SERIE Nordstadt-Geschichte(n): Erinnerung an die Villa Wiskott am Fredenbaumpark und ihre vielen Wandlungen

Villa Wiskott, Münsterstr. 258 nach dem Umbau (Sammlung Klaus Winter)
Die Villa Wiskott in der Münsterstraße 258 nach dem Umbau. (Sammlung Klaus Winter)

Von Klaus Winter

Die Wiskotts gehörten zu den alten Dortmunder Patrizierfamilien. In der Stadt lassen sie sich über viele Generationen zurückverfolgen. Es gab unter ihnen zahlreiche Kaufleute, Ratsherren und Presbyter. Im 19. und frühen 20. Jahrhundert lebten aus dieser Familie u. a. noch Wilhelm (1832-1911) und Friedrich Wiskott (1840-1926), Söhne eines Großkaufmanns. Das Brüderpaar rief 1868 das Bankhaus Wiskott & Co. ins Leben, das sich besonders in der Gründerzeit nach dem Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 durch die Finanzierung von Unternehmensprojekten profilierte.

Die Dortmunder Bankiers übernahmen Ehrenämter und spendeten für Arme

Wilhelm Wiskott (1832-1911) (Stadtarchiv Dortmund)
Wilhelm Wiskott (1832-1911) (Stadtarchiv Dortmund)

Neben ihrer Geschäftstätigkeit übernahmen beide Brüder verschiedene Ehrenämter. So war Wilhelm Wiskott von 1868 bis 1898 Repräsentant der Reinoldi-Gemeinde. 1878 wählte man ihn zum unbesoldeten Mitglied des Magistrats, und von 1879 bis 1885 war er als Handelsrichter tätig. Mehr als drei Jahrzehnte gehörte er der Handelskammer als Mitglied an.

Wilhelm Wiskott, dem Musik und Gesang sehr am Herzen lagen, unterstützte durch Stiftungen und Schenkungen verschiedene Institutionen, besonders die kaufmännische Fortbildungsschule. Anlässlich seines 50-jährigen Geschäftsjubiläums erwies er sich durch eine Spende in Höhe von 50.000 Mark zu Gunsten der Armen der Stadt als Wohltäter.

Als er mit seiner Ehefrau 1910 das Fest der goldenen Hochzeit feiern konnte, spendete das Ehepaar 5.000 Mark für ein neues evangelisches Krankenhaus in der Stadt.

Wilhelm Wiskott baute eine Villa am Fredenbaum

Die gut gehenden Geschäfte ihres Bankhauses ermöglichten den Brüdern ein Leben in Wohlstand. Wilhelm Wiskott erwarb ein großzügig bemessenes Grundstück an der Münsterstraße in unmittelbarer Nachbarschaft zum Fredenbaum. Die Grenze zum Fredenbaum bildete ein öffentlicher, in das Westerholz führender Weg, der Vorläufer der heutigen Beethovenstraße.

1875 reichte er der Baupolizei Antrag und Pläne für sein Wohnhaus ein. Das dann unter dem Namen „Villa Wiskott“ bekannt gewordene Gebäude wurde in der nördlichen Hälfte des Grundstücks und weit von der Straße zurückgesetzt erbaut. Zunächst gab es wohl einen direkten Weg von der Münsterstraße zur feudalen, in einem herrlichen Garten gelegenen Villa.

Bauzeichnung der ursprünglichen Villa Wiskott (Stadtarchiv Dortmund)
Bauzeichnung der ursprünglichen Villa Wiskott. (Stadtarchiv Dortmund)

Später wurde dieser Zugang jedoch aufgehoben. Das Grundstück ließ sich seitdem von der Münsterstraße nur durch ein Tor betreten, das von einem zweistöckigen Gebäude für den Gärtner auf der einen Seite und dem Pferdestall mit Kutscherwohnung auf der anderen eingerahmt war.

Gärtner- und Kutscherhaus gehörten bereits zum Bauantrag der Villa vom August 1875. Sie blieben nicht die einzigen Nebengebäude: 1879 stellte Wiskott einen Antrag auf Erbauung eines Gewächshauses mit Stall und 1889 einen weiteren für ein zweistöckiges Stallgebäude. All diese Nebengebäude befanden sich in der südlichen Grundstückshälfte, nahe der Münsterstraße und in deutlichem Abstand zur Villa.

Schon nach 14 Jahren wurde die Villa vergrößert

Im März 1889 stellte Wilhelm Wiskott einen Antrag auf Umbau seines erst vierzehn Jahre alten Wohnhauses. Es sollte durch Aufstockung und Anbau deutlich vergrößert werden. Die Arbeiten wurden zügig ausgeführt. Schon im August 1889 wurde der Antrag auf Rohbauabnahme gestellt, im Januar 1890 wurde das Abnahme-Attest für die Feuerstellen ausgefertigt und der Antrag auf Gebrauchsabnahme folgte im Januar 1890. Innerhalb weniger Monate war eine Villa entstanden, die in der nördlichen Dortmunder Stadthälfte ihres gleichen suchte!

Bauplan zur Erweiterung der Villa Wiskott (Stadtarchiv Dortmund)

Zu Wilhelm Wiskotts Lebzeiten wurde dann nur noch eine optische Verbesserung ausgeführt: Gärtner- und Kutscherhaus, beide mit ihren Längsseiten direkt an der Münsterstraße gelegen, wurden in ihren oberen, in Fachwerkbauweise ausgeführten Etagen durch einen geschlossenen, überdachten Bogengang verbunden. Gäste der Wiskotts passierten nun beim Betreten des Anwesens ein ansehnliches Tor!

Zugangstor zum Anwesen Wiskott mit Gärtnerhaus (links) und Kutscherhaus (rechts) (Stadtarchiv Dortmund)
Lage der Villa Wiskott, Ausschnitt aus einem Stadtplan von 1902 (Sammlung Klaus Winter)
Lage der Villa Wiskott, Ausschnitt aus einem Stadtplan von 1902 (Sammlung Klaus Winter)

Stadt kaufte das Anwesen der Wiskotts nach ihrem Tode

Wilhelm Wiskott starb am 12. Oktober 1911, wenige Monate nach dem ihm der Titel Geheimer Kommerzienrat zuerkannt worden war, im 80. Lebensjahr. Seine Familie, die Beamten und Prokuristen des Bankhauses Wiskott & Co., die Dortmunder Handelskammer und der Vaterländische Frauen-Zweigverein, für den er ehrenamtlich als Schatzmeister tätig gewesen war, schalteten Todesanzeigen. Die Stadt Dortmund ließ einen Nachruf veröffentlichen, in dem sie an die Tätigkeit des Verstorbenen als Stadtverordneten und Magistratsmitglieds erinnerte.

Wilhelm Wiskotts Witwe, Luise geb. Cornelius, überlebte ihren Ehemann um elf Jahre. Da die Eheleute nur einen Sohn hatten, der aber bereits im Alter von zwölf Jahren verstorben war, gab es keinen leiblichen Erben, der das Anwesen der Wiskotts am Fredenbaum übernehmen konnte. Die Stadt Dortmund kaufte es und stellte es dem städtischen Jugendamt zur Verfügung.

Jugendamt gestaltete die Villa zum Kinderheim um

Lageplan der Villa Wiskott /Kinderheilstätte (Stadtarchiv Dortmund)
Lageplan der Villa Wiskott /Kinderheilstätte (Stadtarchiv Dortmund)

Das Jugendamt richtete hier ein Säuglingsheim und ein Kinderluftbad mit einer Station für schwache und unterernährte, besonders aber für an Rachitis erkrankte Kinder ein. Die Umbaumaßnahmen hielten sich in Grenzen: So wurden vier Zimmer im Obergeschoss in Kinderschlafstuben mit fünf bis neun Betten umgewandelt. Das vormalige „Herrenzimmer“ Wilhelm Wiskotts wurde zu einem Arzt-Zimmer hergerichtet.

Für diese Maßnahmen war kein kostspieliger Umbau notwendig, sondern lediglich eine Renovierung und eine neue Möblierung. Es war jedoch auch ein Anbau an die Villa geplant und die ehemalige Kutscherwohnung wurde für einen Hausmeister hergerichtet.

Obergeschoss der Kinderheilstätte (Stadtarchiv Dortmund)
Obergeschoss der Kinderheilstätte (Stadtarchiv Dortmund)

Über die Auslastung des Heims konnten nur wenige Angaben gefunden werden. Im Januar 1934 hieß es in einem Pressebericht, dass an der Münsterstraße 150 Kleinkinder untergebracht seien. Die Kinder wurden durch fachkundige Helferinnen betreut. Ein Arzt schaute täglich nach den Kindern.

Nationalsozialistische Volkswohlfahrt richtete hier ein Jungmütterheim ein

Die direkt an der Münsterstraße gelegenen Nebengebäude – Gärtnerhaus, Torbogen und Hausmeisterwohnung – wurden im Sommer 1938 abgebrochen. Zwischenzeitlich war die Nationalsozialistische Volkswohlfahrt (NSV) neue Trägerin der Kinderheilstätte geworden und wollte diese einem neuen Zweck zuführen. An der Münsterstraße 258 sollte ein „Jungmütterheim mit Stillkrippe“ entstehen.

Schreiben zum Umbau der Kinderheilstätte in ein Jungmütterheim der NSV (Stadtarchiv Dortmund)
Schreiben zum Umbau der Kinderheilstätte in ein Jungmütterheim der NSV (Stadtarchiv Dortmund)

Die notwendigen Umbauarbeiten wurden im Januar 1938 begonnen. Tatsächlich wurde das Projekt auch noch umgesetzt, doch hatte es wegen des Ausbruchs des Zweiten Weltkrieges keinen langen Bestand.

Bombenkrieg verwandelte Wiskotts Erbe in ein Trümmergrundstück

Die Villa Wiskott wurde im Verlauf des Zweiten Weltkrieges schwer beschädigt. Nach dem Krieg war das Grundstück Münsterstr. 258 nur noch ein Trümmergrundstück, das einen „Gefahrenzustand“ darstellte. Einsturzgefahr der Ruine war dann tatsächlich im März 1955 die Begründung für den Abriss der Überreste.

Heute erinnert nichts mehr an die prächtige Bankiers-Villa an der Münsterstraße. Selbst ihr ehemaliger Standort ist im heutigen Stadtbild nicht mehr erkennbar. Er wurde durch den nördlichen Gebäudeteil des Klinikzentrums überbaut.

 

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