Mazen Hassoun war 17 als er aus seiner Heimatland Syrien floh. Er stand kurz vor seinem Abschluss in der Schule als der Krieg all seine Träume hinfällig machte. Nach einer beschwerlichen Flucht, musste er in Deutschland viel Geduld und Ausdauer für den Aufbau eines neuen Lebens mitbringen. Inzwischen ist er seit sieben Jahren in Deutschland, hat im Sommer 2021 auf dem Zweiten Bildungsweg am Westfalen-Kolleg das Abitur mit 1,9 bestanden, studiert an der Universität Duisburg Essen Politikwissenschaften und lebt seinen Traum.
Die Flucht vor dem Krieg in Syrien
„Eigentlich wollte ich nie flüchten, “ sagt Mazen Hassoun. Zwar sei das Leben für ihn, seine beiden Brüder und seine Mutter in Syrien nach dem Tod des Vaters 2004 nicht einfach gewesen, für die Mutter habe es als alleinerziehende Frau schon vor dem Krieg keinerlei Unterstützung gegeben, aber trotzdem wäre er lieber dort geblieben, hätte sein Abitur gemacht, studiert und dort ein Leben aufgebaut.
Aber dann verschärfte der Krieg alles, die Situation in Syrien wurde immer schlimmer, der Aufstieg des IS tat ein Übriges. So reifte 2014 der Entschluss zu fliehen, und Mazen Hassoun verließ kurz vor dem Abitur Syrien. Seine ganze Familie floh, aber nicht gemeinsam.
Zunächst versuchte er es mit einem seiner Brüder zusammen, dann folgte die Trennung. Ihr Weg ging über die Balkanroute, die Türkei, Griechenland, dann Serbien, Mazedonien, Ungarn. Die Situation war schon in der Türkei und Griechenland sehr schwierig. „Wir haben zum Teil draußen gelebt“, erinnert sich Mazen Hassoun. „Oder auch in unter sehr problematischen hygienischen Verhältnissen in Mazedonien in Wohnungen von Schleppern.
Die Ankunft in Deutschland – Leben in der Schwebe
Schließlich kam er nach Deutschland und hatte Glück, denn er musste nicht in Sammelunterkünften wohnen, sondern konnte in Wohngemeinschaften leben. Zunächst verschlug es ihn nach Ostfriesland, in ein kleines Dorf, mit wenig Infrastruktur und nur wenigen Möglichkeiten, Lebensmittel zu kaufen, um sich zu versorgen.
„Über einen Freund bin ich schließlich nach Dortmund gekommen“, erzählt Mazen Hassoun. „Und dann hieß es warten.“ Und zwar lange und geduldig, es vergingen eineinhalb Jahre, ohne wirklich etwas tun zu können. Eine Arbeit oder auch einen Sprachkurs zu beginnen, war erst mit einer Aufenthaltsgenehmigung möglich.
„Ich habe trotzdem versucht die Zeit zu nutzen und Deutsch zu lernen und mir beispielsweise die Schriftzeichen und erste Grundbegriffe selbst beizubringen“, bemerkt Mazen Hassoun. Das zahlte sich schließlich aus, denn nachdem die Aufenthaltsgenehmigung erteilt worden war, konnte er gleich auf dem Niveau A2 in einen Sprachkurs einsteigen.
Die Zeit am Westfalen-Kolleg – „Ich habe mich hier nie wie ein Fremder gefühlt“
Das war ihm aber nicht genug. „Ich wollte nicht nur irgendeine Ausbildung machen, sondern studieren“, betont Mazen Hassoun. Dafür benötigte er aber das Abitur. So entschloss er sich zum Westfalen-Kolleg zu gehen und führte ein erstes Gespräch mit der Lehrerin, die als erste Anlaufstelle Geflüchtete am Westfalen-Kolleg betreut.
„Ich musste zunächst den zweisemestrigen Vorkurs besuchen und habe das erst mal als Zeitverschwendung empfunden,“ erinnert er sich, „überhaupt noch mal so lange zur Schule gehen zu müssen, erschien mir verlorene Jahre zu sein.“ Seine Freunde, die in Syrien geblieben waren, hatten ihm sowieso vom Schulbesuch abgeraten.
„Die haben inzwischen ihr Studium beendet, sind Apotheker oder bereits in der Ausbildung zum Facharzt und haben mit ihrem Leben begonnen.“ Letztlich sei es aber doch sinnvoll gewesen: „Ich habe durch die Vorkurse viel gelernt, insbesondere was die Sprache anbetrifft.“ Außerdem war da immer dieser Traum, zu studieren, der habe ihn letztlich angetrieben und geholfen, weiter zu machen.
„Für uns Geflüchtete gelten immer besondere Anforderungen.“
„Trotzdem steht man immer unter Zeitdruck“, sagt Mazen Hassoun und erklärt: „Für uns Geflüchtete gelten immer besondere Anforderungen.“ Um den Aufenthaltstitel zu bekommen, müsse man sich bewähren, man müsse zeigen, dass man sich schnell integriert, und dafür seien dann besonders gute Leistungen erforderlich.
Auch seine beiden Brüder haben in Deutschland Fuß gefasst, der eine ist Apotheker, der andere studiert in Bielefeld, und auch die Mutter will sich integrieren und lernt Deutsch, sagt Mazen Hassoun: „Das ist mit über Fünfzig nicht mehr so einfach, aber sie macht es.“
„Mein Ziel ist es, später als Journalist fest angestellt zu werden.“
Sein längerfristiges Ziel ist die Einbürgerung. Dazu ist unter anderem auch die erfolgreiche Absolvierung des Einbürgerungstests notwendig. Doch auch wenn dieser Fragen enthält, die so mancher Deutscher nicht richtig beantworten könnte, wird Mazen Hassoun auch diese Hürde meistern.
Helfen wird ihm dabei sicherlich sein Studium der Politikwissenschaften an der Universität Duisburg/Essen und der Beruf, den er anstrebt. Schon seit drei Jahren arbeitet er als freier Journalist und hat bereits Beiträge in seiner Muttersprache Arabisch, in Englisch und auch auf Deutsch veröffentlicht. „Mein Ziel ist es, später als Journalist fest angestellt zu werden“, blickt er in die Zukunft.
Aber auch wenn inzwischen alles gut läuft, stellte ihn der Unterricht am Westfalen-Kolleg Mazen zunächst vor große Herausforderungen und er benötigte erneut Geduld und Ausdauer. „Zu Beginn konnte ich die Texte nicht einfach durchlesen wie die deutschsprachigen Studierenden“, erinnert er sich an die Anfangszeit, „ich musste alles zwei- dreimal lesen, Wörter und Begriffe raussuchen, das war sehr mühsam und anstrengend.“
Am Westfalen-Kolleg wird das Motto „Schule ohne Rassismus“ wirklich gelebt
Irgendwann sei der Knoten dann aber geplatzt und es ging schneller. Trotzdem, die Latte hing hoch, aber alle Mühe hat sich ausgezahlt. Geholfen habe es, das Ziel vor Augen zu haben, und der Erfüllung des Traumes ein Stück näher zu kommen.
„Geholfen hat auch die Begegnung mit den Menschen am Westfalen-Kolleg“, ist er sich sicher. „Das war eine tolle Zeit und das Westfalen-Kolleg wie ein Zuhause.“ In der Warteschleife, als er auf die Aufenthaltsgenehmigung wartete, habe er außer zu Behörden noch keinerlei Kontakte mit Deutschen gehabt.
Nun gebe es neue Freundschaften, die weiter andauern. Außerdem werde das Motto „Schule ohne Rassismus“ wirklich gelebt. „Es gab nie komische Fragen, weder von Studierenden noch von Lehrenden“, blickt er zurück und resümiert: „Ich habe mich dort nie wie ein Fremder gefühlt.“
Das Westfalen-Kolleg ist eine Schule des Zweiten Bildungsweges und bietet Erwachsenen die Möglichkeit, das Abitur oder die Fachhochschulreife schulischer Teil nachzuholen. Hierfür stehen drei Bildungsgänge mit jeweils unterschiedlichen Unterrichtszeiten zur Verfügung.
Dies ermöglicht die Vereinbarkeit von Schule mit den verschiedensten Lebenssituationen erwachsener Lerner:innen. Durch Fächervielfalt, Förderangebote, vielfältige außerunterrichtliche Angebote und systematische Beratung werden die Studierenden auf ihrem schulischen Weg individuell unterstützt.
Weitere Informationen:
Westfalen-Kolleg, Weiterbildungskolleg der Stadt Dortmund
Rheinische Str. 67 – 69, 44137 DO
Tel.: 0231 / 50 12 400
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