Aleksandar Živković begleitet das Bochumer Opel-Werk, seit er angefangen hat zu studieren. Zwei Tage nach der Werksschließung 2014 fotografierte er während einer Jubilarfeier erstmals in den leeren Hallen und stellte die Bilder aus. Er verfolgte Abriss und Rückbau des Werks in der Presse, sprach mit einigen der einst 20.000 Beschäftigten. Seine Abschlussarbeit an der Fachhochschule Dortmund mit dem Titel „Was bleibt vom Opelaner ohne Opel-Werk“ fasst all dies zusammen. Sie wurde von der Stiftung Buchkunst mit dem Förderpreis für junge Buchgestalter*innen 2022 ausgezeichnet.
In Gartengesprächen kommen die ehemaligen Opel-Beschäftigten zu Wort
Das 457 Seiten starke Buch wirkt roh, fast unfertig. Der Buchrücken unverdeckt. Das Gewebe sichtbar. „Wie aus der laufenden Produktion herausgerissen“, lobt die Jury der Stiftung Buchkunst. Es ist nur eines der vielen gestalterischen Details dieser Masterarbeit. „Das Buch ist ein visuelles Werk?“, sagt Aleksandar Živković. Das gilt für die bisher teils unveröffentlichten Bilder darin ebenso wie für Typografie und Satzbild.
Der Frage des Buchtitels spürt Aleksandar Živković in sogenannten Gartengesprächen nach, in denen er die ehemaligen Opel-Beschäftigten selbst zu Wort kommen lässt. Darunter der damalige Betriebsratschef Rainer Einenkel und ein Ehepaar, das sich „an der Kette“ bei Opel kennenlernte. „Diese inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Thema war mir eine Herzensangelegenheit“, sagt Aleksandar Živković.
Einige wenige der Gespräche entstanden bereits 2015. Die Aussagen von damals bildeten den Startpunkt für die neuen Interviews, die im Sommer 2021 in den Gärten der Opelaner geführt wurden. Die Fotos dazu stammen von Melanie Grass und Melanie Sapina.
Parallel hat der Bochumer Aleksandar Živković nach dem Opel-Aus auf den Onlineportalen der Zeitungsverlage Nachrichten gesammelt, um daraus ein neues Bild über „das Danach“ zu formen. So reiht er in seinem Buch diese Artikel zu einer chronologischen Erzählung aneinander.
Das Kapitel heißt „Geordnete Sammlung“. Transdigital in einen Buchkörper überführt, erhalten die Online-Artikel eine neue Relevanz, sagt Aleksandar Živković. Daneben hat er Devotionalien der Opel-Beschäftigten zusammengetragen und katalogisiert: Erinnerungsfotos, Gesellenstücke, Auszeichnungen und Notizen.
„Es ist kein Buch, sondern mehr ein Raum, den Lesende betreten“
Die Inhalte des Buchs verknüpft Aleksandar Živković miteinander. „Kleine Marker verweisen auf andere Seiten mit passenden Inhalten“, erklärt er. So verbindet er etwa Aussagen der Gartengespräche mit den entsprechenden Hintergründen in den Artikeln, bringt Orte in den Texten mit den Fotos zusammen und umgekehrt.
„Es ist kein Buch, das von vorn nach hinten gelesen werden muss, sondern mehr ein Raum, den Lesende betreten“, so der Designer. Die bislang überschaubare Auflage von zehn Exemplaren soll bald wachsen. Aleksandar Živković will dazu mit interessierten Verlagen ins Gespräch kommen.
Sein Werk ist aktuell noch bis zum 20. August in der Berliner Projektgalerie „einBuch.haus“ zu sehen. Dort werden die Preisträger*innen der Stiftung Buchkunst geehrt. Neben dem Buch selbst stellt Aleksandar Živković auch Fotos aus dem ehemaligen Bochumer Opel-Werk aus.
Der FH Dortmund bleibt Aleksandar Živković auch nach dem erfolgreichen Abschluss treu. Er kehrt als Dozent für Typografische Grundlagen des Fachbereichs Design zurück.
Hintergrund zum Preis: Seit 1989 vergibt die 1966 gegründete Stiftung Buchkunst in Kooperation mit dem Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien den Förderpreis für junge Buchgestaltung, der außergewöhnliche Ideen zu gedruckten Büchern oder hybriden Buchformen auszeichnet. Dieser Preis ist dreiteilig und mit je 2.000 Euro dotiert.