Von Klaus Winter
An der Steigerstraße in der Nordstadt wird seit 1885 Bier gebraut. Damals gründete Eduard Habich hier die Borussia-Brauerei. Sie bestand bis 1901. Ihr abruptes Ende fand sie durch den Selbstmord des damaligen Direktors, der der gleichnamige Sohn des Gründers war. Die schlechte wirtschaftliche Lage der Brauerei soll der Anlass für die Verzweiflungstat gewesen sein. Habich jun. hatte mit einem Berg von Schulden zu kämpfen. Doch gab es eine Reihe von Stimmen, die sagten, dass die Borussia-Brauerei durchaus überlebensfähig gewesen wäre.
Gläubiger der Borussia-Brauerei gründeten die Hansa-Brauerei
Am 8. November 1901 beschlossen deshalb Gläubiger der Borussia-Brauerei, mit den vorhandenen Immobilien, Gerätschaften und Vorräten eine neue Brauerei zu gründen. Sie erhofften sich, auf diese Weise das Geld zurückzuerhalten, das sie durch den Konkurs verloren hatten.
Die Dortmunder Hansa-Brauerei wurde am 12. Dezember 1901 im Hotel Römischer Kaiser als Aktiengesellschaft im Rahmen einer konstituierenden Generalversammlung ins Leben gerufen. Die Aktionäre zeichneten Aktien in Höhe von 320.000 Mark. Einen Monat später wurde die Summe auf 350.000 Mark erhöht.
Bankprokurist Theo Heller wurde der erste Brauereidirektor
Erster Direktor der Hansa-Brauerei wurde der 29-jährige Theo Heller, bis dahin Prokurist und Kassierer beim Dortmunder Bankverein. Er wird nicht geahnt haben, dass er seine Position 44 Jahre lang innehaben sollte.
Die Anfangsphase war für den Neuling im Brauereiwesen sehr schwierig. Er musste sich mit seinem Unternehmen gegen 16 in der Stadt produzierende Konkurrenten durchsetzen.
Trotz etablierter Konkurrenz: Die Hansa-Brauerei kam rasch in die Erfolgsspur
Teilweise stieß die etablierte Konkurrenz weit über 100.000 Hektoliter aus. Bei dem Neuling Hansa-Brauerei lag die Produktion gerade einmal bei 12.500 Hektoliter.
Obwohl das Aktienkapital erst nach und nach eingezahlt wurde, konnte die Braustätte an der Steigerstraße modernisiert und ausgebaut werden. Neue Absatzmärkte wurden erschlossen und die finanzielle Basis des Unternehmers stabilisiert.
Der Erfolg blieb nicht aus. Bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges hatte sich der ursprüngliche Bierausstoß auf 120.000 Hektoliter verzehnfacht. Andere Dortmunder Brauereien hatten sich in der Zeit schlechter entwickelt und waren deshalb von der Hansa überflügelt worden.
Knappe Malz-Zuteilungen machten das Bier dünn
Der Erste Weltkrieg brachte große Probleme: Das Exportgeschäft fiel fort, und die inländischen Transportwege standen vorrangig den militärischen Zwecken zur Verfügung. Die Rohstoffversorgung ging drastisch zurück.
Zum Bierbrauen benötigt man Malz. Das den Brauereien zustehende Kontingent Malz wurde im Kriegsverlauf massiv verkleinert. So wurde auch das Bier dünner und mundete nicht jedem. So mancher Biertrinker wandelte sich zum Schnaps-Konsumenten.
Der Erste Weltkrieg löste eine Fusionswelle aus
Um das Dilemma mit dem geringen Malzkontingent zu mildern, erwarben wirtschaftlich stärkere Brauereien die Malzkontingente kleinerer. Daraus resultierte ein Konzentrationsprozess, bei dem viele kleine Brauereien verschwanden.
Die Hansa-Brauerei übernahm die Dortmunder Bergschlösschen-Brauerei, das Martener Brauhaus, eine Brauerei aus dem Münsterland und drei aus dem Sauerland. Mit den so erworbenen Malzkontingenten konnte Hansa die Qualität seiner Biere sichern, aber nicht zu „alter Stärke“ zurückkehren, denn der Stammwürzegehalt war per Gesetz auf einem niedrigen Wert festgeschrieben.
Ruhrbesetzung behinderte den Absatz des Bieres
In den schwierigen Nachkriegsjahren mit der kriegsbedingten massiven Mangelwirtschaft, seinen politischen Unruhen und der großen Inflation konnte sich die Hansa-Brauerei zunächst nicht recht erholen.
Im Gegenteil: Während der Ruhrbesetzung 1923/24, als Dortmund am Ostrand des von Franzosen und Belgiern besetzten Gebietes lag, waren die Transportwege zu den Kunden im unbesetzten Teil Deutschlands versperrt.
Die Corso-Betriebe waren der Spezialausschank der Hansa-Brauerei
In der zweiten Hälfte der 1920er Jahre setzte dann ein Aufschwung ein. Das kam allgemein dadurch sichtbar zum Ausdruck, dass Gaststätten erworben und zu brauereieigenen Spezialausschänken ausgebaut wurden. Prominentestes Aushängeschild wurden 1926 die Corso-Betriebe am Westenhellweg, eine der besten Adressen der damaligen Dortmunder Gastronomie.
Nun entstand auch das 50 Meter hohe Hochhaus; es wurde ein Wahrzeichen des Dortmunder Nordens und war ausgestattet mit moderner Kühleinrichtung und Gär- und Lagertanks in Stahl und Aluminium.
Die Hansa-Brauerei widerstand eine Zeit lang der Weltwirtschaftskrise
Der nur wenige Jahre anhaltende Aufschwung fand in der Weltwirtschaftskrise ab 1930 sein Ende. Das wirtschaftlich gut aufgestellte Unternehmen konnte einen frühen Zusammenbruch vermeiden. Aber schließlich blieben Einbußen nicht aus.
Mit der Überwindung der Weltwirtschaftskrise stiegen Produktion und Absatz wieder. Auch in ausländische Märkte konnte die Hansa-Brauerei wieder vordringen. Auf der Weltausstellung in Brüssel 1935 wurde ihr ein „Grand Prix“ verliehen.
Kriegsgefangene und andere Hilfskräfte ersetzten das Stammpersonal
Das Exportgeschäft erreichte sogar die USA – und endete während des Zweiten Weltkriegs. Große Teile der Belegschaft wurden zum Wehrdienst eingezogen. An ihrer Stelle setzte man Kriegsgefangene „und andere Hilfskräfte“ ein, wie es in der 1952 erschienenen Festschrift formuliert wurde.
Wie im Ersten Weltkrieg wurde auch jetzt wieder die Zuweisung von Malz für das Bierbrauen reduziert und ein niedriger Stammwürzegehalt vorgeschrieben. Die Absatzmöglichkeiten beschränkten sich auf das regionale Umfeld.
Mit Limonaden und Fruchtsäfte glich man Probleme beim Bierabsatz aus
Ein Vorteil der Hansa-Brauerei war, dass man bereits 1930 eine Zusammenarbeit mit der Sinalco AG in Detmold eingegangen war. Dadurch war die alkoholfreie Abteilung der Brauerei gestärkt worden. Mit dem Absatz von Limonaden, Fruchtgetränken und Mineralwasser glich man Verluste beim Bier aus.
Kriegsbedingt verlor die Hansa-Brauerei mehr als 60 Prozent ihrer Gaststätten. Die Brauerei selber erlitt diverse Bombentreffer und in deren Folge schwere Brände. Das markante Hochhaus blieb jedoch fast unversehrt und deshalb konnte ohne Unterbrechung weiter gebraut werden.
Brauerei-Direktor Theo Heller wurde Opfer eines Verkehrsunfalls
Die alkoholfreien Getränke der Hansa-Brauerei erleichterten nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges das Fortbestehen des Unternehmens. Denn zunächst hatte die britische Militärregierung ein Brauverbot erlassen, gegen das Direktor Theo Heller auch als langjähriger stellvertretender Vorsitzender des Verbandes rheinisch-westfälischer Brauereien ankämpfte.
Am 7. November 1945 verunglückte der inzwischen 73-jährige Heller auf der Fahrt zum britischen Hauptquartier in Lübbecke. Er erlitt schwere Verletzungen und erlag ihnen zwei Tage später.
Nachfolger von Theo Heller an der Spitze der Dortmunder Hansa-Brauerei AG wurde sein jüngerer Bruder Dr. Hermann Heller, der zu der Zeit bereits fast 25 Jahre im Unternehmen tätig war.
Reader Comments
Bti
Interessant, dass auf der Hansa Seite nichts über diesen Zeitraum zu finden ist.. Da ist irgendwie eine „kleine“ Lücke von 1902 bis 1971 in dem „Unsere Geschichte“ Tab