Von Gina Thiel
Die Corona-Krise hat viele Betriebe hart getroffen. Einige Unternehmen sind dank Kurzarbeit und Export ins Ausland einer Katastrophe knapp entgangen. Um diese Situationen weiß auch die IG Metall und nimmt Rücksicht bei ihren diesjährigen Tarifverhandlungen. Verbesserte Bedingungen für Beschäftigte müssen trotzdem geschaffen werden. Sie fordern eine Entgelterhöhung um vier Prozent, aber auch die Beschäftigungssicherung hat an neuer Relevanz in der Krise gewonnen. Ihren Forderungen wollen die Gewerkschafter*innen am morgigen Dienstag, 2. März 2021, Ausdruck verleihen und gehen dabei pandemiebedingt einen ungewöhnlichen, kreativen Weg. So wird ihr Warnstreik in Form eines Autokino-Formats auf dem Parkplatz A7 an den Westfalenhallen stattfinden.
Herausforderungen in der Corona-Krise: Entgelterhöhung mit einem „Aber…“
In diesem Jahr haben die Vertreter der IG Metall mit neuen Herausforderungen zu kämpfen. Die Corona-Krise hat auch ihre Arbeit verändert. Die Situationen in den einzelnen Betrieben unterscheiden sich zum Teil massiv voneinander. Das mache einheitliche Tarifverhandlungen schwer, so Ulrike Hölter, Geschäftsführerin der IG Metall Ruhrgebiet Mitte.
Man habe vermehrt das Gefühl, dass Arbeitgeber die aktuelle Corona-Situation ausnutzen, um Verhandlungsgespräche auszusetzen und Sonderzahlungen, wie Urlaubs- und Weihnachtsgeld infrage zu stellen. Verhandlungsgespräche allein reichen allerdings nicht aus, es müssen dabei auch verbindliche Absprachen getroffen werden, an die sich die Arbeitgeber am Ende halten, betont Hölter.
Insgesamt fordere man eine Entgelterhöhung von vier Prozent. Betrieben, die von dem bundesweiten Lockdown besonders betroffen sind, räumt die IG Metall Verhandlungsspielraum ein. So könnten Teile der Entgelterhöhung auch genutzt werden, um Teilentgeltausgleiche bei Beschäftigungssicherung zu verabreden. Die Botschaft der Beschäftigen in den einzelnen Betrieben ist bei der IG Metall angekommen. Die Corona-Situation hat die Mitarbeiter*innen verunsichert und so ziehen viele einen sicheren Arbeitsplatz einer möglichen Lohnerhöhung vor. Eine weitere Sorgengruppe: duale Studierende und Auszubildende.
Duale Student*innen und Auszubildende sind die Zukunft und Betriebe brauchen Zukunftsperspektiven
Ulrike Hölter beobachtet mit großen Sorgen den Trend, der sich in Unternehmen momentan abzeichne. „Viele Betriebe haben Ausbildungsplätze zusammengestrichen wegen Corona, um Kosten zu reduzieren“, betont sie.
Das Problem: Die Lehrlinge von heute sind die Facharbeiter*innen von morgen. Unabhängig davon, wie lang die momentane Corona-Situation anhält, werden diese Facharbeiter*innen irgendwann gebraucht. Hölter macht deutlich: „Wenn Unternehmen mit uns über die Zukunft reden, dann müssen sie auch über Auszubildende reden und deren Übernahmegarantie, die an vielen Orten auf der Kippe steht.“
Konrad Ackermann, Betriebsratsvorsitzender der KHS GmbH in Dortmund, pflichtet Ulrike Hölter bei. Sein Arbeitgeber hat im letzten Jahr dank fortlaufendem Exportgeschäft sogar Gewinne verzeichnen können. Ihm liegt die Nachfolgegeneration am Herzen. Es könne nicht sein, dass einige Betriebe sich duale Studierende und Auszubildende als „billige Praktikanten“ mit hohem Aufgabenumfang einstellen. Er fordert eine gerechte Entlohnung und Einordnung in entsprechende Tarifgruppen. Der Dortmunder Betrieb achte auf faire Tarifgruppierung, das sei aber lang nicht überall so.
Konkrete Pläne zum Warnstreik stehen – Beschäftigte werden aufgerufen sich zu beteiligen
Warnstreik mit Hunderten Beschäftigten, die sich auf einem Platz oder vor den Toren der Betriebe versammeln – das wird es dieses Jahr nicht geben. Für Volker Strehl, Geschäftsführer der IG Metall Ruhrgebiet Mitte, ist das aber kein Grund, die Warnstreiks ausfallen zu lassen. Man ist kreativ geworden und bedient sich am Autokinoprinzip. Bereits im letzten September habe es Autokinoveranstaltungen unter dem Motto „Stark aus der Krise“ gegeben. Diese dienen nun als Vorbild für den kommenden Warnstreik am morgigen Dienstag, 2. März 2021.
Mit mobilen Leinwänden, Bühnen und Ton über den Radiofunk läutet die IG Metall eine neue Form des Werkstreiks ein. Aus dem Auto heraus sollen am 2. März Hunderte Beschäftigte auf dem A7 Parkplatz der Westfalenhallen ein Zeichen setzen. Für alle, die sich an dem Tag nicht ins Auto setzen möchten oder können, gibt es die Möglichkeit des Streiks aus dem Homeoffice.
Der Vorschlag von Volker Strehl: man könne einen Abwesenheitsassistent für E-Mails einrichten. Dieser könne am Streiktag von 6 Uhr bis 9:30 Uhr eine automatische Antwort senden, beispielsweise „diese/r Mitarbeiter*in beteiligt sich aktuell am Warnstreik der IG Metall“.
Damit trotz räumlicher Trennung das Zusammengehörigkeitsgefühl des Streiks nicht verloren geht, wird die offizielle Kundgebung von 07:30 Uhr bis 08:30 Uhr gestreamt und alle Streikwilligen können sich per Zoom in die Veranstaltung einwählen (Link im Anhang des Artikels). Bei der Frage, welche Betriebe konkret bestreikt werden, gaben sich die Vertreter der IG Metall bedeckt. So viel wollten sie jedoch verraten: Von den insgesamt 13 betroffenen Betrieben befinden sich acht in Dortmund. Erste Verhandlungen mit den Unternehmen sollen am 15. März stattfinden.
Weitere Informationen:
- Link zur Zoom-Veranstaltung: https://igmetall.zoom.us/wc/join/93620814189
- www.igmetall.de
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Metallunternehmer in Dortmund enttäuscht über Warnstreiks der IG Metall (PM Unternehmensverband der Metallindustrie für Dortmund und Umgebung e.V.)
Metallunternehmer in Dortmund enttäuscht über Warnstreiks der IG Metall
Enttäuscht haben die Metallarbeitgeber in Dortmund, Lünen und Castrop-Rauxel auf die Ankündigung der IG Metall reagiert, nach Ende der Friedenspflicht am 2. März Warnstreiks durchzuführen. „Unsere Erwartungshaltung war bisher, gemeinsam mit der IG Metall diese Krise zu bewältigen und die Beschäftigungssicherung in den Vordergrund zu stellen“, sagte Ernst-Peter Brasse, Geschäftsführer des Unternehmensverbandes der Metallindustrie.
„Statt gemeinsame Lösungen zu erarbeiten um den Unternehmen und Beschäftigten Planungssicherheit zu geben, werden tradierte und aus unserer Sicht überholte Verhandlungsrituale pandemiefähig gemacht und digitalisiert“.
Die Arbeitgeber verweisen darauf, die Beschäftigung trotz der erheblichen Umsatzrückgänge im vergangenen Jahr stabil gehalten zu haben. Das sei auch ein Verdienst der zurückhaltenden Tarifrunde 2020 gewesen. „Man kann die wirtschaftliche Lage nicht wegwünschen oder ignorieren und zur Tagesordnung übergehen“, so Brasse mit dem Hinweis darauf, dass fast 80 Prozent der Betriebe unter Produktionseinschränkungen leiden.
2021 werde für die Metall- und Elektroindustrie selbst bei optimistischer Betrachtung ein Jahr des Aufhol- und Nachholprozesses, aber kein Jahr des Wachstums. Ein Verteilungsvolumen für Entgelterhöhungen sei praktisch nicht vorhanden. „Was wir jetzt brauchen ist eine maßvolle Tarifrunde, die die wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie berücksichtigt und den Unternehmen Planungssicherheit gibt“, erläutert Brasse. Nur dann könne mit richtungsweisenden Zukunftsinvestitionen der Unternehmen gerechnet werden.
Die Tarifvertragsparteien müssten ihre Innovationsfähigkeit in jeder Verhandlungsrunde neu beweisen, um Arbeitsplätze zu sichern und den Unternehmen den Raum zu schaffen, flexibel auf den Markt zu reagieren. „Warnstreiks erhöhen die Unsicherheit der Unternehmen und der Beschäftigten in die Fähigkeit der Tarifvertragsparteien, sachgerechte Lösungen zu finden. Das ist das völlig falsche Signal und gibt den Verhandlungsverlauf auch nicht wieder“, so Brasse. „Jeder Beschäftigte kennt die Lage seines Arbeitgebers und spürt den Druck auf die Arbeitsplätze. Da ist kein Platz für Rituale“.
Die Metallarbeitgeber hätten der IG Metall jüngst einen umfassenden Strukturvorschlag gemacht, der die tariflichen Bedingungen bis 2022 und darüber hinaus klären könne, sagte Brasse. Er hoffe, dass die IG Metall sich hierzu sachlich konstruktiv zeige. Viele Unternehmen würden genau beobachten, zu was die Tarifvertragsparteien unter diesen Umständen in der Lage sind und ob der Flächentarifvertrag auch zukünftig der Maßstab für die Arbeitsbedingungen bleiben könne.
„Wir sind eigentlich davon ausgegangen, dass es bei dieser einmalig schlechten Wirtschaftslage auch mal ohne Warnstreiks geht, aber der Weg zu sachlichen stillen Tarifverhandlungen scheint länger als gedacht“, so Brasse abschließend.