Kunst im öffentlichen Raum, das sind nicht länger nur Skulpturen oder Plastiken, Brunnen oder Denkmäler und in jüngerer Zeit Graffiti bzw. Street Art. Auch digitale Kunstformen zieht es in den realen, den öffentlichen Raum. Was macht sie aus? Gehört ihnen die Zukunft? Wir haben mit Harald Opel gesprochen, künstlerischer Leiter des kiU im Dortmunder U.
„Mit 3D haben wir uns neue Erzählweisen erschlossen“
Harald Opel ist seit 2017 künstlerischer Leiter des storyLab KiU, einem Forschungsprojekt der FH Dortmund mit Sitz im Dortmunder U. Mit seinem Team forscht er zu Erzählstrategien im Zusammenhang mit neuen Technologien und Präsentationsformen.
Opel kommt vom Film, aber 2D war ihm irgendwann zu langweilig. „Mit 3D haben wir uns neue Erzählweisen erschlossen“, so Opel und er sieht hier auch die „Basis für künftige Kunstformen“.
Kunstformen, von denen er meint, dass sie nicht nur im stillen Kämmerlein, als Welt hinter der VR-Brille oder im Netz stattfinden sollten, sondern auch im realen Raum, im öffentlichen Raum. ___STEADY_PAYWALL___
„Den digitalen Projekten scheinen erst einmal keine Grenzen gesetzt zu sein“
Wie das aussieht, konnte man bereits vor einigen Jahren im NRW Forum Düsseldorf erleben. Dort fand 2021 die erste Augmented Reality Biennale weltweit statt.
Augmented Reality (AR) bedeutet, dass der Realität ein virtuelles Element hinzugefügt wird. Im Park des NRW Forums bewunderten Besucher:innen mit Hilfe ihrer Handys und einer besonderen APP digitale Objekte, die scheinbar zwischen den Bäumen schwebten.
Digitale Kunst, integriert in den physischen Raum – das bedeutet auch Auf- und Abbau ohne große Genehmigung, keine Pflege bei Sachbeschädigung, jederzeit zugänglich für alle. Toll, oder? Opel: „Ja, diesen Projekten scheinen erst einmal keine Grenzen gesetzt zu sein. Eine Limitierung besteht aber in der Technik. Netzzugang, Datenvolumen, Gerätestandard – das bestimmt die Qualität der Arbeit und des Erlebnisses. Kaum einer hat Bock sich extra eine App runter zu laden, aber das ist vielleicht eine Generationenfrage.“
Wenn es Spaß macht, sind viele dabei. Bereits 2016 bewegten sich die Menschen durch die Stadt und jagten Pokémons – auch in Dortmund. Warum sollten sie also nicht einen Parcours mit Kunstwerken aufsuchen? Und könnte man dann nicht Werke aus aller Welt an vielen Orten parallel zeigen? So einfach ist es nicht, findet Opel, denn „aus künstlerischer Perspektive gestalte ich noch immer den Raum. Ich denke szeneografisch. Die reale Umgebung ist keineswegs egal. Es muss passen, zum Ort oder auch zum Gebäude.“
Mapping erfordert eine intensive Auseinandersetzung mit der Umgebung
Das gilt besonders für eine weitere Form der digitalen Kunst: das Fassaden-Mapping. Hier werden Bilder passgenau auf Gebäude projiziert, die dann in vielerlei Hinsicht in neuem Licht erscheinen.
„Das erfordert einen intensive Auseinandersetzung mit der Umgebung, der Architektur, der Ausstrahlung des Ortes“, erklärt Opel. Aktuell arbeitet das storylab an einer Idee für die Reinoldikirche – ein Gebäude, das aus seiner Sicht „eine besondere Form des Respekts verlangt.“
Seit mehr als zehn Jahren gibt es bereits solche Mappings – ein Dortmunder Highlight war sicher die Museumsnacht 2023. 11.000 Menschen sahen „What is Europe?“ an der Süd-West Fassade des Dortmunder U. Wie geht das?
„Basis für das Projekt ist ein 3D Scan vom U. Daraus entstand ein Bild, das auf die Fassade projiziert wurde. Diese Bild bearbeiten wir und beginnen so das Gebäude scheinbar in Bewegung zu versetzen, zu zerlegen, aufzulösen und neu entstehen zu lassen. Jeder Pixel ist genau auf die Architektur abgestimmt. Das Ganze bildet dann die Fläche für eine neue Erzählung.“
„Es muss immer einen Mehrwert geben.“
Drei Monate hat ein 10-köpfiges Team daran gearbeitet und hier ging natürlich nichts ohne Genehmigungen: der Stadt, der Eigentümer, der Anwohner. Bildrechte, Lichtintensität, Lautstärke – und dann die Beamer. Acht Projekttoren waren notwendig, um das gewünschte Ergebnis zu erzielen. „Solche Projektoren kosten bei Kauf an die 120.000 Euro pro Stück“, weiß Opel. Für Proben und den Abend waren sie insgesamt mit 80.000 Euro Miete dabei.
Günstiger als „Figur auf Marmorsockel“ sind die neuen Künste also nicht unbedingt. Und es ist viel Aufwand für ein relativ kurzes Erlebnis. Andererseits: Wann erreicht man schon mal auf einen Schlag so viele Menschen zu einem sehr aktuellen Thema? „Es muss immer einen Mehrwert geben,“ darauf besteht auch Opel. „Es geht uns hier nicht um Show und Event.“
Die Arbeit des KiU ist ein Mix aus Forschung und Lehre und Opel weiß zu schätzen, „dass die Fachhochschule hier ins Risiko gegangen ist. Aber es hat sich gelohnt. Heute bekommen wir Besuch von Filmhochschulen aus Düsseldorf oder auch München, die sich ansehen, was wir hier machen.“
Und er ist überzeugt: „Die neuen Medien, haben die Möglichkeit uns anders an Themen heranzuführen, uns Erfahrungen machen zu lassen, die uns sonst nicht möglich sind. Hier liegt für mich das eigentliche Potenzial.“
Neue Erfahrungswelten beim Next Level Festival erkunden
Beim kommenden Next Level Festival (14 bis 17.11.2025) wird das KiU daher u.a. mit dem Projekt „Ndinguwe“ dabei sein. Das findet dann zwar mit VR-Brille und im Raum, dem Projektspeicher am Hafen, statt, steht aber exemplarisch für die Philosophie der KiU Macher:innen.
„Ndinguwe (Ich bin du)“ beschäftigt sich mit der Selbstwahrnehmung diskriminierter Menschen. Teilnehmende schlüpfen über einen Avatar in eine neue Rolle und erfahren, wie es wäre, wenn sie zum Beispiel nur einen Arm hätten oder eine andere Hautfarbe.
„Uns interessiert, ob der Avatar als Brücke für Identifikation, Empathie oder Ablehnung funktioniert“, erläutert Opel. „Denn wenn Sie sich in anderen Rollen sehen und etwas über die eigene Wahrnehmung lernen, dann können Sie diese auch verändern.“
So gesehen, wäre die digitale Welt dann also kein Fluchtpunkt, sondern ein Wendepunkt. Opel: „Die digitale Welt, kann die analoge nicht ersetzen.“ Und zwischen den Welten lässt sich offenbar noch viel entdecken.
Weitere Information im Netz:
Über das storyLab kiU und zum Next Level Festival Das Festival für Games, interaktive Kunst und digitales Theater findet vom 14. bis 17. November 2024 an fünf ausgewählten Spielorten in Dortmund statt.
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