAYWALL___
Immerhin war es nach dem Alten Hafenamt seit 1962 das Hauptquartier des Unternehmens für Liegenschaftsmanagement im Hafen, also über ein halbes Jahrhundert lang. „Es gab durchaus Mitarbeiter, die von Anfang an dabei gewesen sind, 40 Jahre bei der Dortmunder Hafen AG gearbeitet haben“, so Büscher.
Doch der Hafen-Chef schaut lieber nach vorn, zu viel Sentimentalität wäre wohl ein falsches Zeichen: „Nichtsdestotrotz ist es wichtig, dass wir jetzt Platz machen für die neuen Projekte, die wir hier andenken, rund um die südliche und die nördliche Speicherstraße.“ Und da stünde das Gebäude der alten Hauptverwaltung samt Areal eben mittendrin, nämlich am Scheitelpunkt der Straßen – und müsse daher weichen.
Zum Abrissbeginn hat er am gestrigen Dienstag (4. August) gleich eine Reihe von Medienvertreter*innen geladen. Viel Zeit ist nicht. Nachdem sie vor zwei Wochen mit Entkernungsarbeiten und Schadstoffsanierung (unter anderem geht es um Asbest) angefangen hätten, erklärt Sascha Bellstädt, Projektleiter bei der Linkamp GmbH aus Anröchte, die für den Abriss verantwortlich ist: gegen Ende September wollten sie fertig sein.
Hafenumgestaltung an Speicherstraße als Mikrokonjunkturprogramm für Stadt, Region und Unternehmen
Die Tätigkeit scheint ganz nach seinem Geschmack zu sein: „Wir würden gerne direkt nebenan weitermachen“, so der Bauführer mit einem Lächeln und mit Blick auf die angrenzende Knauf-Interfer-Halle. Und kündigt an, sich für den Auftrag bei der anstehenden Ausschreibung bewerben zu wollen. Die Dimensionen dort sind freilich ganz andere, doch auch dieser Teil-Abriss ist fester Bestandteil der Umbaupläne für das Quartier.
Im Frühjahr oder Sommer nächsten Jahres hoffe man, den Teil-Abriss der riesigen Halle in Angriff nehmen zu können, erläutert Büscher – nicht ohne Hinweis auf die Größenordnung des Unternehmens: „Das wird eine der größten optischen Veränderungen sein, die die Nordstadt je erlebt hat, weil wir hier von mehr als 20.000 Quadratmetern sprechen, die jetzt überbaut sind und freigelegt werden.“ Da bestünde sowohl aus der Frosch- wie Vogelperspektive „eine ganz andere Sicht, auf das, was wir hier tun“, so der Hafenvorstand zum enormen Abbruchvolumen des Vorhabens.
„Die Hafenumgestaltung in der südlichen und nördlichen Speicherstraße ist auch so etwas wie ein Mikrokonjunkturprogramm für die Stadt Dortmund, umliegende Städte und Gemeinden und insbesondere für mittelständische Unternehmen“, sagt er. Ein quasi positiver Nebeneffekt. „Den können wir in Zeiten von Corona ganz besonders gebrauchen.“ Wo sich wegen des Lockdowns und seiner Folgen die Auftragslage bekanntlich nicht immer besonders rosig ausnimmt und gesellschaftliche Produktivkraft in einem ungünstigen Umfang vor sich hin dümpelt.
Neue Qualität bei Zusammenarbeit kommunaler Akteure in Dortmund sorgt für eine Menge Optimismus
Doch aufs Ganze gesehen ist Uwe Büscher – zumindest, was den Hafen betrifft – optimistisch. Der dortigen Entwicklung sei eine jahrzehntelange kommunalpolitische Diskussion vorausgegangen, weiß er um die Geburtswehen des Dortmunder Großprojekts. Zwischenzeitlich hätten viele gesagt, das würde eh nichts mehr, auch er. Doch in den letzten Jahren, da sei eine erhebliche Dynamik entstanden, freut sich ein sichtlich entspannter Hafen-Chef beim Abrisstermin.
„Auch durch die neue Qualität der Zusammenarbeit zwischen Dortmunder Stadtwerke AG, Dortmunder Hafen AG und der Verwaltung der Stadt Dortmund“, sieht er die Dinge nun auf einem guten Weg. „Das hat uns in den letzten Jahren doch ganz erheblich nach vorne gebracht.“
Und so soll es weitergehen: „Deswegen werden wir hier in zehn Jahren von einem völlig neuen Quartier, mit einer völlig neuen Aufenthaltsqualität sprechen, so wie sich die Kommunalpolitik das gewünscht hat.“ Selbstverständlich im Einklang mit der Hafennutzung.
Da bliebe alles beim Alten – eine Botschaft, die in einer (ihrem offiziellen Selbstverständnis nach) traditionsverbundenen Stadt wie Dortmund zur Standardrhetorik jeder guten Öffentlichkeitsarbeit gehört. – Zumal: Hafen bleibt Hafen – und ist Teil einer extrem wichtigen Transportstraße für den Verkehr von Gütern aller Art, Standbein lokaler Industrie, Ort für Arbeitsplätze und Wertschöpfung.
Standort für technologische Innovation, prominente Bewohner*innen – und ein Blick auf die Jugend
Im Kern allerdings geht es um die Umgestaltung des Hafenquartiers zu einem weiteren Standort für technologische Innovation und mondänes Leben. Kein Zufall, dass Uwe Büscher nicht umhin kann: der zentrale Dienstleister der Stadt für IT, das Dortmunder Systemhaus, habe sich dazu entschieden, hierhin umzuziehen. Andere Prominenz und Projekte, die sich auf dem Terrain angemeldet haben:
Die „Akademie für Digitalität und Theater“ oder der „Leuchtturm“ (auf knapp 3.400 Quadratmetern individuell einteilbare Büroflächen und Gastronomie: für Besucher*innen, Gäste, Startups, Freiberufler*innen etc.) – sowie „Lensing Media Port“ (Ruhrnachrichten).
Deren Verantwortliche es glatt schaffen (wie jüngst auf einer Jahresversammlung des Deutschen Journalisten Verbandes), eine Stunde über Lokaljournalismus als Marktproblem zu reden, ohne einmal das Wort „Ethik“ in den Mund zu nehmen.
Weiterhin: Wer in die Zukunft denkt, hat die Jugend, den Nachwuchs im Sinn: in unmittelbarer Nähe zum Standort des alten Verwaltungsgebäudes wird ein Berufskolleg entstehen. – Und, wie sollte es anders sein: das hätte „quartiersbildenden Charakter“, so Büscher.
Ambitionierter Plan: Mobilitätszentrum am Scheitelpunkt von südlicher und nördlicher Speicherstraße
Schließlich bliebe da noch die Frage, was denn wohl demnächst anstelle des gegenwärtig in die Geschichte eingehenden Sechziger-Jahre-Gebäudes der Hafen AG die Lokalität zieren wird. – Wenig überraschend: Es geht um Umwelt, Nachhaltigkeit, trefflichen Klimaschutz – die ganze Palette, angewandt auf Mobilität. Die würde hier gedacht, macht Büscher klar.
„Mobilität wird in Zukunft anders aussehen. Wir reden jetzt nicht mehr von Parkhäusern und einfachen Parkplätzen. Sondern wir sprechen hier durchaus von Mobilitätszentren, wo auch die neuen Formen der Mobilität, die Elektromobilität und andere Dinge berücksichtigt werden. All das planen wir hier mit, im neuen Hafenquartier, in der nördlichen Speicherstraße – und an dieser Stelle könnte durchaus so ein Mobilitätszentrum stehen. Das müssen wir dann im weiteren Prozess noch profilieren.“
Das Ziel der Strateg*innen für Stadt-Ertüchtigung: den umweltverpestenden Individualverkehr möglichst aus dem Zukunftsquartier herauszuhalten. Ist ja nicht die schlechteste Idee. – Doch es gibt auch kritische Stimmen. Nicht wenige Menschen befürchten angesichts der Planung: Gentrifizierung. Eine Chic-Promenade, Gastronomie, Hafenflair, und so weiter, das Übliche halt. Und bekannte Folgen: dass in besagten zehn Jahren hier eigentlich nur noch die Reichen und Schönen ein und aus gehen werden – dafür aber ökologisch verträglich, wie sich von selbst versteht.
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