Programm für Azubis leistet wichtigen Beitrag zur Erinnerungsarbeit

Vier kommunale Unternehmen starten das Bildungsprojekt „Von Dortmund nach Auschwitz“

Im Rahmen einer Kick-Off-Veranstaltung im Deutschen Fußballmuseum lernten sich die teilnehmenden Auszubildenen kennen und erfuhren in der Ausstellung viel über die Geschichte und das Schicksal jüdischer Fußballer während der Nazi-Diktatur. Foto: DSW21

Ausbildung – das bedeutet nicht nur, jungen Menschen das Rüstzeug für ihr Berufsleben zu vermitteln. Ausbildung bedeutet auch, ihnen eine demokratische Haltung und wichtige gesellschaftliche Werte zu vermitteln. Einige Dortmunder Unternehmen haben sich jetzt zu einer einzigartigen Kooperation zusammengefunden. Unter dem Titel „Von Dortmund nach Auschwitz“ bieten sie ihren Azubis ein Bildungsprogramm gegen Antisemitismus und Rassismus an, das über mehrere Module und Monate führt. Im Zentrum steht eine einwöchige Bildungsreise nach Auschwitz.

Vermittlung historischer Grundlagen, bevor es im Mai nach Polen gehen soll

Esther Bejarano überlebte die Hölle von Auschwitz-Birkenau. Foto: Alex Völkel
Im Mai ist eine einwöchige Bildungsreise nach Oświęcim/Auschwitz geplant. Archivfoto: Alex Völkel für Nordstadtblogger.de

Das Bildungsprojekt „Von Dortmund nach Auschwitz“ steht unter dem Motto Erinnern – Lernen – Austauschen. Es begann mit einem ganztägigen Kick-Off im Fußballmuseum. Ein weiteres Modul stellt den Antisemitismus in den Mittelpunkt. Woher kommt er? Was bedeutet der Begriff überhaupt? Welche Vorurteile sind mit ihm verknüpft und wie kann man ihnen begegnen?

Ehe die Auszubildenden im Mai nach Oświęcim – der polnische Name des Ortes Auschwitz – aufbrechen, erarbeiten sie sich in Dortmund die historischen Grundlagen, begeben sich auf Spurensuche und beschäftigen sich mit den Lebensläufen und Schicksalen von Juden, Sinti und Roma, die von Dortmund aus deportiert und im Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau von den Nazis ermordet wurden.

Was beim Kick-Off bereits deutlich wurde: Vor Auszubildenden und Ausbildern liegt ein anspruchsvolles Projekt, das sie auch emotional in schwierige Situationen führen kann. Der Respekt ist daher angemessen groß. Die Neugier aber auch.

Mit vereinten Kräften gegen Antisemitismus in der Gesellschaft

„Antisemitismus - Dagegen habe ich was.“ Aufkleber in der Nordstadt. Foto: Alex Völkel

Es ist ein Pilotprojekt und die Teilnahme ist freiwillig, doch alle Beteiligten haben den ausdrücklichen Wunsch, aus dem erstmaligen Angebot einen festen und regelmäßigen Ausbildungsinhalt zu machen.

Die Beteiligten sind die Dortmunder Stadtwerke AG (DSW21), die Dortmunder Energie- und Wasserversorgung GmbH (DEW21), die EDG Entsorgung Dortmund GmbH, die Dortmunder Gesellschaft für Abfall mbH (DOGA), Borussia Dortmund (BVB) und das Deutsche Fußballmuseum (DFM). Als Partner mit eingebunden sind zudem die Mahn- und Gedenkstätte Steinwache und die Antidiskriminierungsberatung und Intervention bei Antisemitismus und Rassismus (ADIRA).

Ausgangspunkt waren bestehende Kooperationen zwischen DSW21/DEW21, dem BVB und dem Fußballmuseum. Borussia Dortmund bietet vergleichbare Bildungsprogramme und Seminarfahrten für Fans und Mitarbeitende schon seit etlichen Jahren an. Auch im pädagogischen Angebot des DFM spielt die Aufarbeitung der Judenverfolgung im Fußball während der Nazi-Diktatur eine bedeutende Rolle.

Beunruhigende gesellschaftliche Tendenzen

DSW21-Arbeitsdirektor Harald Kraus. Foto: DSW21

„Rassismus findet an vielen Stellen in unserem Alltag statt. Und auch für Antisemitismus gibt es neuerdings wieder einen Nährboden. Es ist unsere gemeinsame Aufgabe, entschlossen und konsequent gegen solche Tendenzen anzuarbeiten“, sagt Harald Kraus, Arbeitsdirektor von DSW21.

„Dass Impfgegner bei ihren sogenannten Montagsspaziergängen Judensterne mit der Aufschrift ‚Corona‘ tragen und so Vergleiche zwischen den aktuellen Maßnahmen im Kampf gegen die Pandemie und dem millionenfachen Mord an Juden, Sinti und Roma ziehen, ist unerträglich.“

An diesem Punkt knüpft Borussia Dortmunds Vorsitzender der Geschäftsführung, Hans-Joachim Watzke, an: „Die Erinnerung an den Holocaust und der Kampf gegen Antisemitismus sind für den BVB wichtige Anliegen. In dieser Partnerschaft nun auch die jüngeren Mitarbeiter zu erreichen, stellt eine wichtige Ergänzung unserer Maßnahmen dar.“

Unternehmen sehen sich in gesellschaftlicher Verantwortung

Heike Heim ist die Vorsitzende der Geschäftsführung bei DEW21. Foto: DEW21

„Wir fördern aktiv eine vielfältige und aufgeklärte Gesellschaft, in der kein Platz für Rassismus und Antisemitismus ist“, ergänzt Heike Heim, Vorsitzende der DEW21-Geschäftsführung.

„Alle Kooperationspartner setzen sich für die gleichen demokratischen Werte wie Gerechtigkeit, Gleichberechtigung oder Solidarität ein, die wir im Rahmen des Bildungsprojekts weiter stärken und fördern möchten. Für uns ist dies eine sehr wichtige gesellschaftliche Verantwortung, für die wir uns mit voller Überzeugung engagieren.“

Der Arbeitsdirektor der EDG, Bastian Prange, betont: „Junge Menschen auszubilden – das ist für uns auch mit einem gesamtgesellschaftlichen Auftrag verknüpft, indem wir die Reflexion zu gesellschaftlichen Missständen fördern und beständige Werte vermitteln.“

Geradezu eine Pflichtaufgabe für alle Beteiligten

Startseite des Online-Lexikons verfolgter jüdischer Fußballer. Foto: Web-Screenshot

Den Auszubildenden die Möglichkeit zu geben, sich im Rahmen eines Bildungsprogramms intensiv mit Antisemitismus und Rassismus auseinanderzusetzen, sei mit Blick auf die deutsche Vergangenheit und leider auch Gegenwart geradezu eine Pflichtaufgabe.

„Erinnerungsarbeit ist nichts für Gedenktage alleine. Sie muss jeden Tag stattfinden, denn sie geht uns alle an“, sagt Manuel Neukirchner, Direktor des Deutschen Fußballmuseums. „Deshalb nutzen wir den populären Zugang, den der Fußball bietet, und vermitteln Haltung und Werte täglich; etwa in Workshops für Schulklassen sowie durch das Nachschlagewerk „Niemals vergessen – das Online-Lexikon verfolgter jüdischer Fußballer“. Ich freue mich, dass wir in dieser wichtigen Arbeit die Kräfte bündeln und inhaltlich und als Ort der Begegnung zu dieser einzigartigen Kooperation beitragen.“

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