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Verhütungsmittel kosten Geld und das nicht gerade wenig. Für eine Hormonspirale kann eine Frau zwischen 250 und 400 Euro bezahlen. Kosten, die nicht jeder tragen kann. Doch wer zahlt, wenn das Geld für die Verhütungsmittel nicht mehr reicht? Wir haben mit Yevgeniya Yablonska, Schwangerschaftsberaterin der Beratungsstelle Westhoffstraße, gesprochen.
12 Jahre hilft der Verhütungsmittelfonds schon bedürftigen Dortmunder:innen
Pille, Kondom, Spirale – für Menschen, die nicht vor der Familienplanung stehen kaum wegzudenken. Doch ist es für viele Geringverdienende auf Dauer schwierig, die Kosten für Verhütungsmittel zu stemmen. Da kommt der Verhütungsmittelfonds für bedürftige Dortmunder:innen ins Spiel: Seit 2012 hilft dieser Fonds Betroffenen bei der Zahlung ihrer Verhütungsmittel.
Der Zusammenschluss Dortmunder Beratungsstellen habe lange für den Verhüttungsmittelfonds gekämpft. Denn früher konnten die Menschen, die Sozialhilfe bekommen haben, auch Verhütungsmittel beantragen. Das fiel dann irgendwann weg.
Yablonskas Vorgänger:innen, von denen die meisten mittlerweile in Rente gegangen sind, fiel dieser Missstand auf: „Die haben hart dafür gekämpft, weil die gesagt haben, das ist kein Zustand.
Das ist ja relativ teuer und unerwünschte Schwangerschaften sind schrecklich für die Frauen“. Zu Anfang betrug der Verhütungsmittelfonds 50.000 Euro im Jahr. Dann wurde er erhöht. Der Betrag liegt seit 2020 bei 80.000 Euro im Jahr. Geld, welches von vielen Frauen in Anspruch genommen wird.
„Im letzten Jahr haben wir glaube ich 170 Anträge gehabt. Der Fonds wurde wirklich ausgeschöpft“, verrät Yablonska. Der Betrag des Verhütungsmittelfonds wird auf drei Beratungsstellen aufgeteilt: Beratungsstelle Westhoffstraße, Donum vitae und der AWO. Betroffene haben die Möglichkeit bei einer der drei Beratungsstellen einen Termin zu vereinbaren und einen Antrag zu stellen.
Wer alles einen Anspruch auf den Dortmunder Verhütungsmittelfonds hat
Bei den Betroffenen handelt es sich um Menschen, denen es finanziell nicht gut geht. Also Menschen die Transferleistungen beziehen. Auch Student:innen die Bafög bekommen, haben ein Recht auf den Fonds. Es gibt aber auch Menschen, die keine Transferleistungen beziehen, sich dennoch in einer finanziellen Notlage befinden.
Diesen rät Yablonska den Kopf nicht direkt in den Sand zu stecken: „Da gibt es so eine Berechnungsgrundlage, auf dessen Basis wir noch prüfen können, ob es denen finanziell schlecht geht“.
Neben der wirtschaftlichen Bedürftigkeit, muss als weiteres Anspruchskriterium auch eine besonders schwerwiegende soziale Notlage vorliegen. Diese sollte durch körperliche, geistige oder psychische Einschränkungen gekennzeichnet sein. Es können aber auch besonders belastende Lebensumstände sein. Die Mitarbeiter:innen der Beratungsstellen schätzen dann ein ob die Hilfeleistung gerechtfertigt ist. Zudem betont Yablonska, dass der Fonds nur für in Dortmund gemeldete Menschen bestimmt ist.
Sehr überraschend: Auch Männer können einen Antrag stellen. „Ich hatte hier tatsächlich auch schon Männer, die sich haben sterilisieren lassen. Die haben gesagt, okay, ich mache das jetzt weil alles andere für meine Frau untragbar ist. Das passiert aber relativ selten“, erzählt die Schwangerschaftsberatung.
Außer Kondome werden alle Verhütungsmittel bezuschusst
Sie betont aber auch, dass ein alleinstehender Mann, der sagt „ich will mich sterilisieren lassen“ die Kosten selbst tragen muss. Nur Männer, die sich innerhalb einer langen Partnerschaft befinden, haben die Möglichkeit einen Antrag zu stellen. „Dann ist es auch eine Verhütung für die Frau“, erklärt Yablonska.
Neue Studiendaten der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung zum Verhütungsverhalten Erwachsener zeigen, dass das Kondom deutlich häufiger zur Verhütung genutzt wird als die Pille. Doch ist genau das Kondom das einzige Verhütungsmittel, welches nicht bezuschusst wird.
Nur bei empfängnisverhütenden Mitteln wie zum Beispiel der Spirale oder Antibabypille, setzt der Verhütungsmittelfonds ein. „Die Frau geht zum Arzt und muss sich dann einen Kostenvoranschlag oder Rezept holen, weil wir keine Ärzte sind und nichts verordnen dürfen“, sagt Yablonska, die auch die Verhütungsberatung übernimmt.
Zudem brauchen die Beratungsstellen Einkommensnachweise der letzten drei Monate, um die finanzielle Notlage belegen zu können. Jedoch wenn die Antragsteller:innen Transferleistungen oder Bafög beziehen reichen die Bescheide davon.
Zudem müssen Betroffene nicht in Vorkasse gehen. „Wenn man mit dem Kostenvoranschlag hier ankommt, stellen wir eine Kostenübernahme aus. Das einzige, was die Frauen bezahlen müssen, ist der Eigenanteil“, sagt Yablonska.
Verhütungsmittelfonds für alle Dortmunder:innen
Wer nun die Kostenübernahme erhalten hat, hat drei Monate Zeit sich in Behandlung zu begeben. Yablonska klärt auf, dass das an der Verwaltung liegt. Der Fonds kann aber so oft in Anspruch genommen werden, wie er von den Antragsteller:innen gebraucht wird. Yablonska ist sehr dankbar für den Verhütungsmittelfonds:
„Es ist wirklich was Gutes. Man muss auch sagen, dass die Verhütungsmittel zum Teil echt teuer sind. Oft bedeutet das für die Frauen eine große Erleichterung“.
Sie führt weiter aus: „Gerade, wenn Frauen viele Kinder haben, stellen sie sich selbst immer an letzter Stelle. Da ist es dann schwierig für sich Geld abzuzweigen, wenn es notwendig ist“. Zum Schluss äußert sie mit Blick auf die Zukunft den Wunsch, dass ein Teil der Verhütungsmittelkosten für alle Frauen übernommen wird.
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Reaktionen
Norbert
Da stellt sich die Frage, ob da nicht individuelle Moralvorstellungen die Förderbedingungen prägen, wenn die Art der Sexualitätsauslebung Förderkriterium ist.