In einem unserer letzten Beiträge erinnerte Klaus Winter an die lange Geschichte des Westparks. Diesmal richtet sich der Blick auf einen Dortmunder Reformator des Bildungswesens und Humanisten, der eben dort begraben liegt. Es geht um den fast in Vergessenheit geratenen Volksschullehrer Heinrich Schmitz.
Kein Einsatz für eine gute Sache ist umsonst – das gilt auch für das Lebenswerk von Heinrich Schmitz. Obwohl es zwischenzeitlich sehr still um ihn geworden war. Alles kommt irgendwann zurück, so oder so; auch wo alle Mühen anfangs aussichtslos scheinen mögen: Wenn es mittlerweile fast zum guten Ton gehört, mehr Bildungsgerechtigkeit einzufordern, damit sich Chancen zugunsten von benachteiligten Kindern aus bildungsarmen Familien umzuverteilen – dann waren es engagierte Vorkämpfer wie Heinrich Schmitz, auf deren Erbe wir uns heute, anderthalb Jahrhunderte später, rechtens berufen können.
Sein Ringen um ein demokratisches, von absolutistisch-religiöser Herrschaft befreites und staatlich beaufsichtigtes Schulwesen in Dortmund und der Region – inmitten der verkrusteten Strukturen der preußischen Monarchie – ebenso wie die Sorge um die Ausbildung wie soziale Sicherung von damals schlecht bezahlten Lehrern und ihrer Hinterbliebenen zeichnen Heinrich Schmitz aus.
An ihn zu erinnern und seine Leistungen zu würdigen, unternimmt unser Gastautor – der ehemalige Journalist, Wissenschaftsredakteur, Wirtschaftsförderer, jetzt Rentner von Beruf, doch immer noch schreibend und historisch forschend tätig – Horst Delkus.
Abschließend beschäftigt sich unser Autor mit dem nachwirkenden Einfluss, den der Dortmunder Philanthrop Heinrich Schmitz auf die folgenden Generationen ausübte. Da ist anfangs sicher redliche Anerkennung, dann aber auch Vergessen. Das Leben geht eben weiter. Bis in die Gegenwart – und es erinnert nur noch ein Stein im Westpark an die Geschichte dieses Mannes, zusammen mit dem nach ihm verliehenen Preis für ehrenamtliches Engagement.
Allein, sein Einsatz für reformpädagogische Ziele, sein soziales Engagement und Wirken im Sinne des Humanismus, kurz: der ideelle Gehalt seines Lebenswerkes – lebt unmerklich in unserer gesellschaftlichen Wirklichkeit fort. Nämlich in jenen Rechten, die allen Bürger*innen heutzutage zukommen, aber beileibe keine Selbstverständlichkeit sind. Sondern für die Menschen wie Heinrich Schmitz gekämpft haben.
Ein Gastbeitrag von Horst Delkus (3)
„Bürgerinitiative“: Heinrich Schmitz soll ein bleibendes Denkmal errichtet werden
Carl Metzmacher, Besitzer einer von ihm erbauten Dampf-Getreidemühle in Dortmund und einer der Gründer der Industrie- und Handelskammer – von 1876 bis 1881 auch deren stellvertretender Vorsitzender – veröffentlichte am 20. Juli 1865 folgenden Aufruf zur Gründung einer – heute würde man sagen – Bürgerinitiative: ___STEADY_PAYWALL___
Wohl selten ist eine ganze Stadt von tieferer Trauer ergriffen gewesen, als bei dem Tode unseres unvergesslichen Mitbürgers und Lehrers Heinrich Schmitz.
Welche Liebe er in der Bürgerschaft gefunden, bezeugte die außergewöhnliche Teilnahme bei der Begleitung zu seiner letzten Ruhestätte.
Das Andenken des treuen Lehrers, des Mannes der reinsten Gesinnung, der edelsten Bürgertugend auch unseren Nachkommen zu erhalten, ist der Wunsch aufgetaucht, ein bleibendes Denkmal zu errichten.
Zur Ausführung dieser Idee, respektive zur Wahl eines Komitees für diesen Zweck, lade ich meine Mitbürger und namentlich die Freunde des Verewigten zu einer Versammlung auf Freitag, den 21.c., Abends 8 Uhr, im Saale des Hotel Middendorf ein.
Dortmund, 15. Juli 1865 – Im Namen vieler Bürger – C. Metzmacher
„Schmitz-Stiftung“ zur Unterstützung hilfsbedürftiger Hinterbliebener Dortmunder Lehrer
Für Mittwoch, den 26. Juli, lud Metzmacher – wie Schmitz Freimaurer in der Loge Zur alten Linde – zu einer weiteren Versammlung von Freunden des verstorbenen Lehrers ein. Daran nahmen auch die 20 Mitglieder des Komitees teil, das zuvor auf der Bürgerversammlung am Freitag gewählt worden war. Die Versammlung wählte einen Vorstand, bestehend aus dem Dortmunder Oberbürgermeister Karl Zahn als Präsidenten, Carl Metzmacher als Stellvertreter sowie drei Beisitzern. Noch während der Versammlung wurde ein Spendenaufruf verfasst, der am 8. August 1865 im „Dortmunder Anzeiger“ veröffentlicht und als Flugblatt gedruckt wurde:
Die ungeteilte Achtung und Liebe, welche der in voller Manneskraft aus seinem segensreichen vielseitigen Wirken so plötzlich hin geraffte Lehrer Heinrich Schmitz in allen Kreisen unserer Bürgerschaft in so reichem Maße genoss, hat allseitig, den Wunsch rege gemacht, das Andenken dieses hochverdienten Mannes besonders zu ehren und für die Zukunft zu erhalten.
Die Unterzeichneten sind zusammengetreten, um in diesem Sinne zu wirken. Sie bezwecken zunächst, das Grab des Dahingeschiedenen mit einem einfachen Denkmal zu schmücken und seiner Lebensgefährtin eine Ruhestätte an der Seite des Vorangegangenen zu sichern.
Sie denken sodann, unter dem Namen „Schmitz-Stiftung“ eine Stiftung zu gründen, welche den Zweck haben soll, hilfsbedürftigen Hinterbliebenen von Lehrern unserer Stadt Unterstützungen zu gewähren.
Mitbürger! Die Erreichung dieser Zwecke liegt in Eurer Hand! Vertrauend wenden wir uns an Euch mit der Bitte, durch reichliche Beiträge die Ausführung eines Vorhabens zu ermöglichen, welche sicher in Eurer aller Herzen freudigen Widerhall findet.
Dortmund, den 26. Juli 1865 – Zahn – Oberbürgermeister (sowie 27 weitere namentlich genannte Bürger der Stadt Dortmund)
Spendenaufruf wird ein voller Erfolg: über 835 Taler stehen alsbald zur Verfügung
Die Sammlung, die sich nur auf den Raum Dortmund beschränkte, war ein voller Erfolg, so dass der Dortmunder Anzeiger am 11. Januar 1866 berichten konnte: An freiwilligen Gaben zur Errichtung eines Denkmals für den Lehrer H. Schmitz sind bis jetzt 870 Taler eingegangen; es soll nun dem Verstorbenen auf seinem Grabe ein einfaches Denkmal und eine Summe von 700-750 Taler zu einer sogenannten Schmitz-Stiftung bestimmt und unter die Verwaltung der hiesigen Lehrer-Witwen- und Waisenkasse gestellt werden.
Am 7. Juli 1866 wählte das Komitee – also der Vorstand – der Schmitz-Stiftung unter Vorsitz von Oberbürgermeister Karl Zahn eine Kommission zur Ausführung des Denkmals. Der Entwurf hierfür stammte vom damaligen Kreisbaumeister – und Freimaurer – Richard Genzmer. Das Stiftungsvorstand beschloss ebenfalls das Statut über die Verwaltung und Verwendung der Schmitz-Stiftung:
1. Um dem am 11. Juli 1865 verstorbenen Lehrer Heinrich Schmitz in Anerkennung seines gesegneten Wirkens ein ehrendes und bleibendes Andenken zu stiften, wurde von einem zu diesem Zwecke gewählten Komitee bei den Bürgern Dortmunds eine Sammlung veranstaltet, welche die Summe von 835 Talern, 17 Silbergroschen, 7 Pfennig ergeben hat.
2. Verwendung des Fonds. In der Sitzung des Komitees vom 6. Januar wurde beschlossen:
a) dass neben dem Grabe des verstorbenen Lehrers Schmitz eine Ruhestätte für seine Gattin erworben,
b) dass ein entsprechendes Denkmal auf dem Grabe errichtet,
c) dass der Rest des Kapitals im Betrage von 700 Talern unter dem Namen Schmitz-Stiftung rentbar angelegt werden soll.
3. Zweck der Stiftung. Die Zinsen von dem Kapitale bezieht die Witwe des verstorbenen Lehrers Schmitz, so lange sie lebt, oder bis sie freiwillig darauf verzichtet. Nach ihrem Tode, resp. Ihrer Verzichtleistung sollen dieselben dazu dienen, hilfsbedürftigen Hinterbliebenen von Lehrern der Stadt Dortmund Unterstützung zu gewähren. Ferner soll aus demselben die Instandhaltung des Monuments auf dem Grabe des Schmitz, sowie die Wiedergewinnung der Grüfte nach dreißig Jahren bestritten werden.
4. Verwaltung der Stiftung. Der Fond der Schmitz-Stiftung soll als Separatfond mit der Dortmunder Schullehrer-Witwen-Kasse verwaltet, aber von dieser getrennt gehalten werden. Der jedesmalige Vorstand der Dortmunder Schullehrer-Witwen-Kasse verwaltet denselben. Er haftet für die sichere Anlegung des Kapitals, erhebt und verwendet die Zinsen für den angegebenen Zweck, führt darüber Rechnung und legt dieselbe dem Magistrate alljährlich vor. Auch hat er für die Erhaltung des Denkmals zu sorgen.
Sollte es sich ergeben, dass keine bedürftigen Hinterbliebenen von Lehrern vorhanden seien, so sollen die Zinsen der Schmitz-Stiftung zur Vermehrung des Fonds angelegt werden.
Dortmund, am 11. Juli 1866 – Das Komitee der Schmitz-Stiftung
Spuren der Stiftung verlieren sich – das Grabmal von Heinrich Schmitz gerät in Vergessenheit
Wenige Tage danach übersandte der Dortmunder Oberbürgermeister das Statut an den Königlichen Landrat, den Freiherrn von Rünath, der es auf dem Dienstweg an König Wilhelm von Preußen weiterleitete. Dieser erteilte der Schmitz-Stiftung am 12. Januar 1867 seine landesherrliche Genehmigung.
Der „Dortmunder Anzeiger“ veröffentlichte 4. Juli 1867 die folgende Meldung:
Das Andenken an Heinrich Schmitz, den in Dortmund hochverdienten Lehrer, knüpft sich für Tausende [sic!] an seinen Geburtstag, den sie so oft festlich begangen haben, an den 3. Juli, mit welchem sein Sterbetag fast zusammenfiel. Dem zu früh Geschiedenem an diesem Tage eine Erinnerung zu widmen, war im vorigen Jahre, als in den ersten Tagen des Juli fast jede Stunde neue gewaltige Ereignisse vom Kriegsschauplatz brachte [die entscheidende Schlacht Preußens bei Königgrätz in Böhmen gegen die österreichischen Truppen; HD], wohl nur Wenigen möglich. Dieses Jahr wollen seine Freunde aber unter Gesang das Grab schmücken und sich zu diesem Zwecke heute Abend 7 Uhr bei der Körnereiche versammeln.
Die Schmitz-Stiftung schüttete über mehrere Jahre – wie die im Stadtarchiv erhaltenen Verwaltungsberichte der Stadt Dortmund für die Jahre 1870, 1872 und 1873 dokumentieren – jedes Jahr 35 Taler aus. Zehn Jahre nach ihrer Gründung gab es die wohl letzte Ausschüttung der Schmitz-Stiftung: Die Lehrerwitwe Alsbach, so der Verwaltungsbericht der Stadt Dortmund 1877/78, habe 90 Mark erhalten. Danach wird die Schmitz-Stiftung vermutlich in der Dortmunder Lehrerwitwen- und Waisenkasse aufgegangen sein. Und auch das Grabmal für Heinrich Schmitz geriet in Vergessenheit.
Dem bedeutenden Dortmunder ein ehrendes und würdiges Andenken bewahren
Heinrich Schmitz gehörte zu den großen Bildungsreformern und den angesehensten Bürgern Dortmunds des 19. Jahrhunderts. Sein Engagement im Geiste Pestalozzis für die Bildung der niederen sozialen Schichten, gemeinsam mit Friedrich Harkort, Adolf Diesterweg und anderen, machten ihn zu einem der Vorkämpfer für ein demokratisches und soziales Bildungssystem.
Wenn wir heute ein alles in allem sehr gut ausgebautes Bildungswesen haben, und es Lehrern wirtschaftlich gut geht, so haben wir diesen Fortschritt Menschen wie Heinrich Schmitz zu verdanken, die zu Anfang des 19. Jahrhunderts den Mut hatten, sich dafür mit ganzem Herzen zu engagieren. Wir sind daher verpflichtet, ihm ein ehrendes Andenken zu bewahren.
Zum Beispiel durch den seit 2012 jährlich verliehenen Heinrich-Schmitz-Preis. Er wird ausgelobt für Schülerinnen und Schüler, die sich im Stadtbezirk Dortmund Innenstadt-West in besonderem Maße ehrenamtlich engagieren. Und auch eine kleine Feierstunde, die mittlerweile jedes Jahr zu Heinrich Schmitz’ Geburtstag am 3. Juli an seinem Grabstein im Westpark stattfindet, erinnert an diesen bedeutenden Dortmunder Schulmann. Immer dabei sind dann auch die Preisträger des Heinrich-Schmitz-Preises. Und einige Menschenfreunde, Freimaurer und Lehrer.
Quellen- und Literaturverzeichnis (relevante Auswahl):
StA Dortmund, Best. Nr. 3, lfd. Nr. 4447 (Heinrich-Schmitz-Stiftung)
Zeitgenössische Presseberichte im “Dortmunder Anzeiger”
Erdbrink, Fritz, Barich, Fritz: Verzeichnis der Lehrer und Lehrerinnen an den evangelischen Volksschulen zu Dortmund. 1570 bis 1. Juli 1913, in: Beiträge zur Geschichte Dortmunds und der Grafschaft Mark, Bd. 23, 1914
Pohlmann, Axel: Freimaurer in Dortmund/ Matrikel Alte Linde 1855 – 1935 (unveröffentlicht)
Sollbach, Gerhard E.: Schule und Staat in Dortmund im 19. Jahrhundert, in: Beiträge zur Geschichte Dortmunds und der Grafschaft Mark, Bd. 81/82, 1990/91
Timm, Willy: Isaak Hufschmidt (1811 – 1884), Ein bedeutender Schulmann, in: Heimat Dortmund, hrsg. v. Historischen Verein für Dortmund und die Grafschaft Mark e.V., H. 2/ 2005, S. 17f.
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