In einer Pressemitteilung informierte die Dortmunder Polizei am Montag (20. Dezember 2021) darüber, dass sie „ab sofort mit aller Konsequenz“ gegen unangemeldete „Spaziergänge“ der Querdenker-Szene in Dortmund und Lünen vorgehen wolle. Bereits am Montagabend bot sich bei einem erneuten „Spaziergang“ die potentielle Möglichkeit dazu. Doch nur wenige Teilnehmer:innen bekamen die neue Konsequenz der Polizei zu spüren. Unter den Teilnehmer:innen war auch ein bundesweit bekannter AfD-Politiker – Matthias Helferich aus Dortmund.
Polizei deutlich konsequenter als in vergangener Woche
Nach langen Beratungen der Führungsspitze der Dortmunder Polizei mit Polizeipräsident Gregor Lange, habe man sich dazu entschlossen, diese nicht angemeldeten Versammlungen konsequent zu unterbinden. bzw. rechtlich gegen die Verantwortlichen und Teilnehmer:innen dieser Aktionen vorzugehen.
Für die unangemeldete Versammlung am Montagabend wurden entsprechend deutlich mehr Einsatzkräfte bereitgestellt als noch in der Woche zuvor. Im dunklen Stadtgarten formierte sich ein erster Protestmarsch aus etwa 50 Menschen. Schnell stellten sich Einsatzkräfte der Bereitschaftspolizei in den Weg und versuchten den „Spaziergang“ zu beenden. Doch die Demonstrant:innen änderten einfach die Richtung und zogen in Richtung Thier-Galerie. Zeitweise waren etwa 100 Menschen als unangemeldete Versammlung verstreut am Wall unterwegs.
Teilgruppen wurden festgesetzt und Identitäten festgestellt
Nach einem hin und her durch die City, gelang es der Polizei eine größere Gruppe auf den Platz der Alten Synagoge zu führen und dort festzusetzen. Acht Personen mussten dort ihre Personalien angeben. Doch nach kurzer Zeit entwichen die Teilnehmer:innen des Spaziergangs an der Polizei vorbei.
In der Folge lief die Polizei hauptsächlich den verstreuten Gruppen hinterher oder wurde umlaufen. Oberhalb des Friedensplatzes wurden schließlich 15 Personen vorübergehend festgesetzt und dessen Personalien festgestellt.
Zwischenzeitlich nahm auch der Dortmunder Bundestagsabgeordnete Matthias Helferich an dem „Spaziergang“ teil. Der AfD-Politiker gab auf Nordstadtblogger-Nachfrage an, er gehe spazieren. „Darf ich das als Abgeordneter nicht?“ fragte er süffisant. Helferich war bundesweit dafür bekannt geworden, dass er sich in Chats als „Das freundliche Gesicht des NS“ bezeichnet haben soll. Nach kritischen Diskussionen darüber verzichtete er auf eine Mitgliedschaft in der Bundestagsfraktion.
Polizei wertet „Spaziergänge“ als eindeutige anmeldepflichtige Protestveranstaltungen
In der Mitteilung vom Montagmittag heißt es, diese sogenannten „Spaziergänge“ seien eindeutig Protestversammlungen gegen Corona-Schutzmaßnahmen und als solche anmeldepflichtig. Die Verabredungen zu solchen Veranstaltungen erfolgen meist in Chats, nicht selten im Messengerdienst „Telegram“. So auch an diesem Montag in Dortmund.
Auf „Telegram“ kursierte sogar eine Verhaltensanleitung für den Umgang mit der Polizei. Das macht es der Polizei schwer. Es werde von den Verantwortlichen bewusst und gewollt auf die Anmeldung ihrer Versammlung bei den zuständigen Behörden verzichtet, erklärt die Polizei. Für sie sei es damit unmöglich, den Schutz von Versammlungen zu planen, notwendige Auflagen zu verfügen und Konkurrenzen mit anderen möglichen Versammlungen zu prüfen.
Der Schutz von diesen oder mehreren miteinander konkurrierenden Versammlungen werde insbesondere der Polizei dabei deutlich erschwert. Hinzu komme, dass sich die Verantwortlichen durch Umgehung des Versammlungsrechts durch die Bewahrung ihrer Anonymität den Auflagen der Behörden zu entziehen versuchten.
Polizei will sich nicht auf gewolltes Katz-und-Maus-Spiel einlassen
Der Verfassungsschutz des Landes NRW stellt mit Blick auf die Querdenker-Szene eine zunehmende Bereitschaft zur Gewalt und eine klare Radikalisierung und Enthemmung fest. Hass und Hetze gegen Verantwortliche in der Politik und Handelnde der Sicherheitsbehörden nehmen immer mehr zu. Explizit sollen Guerillataktiken in der Szene thematisiert werden – dazu könnten und müssten auch die so bezeichneten „Spaziergänge“ gerechnet werden.
Der Dortmunder Polizeipräsident vertritt eine klare Rechtsauffassung im Hinblick auf die unterlassenen versammlungsrechtlichen Anmeldungen: „Verantwortliche und Angehörige der Querderdenker-Szene verstoßen bewusst und gezielt gegen das Versammlungsrecht, indem sie Ihre Versammlungen nicht bei der Polizei anmelden.“
„Die wohl organisierten Verabredungen in Chats, die Gleichzeitigkeit der Aktionen in zahlreichen Städten im Bundesgebiet zeigen klar die Strategie: Systematisch und zielgerichtet soll hier der Rechtsstaat ausgehebelt werden. Ein regelrechtes Katz- und Maus-Spiel dieser Szene mit dem Staat ist beabsichtigt. Das lassen wir hier in Dortmund nicht zu“, so Lange im Vorfeld.
Trotzdem glich das Geschehen am Montagabend zwischen Adlerturm und dem Dortmunder U diesem Spiel. Der „Spaziergang“ hatte sich schnell in kleinere Gruppen im Wallbereich verteilt. Die Polizei verteilte sich ebenfalls, um die Gruppen aufzuspüren. Damit waren die Polizist:innen an den Orten allerdings zu wenige, um eine dichte Sperre zu bilden. So ging dieser „Spaziergang“ länger und weiter als der in der vergangenen Woche.
Unangemeldete Versammlungen sind eine Straftat
Die Querdenker-Szene führe in der beschriebenen Art und Weise wiederholt und beabsichtigt einen rechtswidrigen Zustand herbei, erklärt die Polizei. Für einen Versammlungsleiter sei die Durchführung einer nicht angemeldeten Versammlung als Straftat zu bewerten. Diese Form der „Spaziergänge“ sind laut der Polizei somit ein Verstoß gegen die öffentliche Sicherheit.
Die Teilnehmer:innen eines solchen sogenannten „Spazierganges“ sollen in Zukunft über die Verbotsverfügung der Dortmunder Polizei in Kenntnis gesetzt werden. Entfernen sich die Teilnehmer:innen dann nicht unverzüglich aus dem betroffenen Bereich, sollen dementsprechende Anzeigen wegen der Verstöße gegen das NRW-Versammlungsgesetz erstattet werden.
Von der Anreise zu einem sogenannten „Spaziergang“ der Querdenker-Szene rät die Polizei daher auch dringend ab. In diesem Zusammenhang warnt die Dortmunder Polizei davor, sich von Rechtsextremisten instrumentalisieren zu lassen. Versammlungsrechtlich angemeldete Proteste gegen die Corona-Maßnahmen des Staates seien gelebte Demokratie. Dieser Grundgedanke gerate jedoch gehörig ins Wanken, wenn Rechtsextremisten diese Proteste unterwandern und für ihre Zwecke missbrauchen würden.
Dortmunder Polizei warnt davor, sich von Rechtsextremisten instrumentalisieren zu lassen
Der Dortmunder Polizeipräsident mahnt diesbezüglich: „Seit Beginn der Pandemie haben Rechtsextreme immer wieder versucht, Versammlungen gegen Corona-Beschränkungen zu unterwandern, um dieses Forum für ihre Zwecke zu missbrauchen.“
„Rechtsextremisten geht es nicht um die einzelnen staatlichen Maßnahmen zum Gesundheitsschutz der Bevölkerung. Ihr einziges Ziel ist und bleibt die Unterwanderung unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung und die Abschaffung unserer Grundrechte, auf die sie sich jetzt berufen“, so Lange.
Die Dortmunder Polizei werde weiterhin mit allen ihr zur Verfügung stehenden rechtsstaatlichen Mitteln zum Schutz des Staates und der Gesellschaft gegen solche Verfassungsfeinde vorgehen. „Das tun wir auch im Interesse derjenigen, die – mit welchem Anliegen auch immer – friedlich ihr Grundrecht auf Versammlungsfreiheit ausüben wollen und sich dabei an die geltenden Regelungen unseres Landes halten“, so der Dortmunder Polizeipräsident weiter.
Gerichtet an die Teilnehmer:innen solcher Versammlungen appelliert Gregor Lange: „Man kann nicht glaubwürdig für den Schutz demokratischer Freiheitsrechte auf die Straße gehen und dabei gleichzeitig und gleichgültig neben Neonazis und Demokratiefeinden stehen. Wer sich so verhält, ist unglaubwürdig und schadet unserer Freiheit und unserer Demokratie!“
Reader Comments
Mensch
Den Bildern nach zu urteilen ist diese Art von Veranstaltung sehr frauenlastig. Mütter, die Angst haben, ihre Kinder impfen lassen zu müssen? Menschen mit Angst vor (in der Öffentlichkeit verschwiegenen) Impfnebenwirkungen? Rechtsradikale stelle ich mir anders vor. Einfach mal unterstellen und behaupten, dann kann man (Polizei, Staat) sich dem Diskurs entziehen; schmutzig und mit böser Plattitüde, wie ich finde. Eine differenziertere Berichterstattung der Medien würde ich mir auch wünschen. Echten Journalismus eben.
Versammlung von Querdenkern in der Dortmunder-Innenstadt (PM POL-DO)
In der Dortmunder Innenstadt wird heute (27.12.) am frühen Abend eine angemeldete Versammlung aus der Querdenker-Szene stattfinden. Mit Blick auf die andauernde Coronapandemie, die immer noch stark erhöhten Infektionszahlen und Inzidenzwerte, auch bedingt durch die Omikron-Variante hat die Dortmunder Polizei sich in Abstimmung mit der Stadt intensiv auf diesen Einsatz vorbereitet. In der augenblicklichen Situation besteht gerade in Menschenansammlungen eine erhöhte Gefahr der Ansteckung – nicht nur für Versammlungsteilnehmende, sondern auch für die Einsatzkräfte der Polizei Dortmund.
Der Versammlungsanmelder hat einen Aufzug angemeldet. Für Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Versammlung gilt die Maskenpflicht. Startpunkt ist um 17.45 Uhr der Friedensplatz. Von dort geht es einmal über den Wallring und dann zurück auf den Friedensplatz. Verkehrsteilnehmer müssen am Abend mit deutlichen Verkehrsstörungen auf dem Wallring rechnen.
Wie bereits am vergangenen Montag hat die Querdenker-Szene auch für den heutigen Tag wieder zu einem ihrer sogenannten „Spaziergänge“ auch in Lünen aufgerufen. Das Polizeipräsidium Dortmund bleibt hier bei seiner Linie und bewertet diese als nicht angemeldete Versammlung, denn die Verantwortlichen verzichten hier, wie in der Vergangenheit, bewusst und gewollt auf die Anmeldung bei den zuständigen Behörden. Der Polizei wird dadurch die Möglichkeit genommen, gerade in Zeiten der Pandemie die erforderlichen Maßnahmen zum Gesundheitsschutz auch in Form der versammlungsrechtlichen Auflagen zu prüfen und vorzubereiten.