SERIE Nordstadt-Geschichte(n): Berühmte Ballonfahrerin startete 1898 am Fredenbaum

Käthe Paulus fertigte auch einen Ballon für den Fredenbaum-Wirt

Der Ballon des Fredenbaum-Wirts Knäpper, 1908/09
Der Ballon des Fredenbaum-Wirts Knäpper, 1908/09 Sammlung Klaus Winter

Käthe Paulus aus Frankfurt am Main (1868-1935) war die bekannteste deutsche Ballonfahrerin und Fallschirmspringerin vor dem Ersten Weltkrieg. Wagemutig stieg sie mit Ballonen auf, und oft sprang sie am Fallschirm in die Tiefe. 475 Ballonfahrten unternahm sie insgesamt und absolvierte dabei 147 Fallschirmsprünge. Ihre Ausrüstung entsprach dabei in keiner Weise derjenigen heutiger Fallschirmspringer.

Programmpunkt beim Radfahrer-Bundestag

Bei ihrem ersten Sprung 1893 in Nürnberg trug sie eine Matrosenbluse, weite schwarze Pumphosen und hohe schwarze Stiefel. Auch die von ihr benutzten Fallschirmen entsprachen überhaupt nicht den heutigen Anforderungen. Trotzdem ist Käthe Paulus nie schwer verunglückt.

Im Sommer 1898, also etwa fünf Jahre nach ihrem ersten Fallschirmsprung, kam Käthe Paulus erstmals nach Dortmund. Anlass war das mit einem üppigen Programm ausgestattete Fest des 15. Bundestages des Deutschen Radfahrer-Bundes im August des Jahres.

Außergewöhnliches Fluggerät: Auf einem Fahrrad mit Flügeln

Ballonfahrt der Käthe Paulus im Rahmen des Bundestages deutscher Radfahrer 1898
Ballonfahrt der Käthe Paulus im Rahmen des Bundestages deutscher Radfahrer 1898 General-Anzeiger, Nr. 210 (06.08.1898)

An drei der vier Festtage sollte Paulus jeweils einen Aufstieg mit einem Ballon durchzuführen. Freiwillige durften mit ihr aufsteigen. Ort der Veranstaltung waren die Anlagen des Fredenbaums.

Das Fluggerät der Luftschifferin war außergewöhnlich: Es hatte, so die Presse, die Form einer großen Leberwurst. Paulus saß auf einem Fahrrad mit Flügeln. Hinten wackelte das Steuer, vorne eine propellerartige Vorrichtung.

Lenken ließ sich der Ballon allerdings nicht, wie die zahlreich erschienen Zuschauer erleben mussten. Um 7 Uhr abends war der Ballon aufgestiegen und erreichte etwa zwei Stunden später Havixbeck bei Münster. Der Ballon hatte eine Höhe von 1800 Metern erreicht.

Kein Fallschirmsprung über Häuser am Himmelfahrtstag

Käthe Paulus kurz vor einem Fallschirmsprung aus einem Ballon, Detail
Käthe Paulus kurz vor einem Fallschirmsprung. Dortmunder Zeitung, Nr. 346 (29.07.1935)

Am Himmelfahrtstag (!) 1901 und dem darauffolgenden Sonntag bot der Fredenbaum-Wirt als Attraktion in seinen Anlagen Fallschirmsprünge vom Fesselballon und Freifahrten mit einem Riesenballon an. An der Freifahrt konnte sich ein Passagier beteiligen.

Nachdem die zuvor starken Winde nachgelassen hatten, stieg Käthe Paulus gegen 7 Uhr abends mit ihrem Ballon rasch auf und schwebte in südwestlicher Richtung davon. Der Ballon landete schließlich in der Nähe von Hombruch-Barop auf einem Feld.

Der angekündigte Fallschirmsprung hatte ausfallen müssen, da ständig Häuser überflogen wurden. Auch am zweiten Veranstaltungstag, als der Ballon bei Schwerte niederging, musste auf einen Sprung verzichtet werden.

Zielwettfahrt mit drei Ballonen

Aus Anlass eines Volksfestes am Fredenbaum wurde im Sommer 1907 eine Ballon-Wettfahrt ausgerichtet. Dabei musste ein bestimmtes Ziel angesteuert werden. Sieger war, wer dem Ziel – der Stadt Lünen – am nächsten kam.

Ballonaufstieg in den Anlagen des Fredenbaum, 1908/09
Ballonaufstieg im Fredenbaum (1908/09) Sammlung Klaus Winter

Drei Ballone wurden auf der abgesperrten Wiese am Saalbau Fredenbaum mit Gas gefüllt. Den einen steuerte Käthe Paulus. In den beiden anderen fuhren die Herren Dörr aus Wiesbaden.

Käthe Paulus ging aus der Wettfahrt als Siegerin hervor. Sie landete in der Nähe von Lünen, während die beiden anderen Ballone bis nach Beckum und Hamm getrieben wurden.

Auch ein namentlich nicht bekannter Passagier konnte die Fahrt im Ballon der Käthe Paulus mitmachen. Er veröffentlichte kurz darauf seinen ausführlichen Erlebnisbericht in der Zeitung.

Fredenbaum-Wirt bestellte einen eigenen Ballon

Von weiteren Aufenthalten der Aeronautin Paulus in Dortmund ist nichts bekannt. Doch fand die Dortmund Ballon-Geschichte am Fredenbaum eine Fortsetzung. Denn der rührige Fredenbaum-Wirt Wilhelm Knäpper schaffte im Jahre 1908 einen eigenen Ballon an. Dass die Ballon-Starts die Zuschauer in Massen anzogen, war ihm sicherlich nicht entgangen. Er hoffte zweifellos auf gute Geschäfte mit dem eigenen Ballon.

Der Ballon „Fredenbaum“ war von Käthe Paulus aus bestem Material gefertigt worden. Er hatte einen Durchmesser von 16 Metern und sein Fassungsvermögen betrug zwischen 1.400 und 1.500 Kubikmetern.

Flucht im Ballon vor den Gläubigern

Die neue Attraktion des Fredenbaum wurde einerseits als Fesselballon genutzt, in dem zahlendes Publikum im Korb über dem Fredenbaum schweben konnten. Doch sollte er auch für echte Fahrten und selbst für wissenschaftliche Unternehmungen genutzt werden.

Der Ballon des Fredenbaum-Wirts Knäpper, 1908/09
Der Ballon des Fredenbaum-Wirts Knäpper (1908/09) Sammlung Klaus Winter

Der Anfang fiel allerdings schwer, denn beim Saisonstart 1908 herrschte ein Schnee- und Regenwetter. Was mies begann, setzte sich den ganzen verregneten Sommer 1909 über fort.

Der Fredenbaum-Wirt geriet in wirtschaftliche Nöte. Es ging das böse Wort um, Knäpper hätte den „Luftballon“ unter Dampf gebracht, damit er bei einer ungünstigen Wendung seines Konkursverfahrens mit diesem „über das große Wasser“ fliehen könne.

Erinnerungsstücke für die Luftfahrtsammlung

Käthe Paulus gab die Ballonfahrten und die Fallschirmsprünge mit Beginn des Ersten Weltkrieges auf. Während des Krieges fertigte sie Ballonhüllen und Fallschirme u. a. für die deutschen Ballon-Aufklärer an der Front. Für ihren Einsatz wurde sie mit dem Verdienstkreuz für Kriegshilfe geehrt.

Nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg stand die deutsche Luftfahrt aufgrund der Bestimmungen des Versailler Vertrags quasi vor dem Aus. Käthe Paulus lebte nun in bescheidenen Verhältnissen in Reinickendorf. Sie starb 1935 an einer Krebserkrankung.

Die Luftfahrtpionierin wurde in Berlin-Reinickendorf beigesetzt. Ihr Grab ist jetzt ein Ehrengrab des Landes Berlin. Einige ihrer persönlichen Erinnerungsstücke hatte sie noch zu Lebzeiten der 1932 gegründeten deutschen Luftfahrtsammlung am ehemaligen Berliner Flughafen Johannisthal geschenkt.


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