Das Bundesverfassungsgericht entschied in seinem Urteil vom 10. April 2018, dass die Bemessung der Grundsteuer für Immobilien verfassungswidrig ist. Nun hat der Gesetzgeber bis Ende 2019 Zeit, die Bemessungsgrundlage der Grundsteuer verfassungskonform zu reformieren. Gelingt dies nicht, drohen Einnahmeausfälle für die Kommunen. Denn gegen jeden Grundsteuerbescheid kann dann Widerspruch eingelegt werden. – Der Münsteraner Verleger Thomas Kubo versuchte nun in einer von Attac Dortmund, dem DGB Dortmund-Hellweg sowie dem Nachdenktreff getragenen Veranstaltung Licht in die trockene, für Laien komplizierte Materie zu bringen.
Referent Thomas Kubo versuchte dem Publikum eine komplizierte Materie nahezubringen
Hintergrund: Die seit mehr als 50 Jahren nicht mehr angepassten Einheitswerte für Grundstücke sieht das Gericht als für überholt an. Überdies verstoße man damit gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Grundgesetzes. Die Grundsteuer B (auf Bauland und bebautes Land) wird heute auf Basis von Einheitswerten erhoben, die auf die Jahre 1964 (West) und 1935 (Ost) zurückgehen.
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Thomas Kubo gehört zu den Befürwortern einer Bodensteuer. Der Titel der Veranstaltung lautete dann auch: „Bodensteuer statt Grundsteuer: Gut für Mieter und Umwelt, schlecht für Spekulanten und Großgrundbesitzer“. Till Strucksberg von Attac Dortmund zeigte sich in seiner Ankündigung des Referenten froh darüber, ein so aktuelles Thema vorgestellt zu bekommen. Im Verlag Thomas Kubo ist in diesem Februar erschienen: „Grundsteuer: Zeitgemäß!: Der Reader zum Aufruf“.
Kubo bemühte sich zunächst nach Kräften, das komplizierte Grundsteuerrecht in Bezug auf die Grundsteuer B darzustellen. Des Weiteren wollte er seinem Publikum die politische und verfassungsrechtliche Ausgangslage schildern und die derzeit kursierenden aktuellen, im Raum stehenden Reformvorschläge vorstellen.
Wobei es insbesondere darum gehen sollte, ihre Nachteile aufzuzeigen. Last but not least wollte Thomas Kubo argumentieren, warum die Bodenwertsteuer aus seiner Sicht die überlegene Reformalternative ist.
Die Grundsteuer ist die zweitwichtigste Einnahmequelle der Kommunen
Die Grundsteuer, legte Kubo anhand einer Grafik klar, stelle für alle Kommunen nach der Gewerbesteuer die zweitwichtigste – nahezu konstante – Einnahmequelle dar.
Noch bevor die zweite Minute des Vortrags überhaupt begonnen hatte, kamen bereits Fragen und Einwürfe aus dem Publikum. In der Grafik hatte jemand einen Fehler entdeckt: statt – wie angegeben – aufgeführter Millionen hätten dort Milliarden Euro bezüglich bundesweit eingenommener Grundsteuer stehen müssen.
Für Dortmund, so Kubo, bedeute dies Einnahmen aus der Grundsteuer von 120 Millionen Euro. Was pro Kopf etwa 200 Euro ausmache.
Die Grundsteuer, erklärte der Referent, berechne sich aus der Steuermesszahl (steht im Grundsteuergesetz), den Einheitswert (wird von den Finanzbehörden festgelegt) und dem Hebesatz (wird von den Kommunen festgelegt und am Ende mit allen anderen Werten multipliziert; bestimme letztlich die Höhe der Grundsteuer).
Die Kommunen können die Höhe der Grundsteuer über den Hebesatz regulieren
In der Presse lese man immer wieder Meldungen, darauf wies der Referent hin, wonach das neue Grundsteuermodell die Kosten um das Dreißigfache (so im Focus gefunden) erhöhen werde.
Kubo gab jedoch zu bedenken: „Wenn die Kommune sich entscheidet, alles so zu lassen, wie es ist, vom Grundsteueraufkommen, dann kann sie das über den Hebesatz (bspw. für Dortmund 610 Prozent) machen.“ Vollkommen unabhängig von der Bundespolitik.
Anhand eines Berechnungsbeispiels kam Thomas Kubo auf einen Grundsteuerbetrag für Dortmund von 640 Euro. Nehme man einen Dreipersonenhaushalt an, bedeute dies ca. 213 Euro pro Person und entspreche damit dem Bundesdurchschnitt.
Thomas Kubo ging auf eine Reihe von Reformvorschlägen hinsichtlich der Grundsteuer ein, die inzwischen aufgekommen sind. Die Bayern favorisierten etwa eine Flächensteuer. Das einzig Interessante sei dann die Gebäudefläche.
Da in der Presse seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts viel geschrieben werde, wobei nicht selten immer wieder die gleichen Vorschläge nur in anderem Gewand diskutiert würden, verwies Kubo auf einen Reader (s.u.) „Mehr Boden für die Grundsteuer“ von Ralph Henger und Thilo Schaefer vom Institut der Deutschen Wirtschaft Köln hin. Mit dessen Hilfe könne jeder hereinkommende Vorschlag anhand dessen selbst bewertet werden.
Neben der Finanzierung des Staates werden der Grundsteuer unterschiedliche Zwecke beigemessen
Es kamen abermals erneute Fragen nach dem eigentlichen Sinn und Zweck des Steuerinstrumentes Grundsteuer auf. Dieser, so erklärte Kubo, diene – wie eben andere Steuern auch – der Sicherstellung der Finanzierung des Staates; ihr würden aber je nach parteipolitischer Färbung auch andere Zwecke beigemessen.
Gehe man etwa aus ökologischer Sicht heran, „dann hat die Grundsteuer den Zweck, den Flächenverbrauch irgendwie zu regeln“, merkte Kubo an. Bestimmte Parameter gäben aber den höheren Ausschlag.
Es kommt also auf normative Setzungen an. Die Argumentation der Initiative „Grundsteuer: Zeitgemäß!“ stelle explizit soziale und ökologische Faktoren in die Vordergrund.
Ein zum Nachdenken anregender Gedankte von Till Strucksberg (Attac)
Till Strucksberg warf etwas Grundsätzliches und zum Nachdenken Anregendes ein: „Grundsteuer oder Bodensteuer gibt es nur in einem System, wo der Boden Privatbesitz ist. Man sollte sich vielleicht vorstellen, dass das nicht sinnvoll ist. Da der Boden ein Grund ist, der allen Menschen gehört. Ein Allgemeingut ist. Dann müsste der gar nicht besteuert werden.“
Kompliziert sei vor allem, fuhr Thomas Kubo mit seinem Vortrag fort, den Wert eines Gebäudes zu bemessen. Nach dem Vorschlag von Bundesfinanzminister Scholz solle das Baujahr plus geschätzte Miete eines Gebäudes eine Rolle spielen. Kubo setzte dem entgegen, dass ja jedes Gebäude gewissermaßen ein „Individualbau“ sei. Demzufolge kann es alt, aber gut im Schuss und renoviert oder eben auch so gut wie abrissreif sein: „Das Baujahr ist vollkommen ungeeignet, um einen ähnlichen Sachverhalt auszudrücken.“
Immer wieder griffen ZuhörerInnen in den Vortrag ein. Ein Herr, der mit Vermietungen Erfahrung hat und regelmäßig entsprechende Auskünfte ans Finanzamt geben muss, fand, die bekämen dadurch schon durchaus wichtige Informationen.
Thomas Kubo: Kaum Mehrarbeit für die Behörden bei Anwendung der Bodenwertkomponente
Nach Thomas Kubo solle die Bodenwertkomponente den Vorzug erhalten. Heranzuziehen wäre die Steueridentifikationsnummer, die jeder Mensch hierzulande hat, und ein Eigentümer – beides führe eindeutig auf eine Person zu.
Die Wohnrichtwerte lägen ebenfalls flächendeckend vor. In Deutschland tagten etwa regelmäßig tausend öffentlich und hoheitlich bestellte Gutachterausschüsse, die die Bodenwerte in Zonen erfassen und dabei relativ genau auf einen entsprechenden Wert kämen. Ziehe man diese Datenwerte hinzu, käme, meinte Kubo, kaum Mehrarbeit auf die Behörden zu.
Abschließend verlieh Referent Thomas Kubo seiner Hoffnung Ausdruck, beim Publikum Interesse für die Bodenwertsteuer geweckt „und das Thema bei Ihnen präsent gemacht zu haben“. Das dürften die Anwesenden bejaht haben. Wenngleich auch der Vorhang geschlossen worden war und so manche Frage hatte offen bleiben müssen. Für reichlich Nachdenkstoff dürfte der Ausflug in die komplizierte Materie aber allemal gesorgt haben.
Hier noch einmal die Vorzüge der Bodensteuer in Kürze, wie sie von deren Befürwortern ins Feld geführt werden: Die Bodensteuer ist gerecht, einfach, entlastet Mieter, spart Flächen, unterstützt die Siedlungsentwicklung und schöpft Bodenwertsteigerungen ab!
Weitere Informationen:
- Aufruf zur Grundsteuerreform; hier:
- Henger/Schaefer: Mehr Boden für die Grundsteuer. Eine Simulationsanalyse verschiedener Grundsteuermodelle; hier:
- Zum Urteil des BverfG; hier:
- Nächste Veranstaltung von Attac Dortmund, DGB Dortmund-Hellweg und Nachdenktreff: „INF-Vertrag erhalten!“ Nur Abrüstung schafft Sicherheit. Referentin: Regina Hagen, Kampagne „Büchel ist überall! Atomwaffenfrei.jetzt“. Montag, 8. April 2019, 19.00 Uhr Auslandsgesellschaft, Steinstraße 48
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