Trotz Türkei-Abkommen sieht die Stadt Dortmund keinen Grund zur Entspannung – Zuweisungen gehen weiter

27 aller in Deutschland ankommenden Asylbewerber durchlaufen die EAE Hacheney.
Szene wie diese spielen dich in der Dortmunder Erstaufnahme derzeit nicht mehr ab.

Die Balkan-Route ist geschlossen, Griechenland bringt die ersten Flüchtlinge zurück in die Türkei. Bedeutet das jetzt eine „Entspannung“ für deutsche Kommunen? Nicht wirklich – zumindest, wenn man die Dortmunder Verwaltungsspitze fragt. Dort rechnet man damit, dass alte und neue Schleuserrouten aktiviert werden. Aktuell gebe es höchstens eine „Verschnaufpause“ – und die auch nur in der Erstaufnahmeeinrichtung (EAE). Denn die kommunale Zuweisung von Flüchtlingen aus Landeseinrichtungen geht vorerst auf hohem Niveau weiter.

Zuweisungen von Flüchtlingen nach Dortmund gehen ungebrochen weiter

Die Stadt richtet derzeit das ehemalige Kreiswehrersatzamt als Einrichtung für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (UMF) her.
Das Sozialamt kann das ehemalige Kreiswehrersatzamt für Flüchtlinge nutzen.

Sozialdezernentin Birgit Zoerner machte deutlich, dass im vergangenen Jahr 4137 Flüchtlinge neu nach Dortmund zugewiesen wurden. Vom 1 Januar bis 1. April diesen Jahres waren es bereits 1966.

„Das sind 151 im Wochendurchschnitt. Da entspannt sich noch nichts“, verdeutlicht Zoerner. Denn auch die Zahl der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge (UMF) liegt aktuell noch bei über 900. Insgesamt sind derzeit rund 8500 Flüchtlinge in Dortmund.

Ohne die EAE wäre die Zahl der kommunal zugewiesenen Menschen noch höher. Denn die Plätze in der Landeseinrichtung werden der Stadt Dortmund angerechnet.

Allerdings hat die Stadt – nach den massiven Herausforderungen in 2015 – für das laufende Jahr ihre Jahresplanung auf Basis von 200 Neuzugängen pro Woche gemacht.

Stadt Dortmund muss nun prüfen, wie viele Reserven sie vorhalten will

Feuerwehr und Johanniter haben die Hallen für Flüchtlinge hergerichtet.
Die Notunterkünfte in den Brügmannhallen sollen leergezogen und abgebaut werden.

„Wir müssen uns jetzt die Karten legen. Doch niemand in Bund und Land möchte eine Prognose abgeben“, verdeutlicht Zoerner das Problem. Daher werden die Planungen für die neuen Übergangseinrichtungen zunächst beibehalten und nicht reduziert.

„Wenn die Zahlen schnell ansteigen, kämen wir mit einer notwendigen Anpassung nicht hinterher. Daher wollen wir Reserven vorhalten. Wir groß die sein sollen, ist allerdings fraglich“, so die Sozialdezernentin.

Die Traglufthallen gehen jetzt ans Netz. Außerdem steht das ehemalige Kreiswehrersatzamt künftig auch für die Unterbringung von kommunal zugewiesenen Flüchtlingen zur Verfügung, nachdem das Jugendamt das Gebäude nicht mehr für in Obhut genommene Minderjährige benötigt. Am Donnerstag können sich Interessierte von 15 bis 17 Uhr das Gebäude in der Leuthardstraße anschauen.

In diesem Monat will die Stadt daher auch die Brügmann-Sporthallen wieder leerziehen. Nach einer Begehung mit dem Stadtsportbund wird entschieden, ob die Hallen nach einer Grundreinigung sofort wieder dem Sport zur Verfügung gestellt werden können.

Auch im Revierpark Wischlingen werden keine Flüchtlinge mehr untergebracht. Die Unterbringung dort war ohnehin nur für Zeiten außerhalb der Veranstaltungsbetriebs geplant.

Kein Grund zur Entspannung: Stadt rechnet mit neuen Schlepperrouten

In den beiden Traglufthallen auf der Stadtkrone-Ost sollten 600 Flüchtlinge untergebracht werden.
In den beiden Traglufthallen auf der Stadtkrone-Ost können 600 Flüchtlinge untergebracht werden.

„Es gibt aber keinen Grund zur Entspannung“, unterstreicht OB Ullrich Sierau. Denn auch jetzt liege Dortmund noch über den 2014er Zahlen. Sie waren der Grund, auf Krisenmodus umzustellen.

„Wir sind der Auffassung, dass das jetzt nur ein Zwischentief ist. Schlepper werden neue Routen suchen“, so der OB. „Das Türkeiabkommen wird nicht sehr lange halten können – das ist meine ganz persönliche Meinung“, ergänzt Diane Jägers.

Schlepper hätten längst alternativen Routen fertig. So setze der sogenannte Islamische Staat (IS) auf eine Route über Libyen, Malta und Italien – „sie wollen damit ihren Terror finanzieren“ so Jägers. Diese Route gab es schon 2014. „Das sind erprobte Strukturen.“

Außerdem werde es weitere Routen unter Umgehung des Westbalkans geben. „Anzunehmen, dass wir einen Rückgang haben werden, bedeutet die Realität zu verkennen“, betont die Rechtsdezernentin. „Jetzt ist das nur eine Frage der Witterung und der Passierbarkeit des Mittelmeeres. Wie hoch der Anstieg wird, werden wir nicht beantworten können.“ Sicher ist sie sich, dass die Flüchtlingszahlen nicht auf die Werte von 2013/14 zurückgehen werden.

166.000 Menschen gingen im vergangenen Jahr durch die Landeseinrichtung

Auf dem Parkplatz F2 neben dem Westfalenpark ist die EAE errichtet worden.
Auf dem Parkplatz F2 neben dem Westfalenpark ist die EAE errichtet worden.

Im vergangenen Jahr gab es in der Erstaufnahme für Flüchtlinge des Landes NRW in Hacheney bzw. ab Herbst 2015 an der Buschmühle insgesamt 166.000 Zugänge. Das Jahr 2016 begann zudem mit einer deutlichen Steigerung der ankommenden Flüchtlinge..

Dann verzeichnete die Stadt Dortmund ein deutliches Absinken der Neuankommenden durch die Schließung der Balkan-Route. Seitdem ist die EAE maximal zu einem Viertel belegt. Die Beschäftigten nutzen die Zeit, um notwendige Arbeiten zu erledigen und auch Überstunden abzubauen.

Außerdem werden die Veränderungen durch das Datenaustauschverbesserungsgesetz durchgespielt. So gilt es, Andockstellen zum Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) zu schaffen.

„Das machen wir als Trocken-Skikurs. Weder haben wir die Erfassungsgeräte noch die abgestimmten Abläufe mit Land und Bund“, skizziert Diane Jägers die Herausforderungen.

Sie ist nicht sehr zuversichtlich, dass das vernetzte Arbeiten vor Herbst 2016 gelingen werde. „Es hat acht Jahre nicht funktioniert. Jetzt wird mit Hochdruck zwischen allen Körperschaften gearbeitet.“ Doch noch immer gebe es Brüche zwischen den unterschiedlichen Datenbanken von Stadt, Landes- und Bundesbehörden.

Daher müssten vorerst weiterhin alle Daten und Fotos mehrfach erfasst werden. „Aus allem, was wir erleben, werden wir lernen. Die Erkenntnisse werden an das Land zurückgespiegelt. Dort rauchen die Köpfe“, so Jägers.

Dortmund ist keine Drehscheibe mehr für ankommende Flüchtlings-Züge

Am Sonntag werden in Dortmund drei Flüchtlingszüge erwartet. Der erste Zug brachte 800 Menschen, die im DKH versorgt und dann landesweit verteilt wurden.
AIn Dortmund werden keine Flüchtlingszüge mehr ankommen.

Klar ist nur, dass Dortmund keine NRW-Drehscheibe mehr für ankommende Züge für Flüchtlinge ist. „Es werden keine weiteren Züge kommen – der letzte Einsatz war bereits am 20. Februar.

Drehscheibe ist nur noch Düsseldorf“, berichtet OB Ullrich Sierau. Die provisorische Einrichtungen auf dem Parkplatz an der Ardeystraße werden abgebaut.

Wenig positiv laufen die Abstimmungen mit dem BAMF. Das Bundesamt, welches für die Bearbeitung der Asylanträge zuständig ist, wird nun endgültig nicht in die EAE an der Buschmühle einziehen. Ob sie in die geplante neue Erstaufnahme in Huckarde ziehen werden, ist Zukunftsmusik.

Absoluter Zugang von Asylsuchenden in der EAE in Dortmund seit 2013. (Stand: 4. April 2016)
Absoluter Zugang von Asylsuchenden in der EAE in Dortmund seit 2013. (Stand: 4. April 2016)

 

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