Kirche an der Holsteiner Straße wird 2025 für immer geschlossen

SERIE Nordstadt-Geschichte(n): Erinnerungen an die alte katholische St. Antonius-Kirche

Blick in die Kirche, um 1925.
Blick in die Kirche an der Holsteiner Straße, um 1925 Sammlung Klaus Winter

Beginnend in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts setzte in der heutigen Nordstadt ein gewaltiger Zuzug von Arbeitern mit ihren Familien ein. Die komplette Infrastruktur des nördlichen Stadtteils musste laufend dem Bevölkerungswachstum angepasst werden. Dazu gehörte der Bau neuer Kirchen. Die evangelische Luther-Kirche im Hoesch-Gebiet war die 20. Kirche im damaligen Dortmunder Stadtgebiet, die katholische St. Antonius-Kirche sollte die 21. Kirche der Stadt werden. Arbeiter, du sollst und mußt fromm werden, spottete bei Bekanntwerden des Kirchbauprojekts die Arbeiter-Zeitung in ihrer Ausgabe vom 27. Mai 1907.

Ein Gotteshaus an einer engen Straße in der Nordstadt

St. Antonius an der Holsteiner Straße, 2024.
St. Antonius an der Holsteiner Straße, 2024. Klaus Winter | Nordstadtblogger

Am 25. Mai 1907 wurde bekannt, dass der preußische Minister für geistliche Angelegenheiten die staatliche Genehmigung für die Errichtung einer neuen katholischen Kirche nebst Pfarrhaus im Dortmunder Norden erteilt hatte.

Für den Kirchenneubau hatte man von der Schüchtermann-Schillerschen Familienstiftung das Gelände zwischen Holsteiner-, Gronau-, Missunde- und Brunnenstraße erworben. Allerdings wurden Parzellen an der Brunnen- und Gronaustraße bald wieder verkauft, um die Verkaufserlöse für die Kirchbaumaßnahme zu verwenden.

Die Standortwahl sollte später auf Kritik stoßen: Die Kirche hat überhaupt eine unglückliche Lage. Das Gotteshaus steht inmitten eines Häusermeeres an einer engen Straße, so dass ein Fremder sie kaum finden kann.

Der Kirchbau benötigte weniger als ein Jahr

Die Grundsteinlegung, zu der sich ungemein viel Teilnehmer an Ort und Stelle eingefunden hatten, wurde am 29. September 1907 in feierlicher Weise begangen. Der katholische Kirchenchor umrahmte den Festakt mit musikalischen Beiträgen, und Dechant Walter von der Liebfrauen-Gemeinde sowie weitere Vertreter der Geistlichkeit und der katholischen Vereine führten die feierlichen Hammerschläge aus.

In den folgenden elf Monaten entstand im neugotischen Stil gestaltete dreischiffige Kirche aus Backsteinen. Sie war nicht traditionell Ost-West, sondern Nord-Süd ausgerichtet, was den räumlichen Verhältnissen geschuldet war. So befindet sich der Eingang an der Holsteiner Straße, der Chor an der Missundestraße.

Kinderbewahrschule, Vereinsheim, Saal und Kirche an der Holsteiner Straße.
Kinderbewahrschule, Vereinsheim, Saal und Kirche an der Holsteiner Straße. Sammlung Klaus Winter

Die Kirche wurde ohne einen hohen Turm gebaut. Man befürchtete, dieser würde zu schwer für den vom Bergbaustollen durchzogenen Untergrund.

Der Bau der Kirche war nur der erste Schritt

Bereits bei der Einladung zur Kirchenweihe wurde auf die prachtvollen Fenster, die 15.000 Mark gekostet hatten, hingewiesen. Dieselbe Summe musste für Altar und Kanzel aufgewendet werden. Ihre Aufstellung in den letzten Tagen vor der Weihe bereitete unvorhergesehene Schwierigkeiten, die die Erneuerung des Kanzelfußes zur Folge hatte.

Der historische Altar der Antonius-Kirche.
Der historische Altar der Antonius-Kirche. Klaus Winter | Nordstadtblogger

Das führte zu einer Verschiebung der Einweihungsfeier um eine Woche. Am Sonntag, den 6. September 1908 wurde in einer zweistündigen Feier die Einweihung der Kirche vorgenommen. Der Festakt stand wieder unter der Leitung des Dechanten Walter, der auch die Predigt in der gedrängt vollen Kirche hielt.

Bei der Kirchenweihe waren noch nicht alle Arbeiten abgeschlossen. So schätzte man, dass der Hauptaltar erst in etwa vier Wochen fertiggestellt sein würde, und eine Orgel gab es noch gar nicht. Gelobt wurde jedoch der sehr gefällige Eindruck, den die Kirche innen machte. Vor allem fielen die Chorfenster sowie die Kommunionbank und die Kanzel auf.

Der intensive Bergbau im Norden schädigte Kirche und Umfeld

Den Gedächtnisort für die im Ersten Weltkrieg gefallenen Gemeindemitglieder gibt es nicht mehr.
Den Gedächtnisort für die im Ersten Weltkrieg gefallenen Gemeindemitglieder gibt es nicht mehr. Sammlung Klaus Winter

Neben der Antoniuskirche befand sich damals noch ein unbebauter Platz. Ursprünglich war vorgesehen, hier ein Hospital für weibliche Kranke, eine Kinderbewahranstalt und eine Handarbeitsschule zu erbauen, doch wurden nicht alle Pläne umgesetzt.

Nach der Eröffnung der Kirche entwickelte sich schnell ein reges Vereinsleben. Das machte die Schaffung eines Vereinsheimes notwendig. Im Frühjahr 1912 sollten auf dem freien Bauplatz die Arbeiten an dem Gebäude beginnen, das einen großen Saal erhalten sollte.

Etwa zur gleichen Zeit traten an der noch jungen Kirche ebenso wie an Häusern in ihrem Umfeld Bergschäden auf, die auf den Betrieb der Zeche Kaiserstuhl zurückzuführen waren. Das Unternehmen zeigte sich kulant und zahlte der Kirchengemeinde freiwillig eine größere Summe, damit die Fundamente der Kirche verstärkt werden konnten.

Das Vereinsheim ergänzte das Gemeindezentrum

Der aus der Kommunionbank gebaute Altartisch.
Der aus der Kommunionbank gebaute Altartisch. Klaus Winter | Nordstadtblogger

Wegen Verzögerungen bei der Erteilung der Bauerlaubnis begannen die Arbeiten an dem Vereinshaus erst im September 1912.

Im März 1913 war das vierstöckige Gebäude im Rohbau fertiggestellt. Man hoffte, den 240 Quadratmeter großen Saal schon zu Pfingsten nutzen zu können.

Die Eröffnungsfeierlichkeit konnte die Gemeinde dann im Juni 1913 begehen. Sie konnte sich auch über die damit verbundene Kleinkinderbewahranstalt und eine Handarbeitsschule freuen. Insgesamt hatte der umfangreiche Bau 250.000 Mark gekostet.

Der spätere Propst war Pfarrer an St. Antonius

Der erste Geistliche an der Antoniuskirche war Wilhelm Aufenanger. Er begann seinen Dienst in der Gemeinde 1908 als Pfarrvikar. Ende April 1914 wurde er in das Amt des Pfarrers eingeführt. Aus diesem Anlass fand im Vereinshaus eine große Feier statt.

Pfarrer Aufenanger, der u. a. über ein großes organisatorisches Talent verfügte, kümmerte sich sehr um den Arbeiterverein und über eine umfassende Caritas-Organisation mit ehrenamtlichen Vertrauensleuten und Pfarrhelferinnen, die Hausbesuche, Krankenpflege und anderen Aufgaben übernahmen. Im Jahre 1929 wurde Wilhelm Aufenanger zum Propst ernannt und hatte dieses Amt bis 1959 inne. Sein Nachfolger an St. Antonius wurde Pfarrer Friedrich Böhme.

Prachtvolles Chorfenster überstand den Krieg – Änderungen in der Nachkriegszeit

Pfarrer Böhme musste die Gemeinde in der schwierigen NS-Zeit und dem Zweiten Weltkrieg leiten. Er erlebte, dass die Kirche 1943 von Bomben getroffen und schwer geschädigt, aber nicht zerstört wurde.

Die Christus-Figur der alten Kanzel.
Die Christus-Figur der alten Kanzel. Klaus Winter | Nordstadtblogger

Viele Fenster barsten bei den Bombenangriffen. Doch das prachtvolle zentrale Chorfenster überstand den Krieg unbeschadet, denn Gemeindemitglieder hatten es rechtzeitig und heimlich ausgebaut und auf der Zeche Kaiserstuhl versteckt. So konnte es 1951 wieder eingebaut werden.

Die bei der Kirchweihe 1908 viel gelobte schöne Kanzel existiert heute nicht mehr. Sie wurde abgebaut, als sie wurmstichig wurde. Als letzter Rest wurde „der verheißende Christus“ an dem heutigen Pult angebracht.

Die Kommunionbank wurde in Folge der Beschlüsse des II. vatikanischen Konzils entfernt und Teile davon verwendet, um einen neuen Altar zu bauen, an dem der Priester mit Blick zur Gemeinde die Messe zelebrierte.

Die Krippe wird zum letzten Mal aufgebaut

Erhalten haben sich 35 unbemalte Krippenfiguren aus Eiche, die zwischen 1926 und 1929 von Heinrich Hartmann geschaffen worden waren. Sie bilden Dortmunds schönste Krippe. Die großen Figuren werden nun zum letzten Mal aufgebaut.

Denn die unter Denkmalschutz stehende Antonius-Kirche wird im Sommer 2025 mangels Gottesdienstbesucher:innen geschlossen werden. Wenn Sie noch einen Blick auf die Krippe werfen wollen, dann können Sie am 27. Dezember 2024 von 15 bis 17 Uhr und am 4. Januar 2025 von 14 bis 16 Uhr an Krippenführungen teilnehmen.

Übrigens: Das Kamel heißt Gertrud.


Anm.d.Red.: Haben Sie bis zum Ende gelesen? Nur zur Info: Die Nordstadtblogger arbeiten ehrenamtlich. Wir machen das gern, aber wir freuen uns auch über Unterstützung!

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