Diskussion, Gespräch und Ausstellung am 27. April in der Pauluskirche

„Vom Schreibtisch in den Knast“: Protest gegen Abschiebungen nach Tadschikistan geplant

Mehrfach protestierte der Freundeskreis Abdullahi Shamsiddin gegen dessen Abschiebung nach Tadschikistan.
Mehrfach protestierte der Freundeskreis Abdullahi Shamsiddin gegen dessen Abschiebung nach Tadschikistan. Foto: Alexander Völkel für die nordstadtblogger.de

Menschenrechtsexpert:innen aus Berlin und Wien sowie vom Abschiebungsreporting NRW diskutieren mit einem tadschikischem Journalisten, einer Flüchtlingsaktivistin und Bundestagsabgeordneten am Beispiel „Tadschikistan“ über fatale lebensbedrohende Fehler in der Abschiebepolitik und über die Menschenrechtslage in Tadschikistan. Dazu gibt es Austausch bei kleinem Imbiss und Getränken sowie eine bundesweit bekannte Ausstellung von der Fotografin Cornelia Suhan.

Zahlreiche prominente Gäste reisen für die Diskussion nach Dortmund

An der Veranstaltung in der Pauluskirche Dortmund (Schützenstr. 35) kann auch online teilgenommen werden (Link am Ende). Sie findet am kommenden Samstag, 27. April, von 17.30 bis 21.30 Uhr statt.

Teilnehmen werden Leila Nazgül Seiitbek (Menschenrechtsorganisation Freedom For Eurasia, Wien), Hugh Williamson (Human Rights Watch, Direktor Abteilung für Europa/ Zentralasien, Berlin), Herr Komilov (im Exil lebender tadschikischer Journalist), Sebastian Rose (Abschiebungsreporting NRW, Komitee für Grundrechte und Demokratie e.V., Köln), Maria Shakura (Flüchtlingsaktivistin aus NRW) sowie der Sozialwissenschaftler und Europaabgeordnete Dr. Dietmar Köster (SPD).

Eine Video-Botschaft wird auf der Veranstaltung eingespielt von Clara Bünger (Die Linke). Angefragt zur Teilnahme sind zudem die Bundestagsabgeordneten Frank Schwabe (SPD) und Robin Wagener (Bündnis 90/ Die Grünen, zugleich Koordinator der Bundesregierung für die zwischengesellschaftliche Zusammenarbeit mit dem Südlichen Kaukasus, der Republik Moldau sowie Zentralasien).

Auf ihrer Flucht vor dem Autokraten sind sie auch in Deutschland nicht sicher

Zwei Jahre nach Beginn des russischen Angriffskrieges in der Ukraine hat sich der politische Diskurs in Deutschland weiter massiv nach rechts verschoben. Im Fokus dieses Rechtsrucks steht die fortdauernde und nicht endenwollende Debatte um Asyl, um Migration und Abschiebungen. „Diese Diskussion betrifft uns alle“, machen die Organisator:innen der Veranstaltung in der Nordstadt deutlich.

Foto: Veranstaltergemeinschaft

„Mit Tadschikistan möchten wir exemplarisch über einen Staat in Zentralasien sprechen, der in Deutschland weitestgehend unbekannt ist. Der 10-Millionen-Einwohner:innen- Staat wird seit Jahrzehnten von einem Autokraten regiert. Seit 2015 nimmt die Verfolgung der politischen Opposition massiv zu“, berichten die Aktivist:innen.

Eine wachsende Gruppe von politisch aktiven Menschen sucht daher Schutz im Exil in Europa. Doch viele sind hier nicht sicher. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge prüft Asylanträge von Tadschik:innen nach Ansicht der Kritiker:innen oft mangelhaft.

„Der tadschikische Geheimdienst ist auch in Deutschland aktiv und bedroht Oppositionelle“, heißt e weiter. „Europäische Regierungen kooperieren zudem eng mit der tadschikischen Regierung, auch bei Abschiebungen, so auch die Bundesregierung und die Landesregierung Nordrhein-Westfalens. In NRW ist hier die Zentrale Ausländerbehörde Essen federführend. Dabei kommt es zu fatalen lebensbedrohenden und die Menschenrechte verletzenden Fehlern“, kritisieren sie. Darüber und über andere Probleme wollen sie am 27. April sprechen und auf Missstände aufmerksam machen.

Hinweis:  Der Link zur Online-Teilnahme ist auf der Homepage der Kirche zu finden: https://pauluskirche.net


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  1. Analyse von NGO zeigt: Tadschikisches Urteil gegen abgeschobenen Abdullohi Shamsiddin ist rechtswidrig (PM Abschiebungsreporting NRW)

    Während in Deutschland über Abschiebungen nach Afghanistan und Syrien diskutiert wird, zeigt der Fall von Abdullohi Shamsiddin, was es heißt, Menschen in einen repressiven Folterstaat abzuschieben.

    „Sieben Jahre Haft für ein ,Like´“, schrieb die Frankfurter Allgemeine Zeitung im März 2023 nach der Verurteilung von Abdullohi Shamsiddin. Im Januar 2023 hatte die Stadt Dortmund den Oppositionellen nach Tadschikistan abgeschoben. Dort verschwand er zunächst in den Händen seiner Verfolger und wurde im März 2023 zu sieben Jahren Strafhaft verurteilt. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen hatten ihm weder seine Furcht vor politischer Verfolgung noch die Abstammung von seinem Vater Shamsiddin Saidov geglaubt. Dieser ist als führendes Mitglied der in Tadschikistan verbotenen Partei PIWT (englisch: IRPT) in Deutschland als Geflüchteter anerkannt. Seinem Sohn Abdullohi, der seit über zehn Jahren in Deutschland lebte, verweigerte auch die Stadt Dortmund – auch wegen dreier bereits verbüßter Vorstrafen – ein Bleiberecht und die Abschiebung konnte auch durch Eingaben beim Flucht-Ministerium NRW und Proteste von Menschenrechtler:innen nicht verhindert werden.

    Die Wiener Menschenrechtsorganisation „Freedom For Eurasia“ hat das Strafurteil gegen Abdullohi Shamsiddin bereits im März 2024 ausgewertet. Nach seiner Ankunft am Flughafen Duschanbe am 19. Januar 2023 verschwand Shamsiddin zunächst in den Händen seiner Verfolger. Durch das Gerichtsurteil vom 29. März 2023 lässt sich mittlerweile nachvollziehen, dass der Oppositionelle während des laufenden Ermittlungsverfahrens vom 26. Januar 2023 bis zum 29. März 2023 inhaftiert war. Wo Shamsiddin in der Woche vorher festgehalten wurde, bleibt aber immer noch unklar.

    Laut „Freedom For Eurasia“ war Abdullohi Shamsiddin in diesem Zeitraum Opfer des sogenannten Verschwindenlassens (siehe auch „Enforced Disappearances in Tajikistan, Steve Swerdlow and USC Human Rights Advocacy Group, 2023, Seite 19). Die Organisation schreibt, er sei gefoltert und zu einem Video gezwungen worden, in dem er die Opposition verurteilte. Außerdem habe man seine Frau unter Druck gesetzt, mit den Kindern nach Tadschikistan zurückzukehren.

    In der Auswertung des Strafurteils wird deutlich, dass die Verantwortung der deutschen Behörden über die Abschiebung hinaus reicht. Das Smartphone des Betroffenen gelangte über die Abschiebung an die tadschikischen Behörden und war zentrales Beweismittel im Prozess. Es wurde forensisch ausgewertet und anschließend zerstört. Das Gericht verwendete Shamsiddins politische Meinungsäußerungen in sozialen Netzwerken gegen ihn. Außerdem wird ihm die Teilnahme an Demonstrationen in Berlin und Bonn zur Last gelegt sowie eine Versammlung in Dortmund im Herbst 2021, die auf behördliche Menschenrechtsverletzungen in der tadschikischen Stadt Chorugh aufmerksam machte. Chorugh ist die Hauptstadt der Autonomen Region Gorno-Badachschan (GBAO), die zu Tadschikistan gehört. Aufgrund des dortigen gewaltsamen Vorgehens der tadschikischen Behörden gegen Menschenrechtsverteidiger:innen, Journalist:innen und Demonstrierende in der GBAO fordert amnesty international zurzeit einen Abschiebestopp für Menschen aus der Region (siehe Anliegen von Amnesty International Frühjahrstagung der Ständigen Konferenz der Innenminister*innen und -Senator*innen der Länder 19. bis 21. Juni 2024, Seite 5). Die Strafe gegen Shamsiddin wird also unter anderem mit seiner Teilnahme an Versammlungen begründet, die nach deutschem Recht legal waren.

    Kein Einzelfall: Aus Bayern abgeschobener Oppositioneller zu 10 Jahren Haft verurteilt

    Die Informationen aus dem Strafurteil könnten für andere Asylverfahren von Tadschik:innen in Deutschland relevant sein, denn Abdullohi Shamsiddins Schicksal ist kein Einzelfall. Auch Bilol Kurbonaliyev wurde nach seiner Abschiebung im Herbst 2023 aus Bayern von einem tadschikischen Gericht im Februar 2024 zu zehn Jahren Haft verurteilt. Der Oppositionelle hatte Ende September 2023 an Protesten gegen den Besuch des tadschikischen Präsidenten Rahmon in Berlin teilgenommen und soll dort ein Ei auf dessen Staatskarosse geworfen haben.

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