Nach dem gewaltsamen Tod von zwei obdachlosen Männern durch die Polizei und einen Minderjährigen in der vergangenen Woche wurde nun bekannt, dass vor wenigen Tagen das Nachtlager einer obdachlosen Frau bewusst angezündet worden ist. Die Polizei ermittelt in diesem Fall wegen versuchten Mordes aus Heimtücke. Vor dem Hintergrund dieser geballten Ereignisse ist es aus Sicht der Grünen deshalb mehr als überfällig, die Sicherheit obdachloser Menschen in Dortmund in den Mittelpunkt des politischen Handelns zu rücken.
Perspektivwechsel gefordert: Schutzbedürftigkeit sehen statt Verdrängung fordern
„Wir sind zutiefst erschüttert über alle diese dramatischen Vorfälle. Ihre rechtliche Aufarbeitung ist das eine, die Sorge vieler obdachloser Menschen um ihren Schutz das andere“, betonen die Sprecher:innen der Grünen-Fraktion, Katrin Lögering und Christoph Neumann, in einer schriftlichen Stellungnahme die aktuelle Situation.
In den letzten Jahren sei viel über die Verdrängung obdachloser Menschen aus der City geredet und diskutiert worden. Auf Dauer laufe man damit Gefahr, dass solche Diskussionen das Bild von Obdachlosen prägten.
„Statt zunächst die menschlichen Aspekte und die Schutzbedürftigkeit der Personen zu sehen, werden sie damit eher als Belästigung oder von einigen Menschen anscheinend sogar als rechtlos wahrgenommen. Wir setzen uns dafür ein, Diskriminierung und Stigmatisierung gegenüber wohnungs- und obdachlosen Menschen auch durch eine gezielte öffentliche Kampagne der Stadt zu bekämpfen“, heißt es weiter.
Neben einem Perspektivwechsel brauchen wir darüber hinaus aber dringend eine Strategie, um ihre Sicherheit besser zu gewährleisten, als das aktuell anscheinend geschieht. Statt der Verdrängung muss die Sicherheit und Unterstützung obdachloser Menschen in den Mittelpunkt der politischen Diskussion rücken“, so die beiden Fraktions-Sprecherinnen.
Sozialausschuss soll sich mit dem Thema beschäftigen – Projekt „Housing first“ wird vergeben
Für die nächste Sitzung des Sozialausschusses hat die Ratsfraktion der Grünen deshalb bereits einen entsprechenden Tagesordnungspunkt angemeldet. Dabei soll es auch darum gehen, wie die Verwaltung mit dem Beschluss des Rates umgeht, einen Aktionsplan zur Überwindung von Obdachlosigkeit zu erarbeiten. Auf Antrag von Grünen und CDU wurden dabei zunächst 75.000 Euro in den Haushalt eingestellt, um analog des Nationalen Aktionsplans auch für Dortmund einen entsprechenden Plan zu erstellen.
Für die Sprecher:innen des Grünen-Kreisverbandes, Hannah Rosenbaum und Marek Kirschniok, steht fest: „Der beste Schutz vor Gewalt auf der Straße ist eine eigene Wohnung. Deshalb ist der Aktionsplan zur Überwindung von Obdachlosigkeit so wichtig. Denn es braucht ein Update der Wohnungslosenhilfe, um sich nicht in kleinen (wenn auch notwendigen) Maßnahmen zu verlieren, sondern den Blick auf die eigentliche Aufgabe zu lenken: Obdachlosigkeit mit Maßnahmen wie Housing First zu begrenzen und den betroffenen Menschen eine neue Perspektive zu geben.“
Nach langer Verzögerung des Projekts „Housing first“ durch die Verwaltung hatte der Sozialausschuss im letzten Jahr beschlossen, die Umsetzung des Projekts zur Beschaffung von Wohnraum für Obdachlose sowie ihre Begleitung und Unterstützung an einen geeigneten Träger zu vergeben. Die Verwaltung rechnet noch im April mit einem Ergebnis der Ausschreibung.
„Die Ereignisse der letzten Tage haben gezeigt, wie wichtig eine eigene Wohnung auch als Schutz vor Gewalt sein kann. Bis aber wirklich jeder Mensch, der es möchte, auch eine eigene Wohnung hat, müssen wir in Dortmund besser am Schutz von Menschen auf der Straße arbeiten“, so Hannah Rosenbaum und Marek Kirschniok abschließend.
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Stefan Schneider
Interessant ist, dass schon wieder ÜBER obdachlose Menschen gesprochen wird und nicht mit ihnen.
In einer Stellungnahme zum geplanten Nationalen Aktionsplan gegen Wohnungslosigkeit haben obdachlosigkeitserfahrene Menschen aus dem Netzwerk der Wohnungslosenstiftung klar formuliert, was sie wollen:
Wohnungen (und selbstbestimmte Wohnformen) statt zwangsgemeinschaftliche Massennotunterkünfte. Wohnungen stehen leer.
Nur eine eigene Wohnung ist ein adäquater Schutz vor der Gewalt auf der Straße gegenüber obdachlosen Menschen!
Diese Art der Hilfe müsste nicht sein.
http://www.wohnungslosenstiftung.o...
Stefan Schneider, Wohnungslosen_Stiftung
Es geht los: Housing First kommt! Erfolg für Grüne und CDU (PM)
Bereits im Mai 2021 hatte der Rat auf Antrag der Fraktionen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und LINKE+ beschlossen, die Dortmunder Wohnungslosenhilfe um den Ansatz „Housing First“ zu ergänzen. Nach Widerständen in den letzten Jahren ist es nun so weit: In der letzten Sitzung des Sozialausschusses hat die Verwaltung mitgeteilt, dass die GrünBau gGmbh die Umsetzung von Housing First in Dortmund übernehmen wird. Das hatte eine entsprechende Ausschreibung der Stadt ergeben.
„Die Umsetzung von Housing First ist für uns GRÜNE eine der wichtigsten sozialpolitischen Maßnahmen dieser Wahlperiode. Sie ergänzt die Hilfen für wohnungslose Menschen in unserer Stadt um einen bisher fehlenden Baustein. Es hat lange gedauert und es gab einige Widerstände der Verwaltung, aber jetzt ist klar, das Housing First ganz konkret umgesetzt wird. Mit GrünBau haben wir damit einen erfahrenen Dortmunder Partner an der Seite, der seit Jahrzehnten mit vielen Projekten daran arbeitet, Menschen auf dem Weg in ein selbstbestimmtes Leben zu unterstützen“, freut sich Ulrich Langhorst, GRÜNER Vorsitzender des Sozialausschusses.
In vielen Städten wird Housing First bereits umgesetzt. Das Konzept stellt den herkömmlichen Ansatz der Wohnungslosenhilfe auf den Kopf: Statt Wohnungslose erst nach Durchlauf mehrerer Stufen mit unterschiedlich intensiver Begleitung Wohnraum anzubieten, steht bei „Housing First“ die eigene Wohnung gleich am Anfang des Verfahrens. Über die eigene, geschützte Wohnung sollen die Probleme gelöst werden, die zur Wohnungslosigkeit geführt haben. Die eigene Wohnung wird bei „Housing First“ zum Ausgangspunkt für Hilfen zur Wohnstabilität, zur sozialen Integration und gesellschaftlichen Teilhabe.
Die Beschaffung von Wohnraum ist deshalb eine wesentliche Aufgabe. GRÜNE und CDU hatten mehrfach darauf gedrängt, dass auch aus dem Bestand der DOGEWO21 sowie des städtischen Wohnraumvorhalteprogramms Wohnungen für Housing First zur Verfügung gestellt werden.
Jenny Brunner, GRÜNES Mitglied im Sozialausschuss: „Mit dem ebenfalls beschlossenen Aktionsplan zur Überwindung der Obdachlosigkeit wollen wir erreichen, dass sich die Wohnungslosenhilfe, nicht in kleinen – wenn auch notwendigen – Maßnahmen verliert, sondern den Blick auf die eigentliche Aufgabe lenkt: Obdachlosigkeit zu überwinden und den betroffenen Menschen eine neue Perspektive zu geben. Housing First ist dabei ein wichtiger Baustein. Das ist unsere GRÜNE Vorstellung von konkreter Solidarität in unserer Stadt.“
Thomas Bahr, Sprecher der CDU-Fraktion im Sozialausschuss, hebt mit Nachdruck hervor, dass der Start von „Housing First“ mit GrünBau gGmbH für die CDU einen bedeutenden Meilenstein darstellt. „Es ist ein großer Schritt nach vorne, dass dieses dringend benötigte Konzept endlich in die Umsetzung geht,“ betont Bahr. „Seit Februar 2021 hat die Politik immer wieder durch Anfragen und Anträge daran erinnern müssen, dass Housing First beschlossen wurde und umgesetzt gehört. Dass wir nun endlich diesen Durchbruch feiern können, gibt Anlass zur Hoffnung, dass sich die Situation vieler wohnungsloser Menschen in unserer Stadt bald nachhaltig zum Besseren wendet.“
Mit der Verwirklichung von Housing First gehe man einen neuen, menschlicheren Weg im Umgang mit Wohnungslosigkeit, der den Menschen in den Mittelpunkt stellt und direkte, dauerhafte Lösungen schafft. „Dieses Projekt markiert eine neue Ära der sozialen Verantwortung und Fürsorge,“ fügt Bahr hinzu. „Die CDU wird den Fortschritt aufmerksam begleiten und sich weiter dafür einsetzen, dass Housing First als Wegweiser für eine erfolgreiche Wohnungslosenhilfe etabliert wird.“