Von Klaus Winter
Vor rund zwanzig Jahren veröffentlichte der BVB-Historiker Gerd Kolbe sein Werk Der BVB in der NS-Zeit. Es war die erste umfassende Arbeit, mit der die Geschichte eines führenden Sportvereins in der Ära der Nationalsozialisten aufgearbeitet wurde.
Anfertigung einer neuen Studie war wichtig
Die Forschung zum Nationalsozialismus hat sich seitdem weiterentwickelt, so Dr. Reinhold Lunow, Präsident des BVB, in seinem Geleitwort eines frisch erschienenen Buches, das erneut die Geschichte des BVB im NS-Staat unter die Lupe nimmt.
Deswegen, so Lunow weiter, sei es wichtig gewesen, eine neue Studie in Auftrag zu geben und die nun verfügbaren Quellen einzubeziehen. Diese Aufgabe übernahmen Rolf Fischer und Katharina Wojatzek.
Autoren-Duo stellte sich der Aufgabe
Der Historiker und freie Mitarbeiter der Gedenkstätte Steinwache Rolf Fischer veröffentlichte u. a. 2015 das Gedenkbuch Verfolgung und Vernichtung. Die Dortmunder Opfer der Shoa. Katharina Wojatzek ist wissenschaftliche Mitarbeiterin des Stadtarchivs.
Das Autoren-Duo widmete sich dem Thema mit Akribie und begann natürlich mit einem Rückblick auf die Entstehung des Fußballsports in Dortmund und die Gründung des BVB in seinem sozialen und wirtschaftlichen Umfeld rund um den Borsigplatz.
Hoesch-Viertel bescherte NSDAP häufig nur vierte Plätze
Die im Hoesch-Viertel lebende Bevölkerung gehörte überwiegend dem Arbeitermilieu an. In politischer Ausrichtung war sie sozialdemokratisch oder kommunistisch orientiert.
Ein hoher katholischer Bevölkerungsanteil sorgte dafür, dass auch die Zentrumspartei bei Wahlen oft gut abschnitt.
Die NSDAP konnte hier bei Wahlen oft nur den vierten Platz hinter Kommunisten, Sozialdemokraten und Zentrum erringen. In der Stadt galt der BVB als „linker“ Fußballverein.
Der BVB galt im 3. Reich als linker Verein
Tatsächlich konnte anhand einer Stichprobe nur eine geringe Anzahl NSDAP-Mitglieder im Verein festgestellt werden. Damit nahm der BVB eine Sonderstellung in einer Reihe untersuchter Fußballklubs ein.
Die bereits kurz nach der sogenannten Machtübernahme eingeleitete Umstellung der traditionellen Vereinsführung auf das Führerprinzip verlief nach den Erkenntnissen der Buchautoren relativ geräuschlos.
Interessant ist die Feststellung, dass kein Mitglied der Vereinsspitze zwischen 1933 und der ersten Mitgliederaufnahmesperre der NSDAP einen Antrag auf Eintritt in die Partei gestellt hatte.
Der Vereinsführer wurde erst 1940 NSDAP-Mitglied
Auch der Vereinsführer August Busse beantragte erst 1940 seine Aufnahme in die NSDAP.
Das geschah vermutlich vor dem Hintergrund, dass eines der wenigen aktiven NSDAP-Mitglieder, das der BVB-Vereinsspitze bisher politisch den Rücken freigehalten hatte, Wilhelm Röhr, 1939 aus allen NS-Organisationen ausgetreten war.
Der BVB war in der Zeit zwischen der Machtübernahme der Nationalsozialisten bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges kein NS-Vorzeigeverein. Sein Ruf als „linker“ Verein mit Kerngebiet im Arbeitermilieu hatte wohl verhindert, dass lokale NS-Größen überhaupt Interesse an dem Verein zeigten.
Der Verein hatte sich mit den Verhältnissen arrangiert
Der Verein hatte sich mit den Verhältnissen der Zeit arrangiert. Er hatte Mitglieder, die auch die Mitgliedschaft der NSDAP besaßen, Spieler trugen auf ihren Trikots Reichsadler mit Hakenkreuz und zogen in den Reihen der Wehrmacht in den Krieg.
In den Reihen des BVB hatten auch Widerstandskämpfer gestanden. Zu ihnen gehörten Fritz Weller und Franz Hippler. Der heute bekannteste von ihnen war Heinrich Czerkus, Platzwart des BVB-Spielplatzes an der Wambeler Straße.
Rolf Fischer und Katharina Wojatzek haben die Ergebnisse ihrer Forschung in verständlicher und spannender Form zusammengefasst. Die Lektüre dieses Buches mit zum Teil unbekannten Fotos kann jedem an der Geschichte seiner Stadt interessierten Dortmunder nur empfohlen werden.
Mehr Informationen:
Das 256 Seiten starke Buch Borussia Dortmund in der Zeit des Nationalsozialismus 1933-1945 ist im Metropol Verlag, Berlin, erschienen und für 24 Euro im Buchhandel erhältlich.
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