Fährt man von Westen auf den Zubringer der Autobahn 45, der dort schon Mallinckrodtstraße heißt, in die Stadt, so sieht man rechter Hand an der Einfahrt zur Yorckstraße ein mächtiges dreigeschossiges Eckgebäude. „Als repräsentativer Bau am Rande der Bebauung bildet er einen wichtigen Blickpunkt und prägt entscheidend die Einfallssituation nach Westen“, schreibt die Denkmalbehörde der Stadt Dortmund in der Anlage zur Denkmalliste.
„Das Haus ist ein typisches Beispiel des vereinfachten Monumentalstils im Verwaltungsbau zwischen 1900 und 1914“, so die Behörde. Das Tor zur Nordstadt errichteten in den Jahren 1912/13 die, seinerzeit viel beschäftigten, Dortmunder Architekten Hugo Steinbach und Paul Lutter im Auftrag der Westfälischen Transport-Actien-Gesellschaft (WTAG). Das Haus Schifffahrt wurde in den dreißiger Jahren um einen weiteren Abschnitt zur Mallinckrodtstraße ergänzt. Auffallend der schöne Aufgang zum Treppenhaus mit seinem sich über drei Geschossen erstreckenden Fenster. Die Glasfront zieren Fahnen der Tochtergesellschaften der WTAG. Die repräsentative Erschließung des Hauses war einst nur als Aufgang für die Herrschaften gedacht. Ein schlichtes Treppenhaus für die Dienstboten befindet sich an andere Stelle im Gebäude.
Zugang zu schwedischen Erzen ist Vorraussetzung um der „Concurrenz“ standzuhalten
Das Haus Schifffahrt und der Hausherr WTAG sind untrennbar mit der Geschichte des Dortmunder Hafen und dem Dortmund-Ems-Kanal verbunden. Wie wichtig Verkehrswege für die Entwicklung der Industriestadt Dortmund waren, haben wir schon an anderer Stelle in dieser Serie berichtet (Wasserturm). Wie wichtig der Ausbau der Verkehrsinfrastruktur für den Erhalt der Industrien und deren Konkurrenzfähigkeit im Vergleich mit anderen Standorten war dokumentiert die Hoesch-Denkschrift „Dortmund und die schwedischen Erzvorkommen mit besonderer Berücksichtigung des Dortmund-Ems-Kanals“ aus dem Jahre 1894. Der Kanal war da schon zwei Jahre im Bau und die Stahlwerker warteten fieberhaft auf die Eröffnung des Wasserweges.
„Die in und bei Dortmund gelegenen Stahlwerke finden es in neuerer Zeit immer schwieriger, der Concurrenz, der im Inlande belegenen Werke Stand zu halten, und hat dieser Umstand zu Arbeitseinschränkungen und zahlreichen Arbeiterentlassungen geführt“, steht dort. Die größte „Concurrenz“ saß seinerzeit am Rhein und wurde über den Fluß zu weitaus günstigeren Bedingungen mit Erzen aus Skandinavien beliefert. Die Eisenbahn war an ihre Grenzen gestoßen, was den Transport von Massengütern betraf und hatte zudem höhere Frachttarife als die Binnenschifffahrt. Technische Neuerungen in der Stahlproduktion wie das Bessemer-Verfahren und darauf aufbauend das Thomas-Verfahren benötigten große Mengen an Erzen, die in Deutschland nicht verfügbar waren. Ebenso war es von Bedeutung, „…der zur Zeit der Projectierung des Kanals darniederliegenden Kohlenindustrie Erleichterungen für den Export zu schaffen“, steht es in der Schrift. Das Hoesch-Memorandum „…verlieh dem Dortmunder Interesse am Kanalbau nachhaltig Ausdruck und brachte Bewegung in das Projekt“, schreibt Karl-Peter Ellerbrock in „Heimat Dortmund, 100 Jahre Dortmunder Hafen“.
Die WTAG aus der Not geboren, wird zu einem der größten Binnenschifffahrtsunternehmen in Europa
Fünf Jahre später waren Wasserweg und Hafen fertiggestellt. Gesucht wurde jemand der den Gütertransport auf dem neu geschaffenen Wasserweg übernahm. Die Annahme, dass die Rheinschifffahrt diese Aufgabe übernimmt erwies sich als falsch. „Die Risiken erschienen zu hoch“, schreibt Udo Pehl in der Zeitschrift des historischen Vereins. Dies war die Geburtsstunde der WTAG, dessen„… Gründung aus der Not geboren, gewissermaßen eine Verlegenheitslösung war…“, so Pehl. Die „Hermann Brauns“, der erste Schleppdampfer der WTAG lieferte dann schon im Mai des Jahres der Eröffnung 1899 die ersten 600 Tonnen schwedischen Erzes nach Dortmund.
Der Logistik treugeblieben – e-port fördert Existenzgründer aus der Branche
Im Laufe der Jahre entwickelte sich das Transportunternehmen mit Sitz im Haus Schifffahrt an der Mallinckrodtstraße zum einen der größten Binnenschiffahrts-Unternehmen in Europa. 1976 werden WTAG und Fendel-Stinnes zur Stinnes-Reederei AG zusammengeführt. 1984 erfolgt die Eingliederung in die Rhenus-Gruppe als Rhenus WTAG, weiterhin mit Sitz an alter Stelle in der Dortmunder Nordstadt.
Im Jahre 2002 gibt das Unternehmen das Gebäude am Dortmunder Hafen auf und bezieht eine neue Zentrale am Flughafen in Holzwickede. Das Haus wechselt in den Besitz des Technologie Zentrum Dortmund und ihrem Gründerzentrum e-Port. Das e-Port unterstützt, ganz im Sinne der Väter der ehemaligen WTAG, Existenzgründer und Firmenansiedlungen aus dem Logistikbereich und fördert Modernisierungs-Prozesse in der klassischen Transport- und Logistikbranche.
Quellen:
Karl-Peter Ellerbrock und Udo Pehl, Heimat Dortmund, 100 Jahre Dortmunder Hafen, Zeitschrift des Historischen Vereins Dortmund, Ausgabe: 1/99
Stadt Dortmund, Anlage zur Denkmalliste, Lfd. Nr.: 0255
Festschrift, 150 Jahre Zukunft, IHK Dortmund, 2013
Andreas Kleinebenne, Straße mit Vorfahrt, 100 Jahre Dortmund-Ems-Kanal, 1999
Rhenus Logistics, Ein Fluss als Pate, Die Rhenus-Chronik, 2012
Weitere Serienteile:
Teil 1: Das historische Sudhaus der Hansabrauerei
Teil 2: Das Arzthaus Linsmann in der Gneisenaustraße
Teil 3: Der Wasserturm an der Werkmeisterstraße
Teil 4: Die Kirche Sankt Albertus Magnus
Teil 5: Das Portierhaus I. der Westfalenhütte