„Wir schlagen dich tot“ oder „was sollen die Nachbarn nur denken“, waren die Antworten die, die junge Mandy Walczak, in den fünfziger Jahren groß geworden, von ihren Eltern bekam. Die Nordstädterin hat ihnen im Alter von dreizehn Jahren erzählt, dass sie sich als Mädchen im Körper eines Jungen fühlt. „Meine Eltern haben gedacht, ich würde schwul werden“.
Transidente werden als Mädchen im Körper eines Jungen oder andersherum geboren
Entgegen landläufiger Meinung hat Transidentität wenig mit Sexualität und auch nichts mit einer sexuellen Ausrichtung auf ein bestimmtes Geschlecht zu tun. Sie sind weder explizit schwul oder lesbisch.
Lange Jahre hat Mandy Walczak dann diese Rolle als Mann gespielt, sogar geheiratet und eine Tochter bekommen. Mit 53 Jahren hat sie sich zu ihren wahren Identität bekannt und als Transidente geoutet.
„Transidente sind Menschen die mit einer Psyche geboren werden, entgegen ihren optischen Geschlechtsmerkmalen. Als Mädchen im Körper eines Jungen oder andersherum. Eingeordnet nach den biologischen Geschlechtsmerkmalen wird ihnen eine verkehrte geschlechtsspezifische Erziehung zuteil. Der Beginn einer jahrelangen Leidenszeit, die manchmal im Suizid endet.“ heißt es auf der Homepage von Lili Marlene.
Frühes Erkennen der Transidentität kann jungen Menschen helfen ein glückliches Leben zu führen
Dass dieses Schicksal transidente Kinder und Jugendliche nicht mehr teilen müssen, dafür kämpfen Mandy Walczak von TransBekannt und Tanja Lindner von Lili Marlene mit ihren Dortmunder Selbsthilfe-Organisationen.
Eine frühzeitige Erkennung der Transidentität (mithilfe eines fachkundigen Kinderpsychogogen) und eine entsprechende Behandlung hilft den jungen Betroffenen ein Leben gemäß ihres empfundenen Geschlechts zu leben. Hormonbehandlungen in der Pubertät sorgen dafür, dass sich der Körper in Richtung des empfundenen Geschlechts entwickelt und die Menschen nicht mehr als Transidente erkennbar sind und somit ein glückliches Leben führen können.
Denn das Leben als Transidenter kann sich zu einem dauerhaften Spießrutenlauf entwickeln. Sei es beim Gang auf die Toilette, in Umkleidekabinen oder beim Ausfüllen von Formularen. Die Vorurteile und Anfeindungen gegenüber Transidenten enden sogar in körperlicher Gewalt und Mord.
„Transgender Day of Remeberance“ erinnert seit 1999 an die Opfer transphobisch motivierter Gewalt
An die die Ermordeten durch transphobisch motivierte Gewalt erinnert der „Transgender Day of Remeberance.“ Seit 1999 wird am 20 November an die Opfer gedacht.
An die Ermordeten durch transphobisch motivierte Gewalt erinnert der „Transgender Day of Remeberance.“ Seit 1999 wird am 20. November an die Opfer gedacht. Auf der Homepage sind allein 226 Morde weltweit in den letzten zwölf Monaten verzeichnet.
Zusammen mit anderen Transidenten und Unterstützerinnen und Unterstützern hissten Mandy und Tanja am Rathaus die Regenbogenfahne. Tanja Lindner und ihre Aktiven von Lili Marlene mussten sogar einmal eine Weihnachtsfeier unter Polizeischutz in ihrem Hörder Ladenlokal feiern. Zuvor waren Drohbriefe eingegangen. Weitere Drohanrufe folgten.
„Ursache für Anfeindungen von transidenten Menschen sind neben fehlendem Wissen vor allem Vorurteile und Ignoranz: Transgeschlechtlichkeit ist keine Krankheit.“ erklärt Susanne Hildebrandt von der städtischen Koordinierungsstelle für Lesben, Schwule und Transidente. Die Stelle wurde 2011 in Dortmund eingerichtet und ist eine der wenigen kommunalen Einrichtungen dieser Art in Deutschland.
Dortmunder Selbsthilfegruppen wollen über die Beratung von Betroffenen hinaus, auch Aufklärung über die Situation Transidenter in der Gesellschaft betreiben
Viele der Transidenten die heute zum Hissen der Regenbogenfahne gekommen sind, „haben den Weg erst später gemacht“, erklärt Mandy Walczak. So auch Sabrina Damerow, die sich erst im Frühjahr diese Jahres zu ihrer Identität bekannt hat und nun glücklich damit ist.
Allen anwesenden Frauen ist ihr angeborenes biologisches Geschlecht noch anzusehen. Seien es breite Schultern oder auch große kräftige Hände. „Wir kämpfen dafür, dass das früher möglich wird“, ergänzt die Nordstädterin Walczak in Hinblick auf ein möglichst rechtzeitiges Erkennen und Akzeptieren der Transidentität.
So bestehe dann eben die Möglichkeit, dass durch den Einsatz von Hormonblockern in der Jugend, die Pubertät künstlich herausgezögert werden kann. Das gibt Betroffenen zum Einen mehr Zeit, und zum Anderen werden dadurch später die ggf. nötigen medizinischen Maßnahmen zur Geschlechtsanpassung verringern. Ein Kind, welches sich als Mädchen fühlt, aber mit männlichen Geschlechtsorganen geboren ist, leidet ungemein unter der Ausbildung der männlichen Körperbehaarung, der tieferen Stimme und generell dem Ausbilden der Geschlechtsmerkmale. Gerade das führt zu einer extremen Ablehnung des eigenen Körpers.
Dass dieser Kampf und der Kampf gegen Unwissenheit und Unkenntnis, Benachteiligung und Gewalt noch dauern wird, wissen alle der Anwesenden, die in eine „fremde Haut“ geboren wurden. Unterstützt werden sie an diesem Tag vom Respektbüro des Jugendamtes, der Lesbenberatungsstelle LEBEDO und der Städtischen Koordinierungsstelle.
Infos und Hilfsangebote zum Thema Transidentität:
Transidenten Lebenshilfe Lili Marlene
Transbekant e. V.
SLADO e. V
Lesben, Schwule & Transidente auf Dortmund.de
Kampagne: andersundgleich – Nur Respekt wirkt