Rechtsextremer Kampfsport: Politische Agitation, Gewalt und Lifestyle verschmelzen mit dem „Kampf für Rasse und Nation“

Dr. Thomas Pfeiffer vom NRW-Verfassungsschutz widmet sich rechten Gewalt- und Erlebniswelten. Fotos: Alex Völkel
Dr. Thomas Pfeiffer vom NRW-Verfassungsschutz widmet sich rechten Gewalt- und Erlebniswelten. Fotos: Alex Völkel

Gewaltaffine Fußballszenen und Rechtsrock galten über Jahre als zentrale Säulen der Erlebniswelt des Rechtsextremismus und dienten der Vernetzung rechtsextremer Akteure – lokal, national und international. In jüngster Zeit tritt vor allem Kampfsport hinzu.Grund genug, bei diesem Thema genauer hinzuschauen. 

Die Akteure aus Dorstfeld spielen im rechtsextremen Kampfsport eine wichtige Rolle

Neonazis versuchen auf den verschiedensten Wegen, sich an neue Zielgruppen „ranzuwanzen“. Das ist nicht neu, sondern seit Jahrzehnten ein Thema. Früher waren es  vor allem die Musik – hier der Rechtsrock – und der Fußball (die „Borussenfront“ als Beispiel) der als Türöffner dienen sollten. Mitte der 2000er Jahre dann der mehr oder weniger erfolgreiche Versuch, vom Skinhead-Schläger-Image weg- und als „Autonome Nationalisten“ besser an junge Leute heranzukommen, in dem sie Formen, Symbole und Lifestyle der linken Szene kopierten. Zudem versuchen sie auch schon lange, auf verschiedenen Ebenen als Kümmerer aufzutreten – sie engagieren sich in Elterninitiativen, Sport- und anderen Vereinen oder der Freiwilligen Feuerwehr.

Besonderes Augenmerk legen die Dortmunder Neonazis seit einigen Jahren auf dem Kampfsport. Während sie auf den anderen Feldern an Bedeutung verloren haben, spielen die Akteure aus Dorstfeld im rechtsextremen Kampfsport eine wichtige Rolle. Damit beschäftigte sich jetzt auch die prominent besetzte und gut besuchte Fachtagung „Gewalt – Dynamik. Rechtsextreme Aktivitäten im Kampfsport“ im Dietrich-Keuning-Haus.

Kampfsport als „Trainingsplatz“ für politische Gewalt und Straßenkampf

Die „Schwarze Sonne“ im Hintergrund des Titelbildes ist ein beliebtes Motiv bei Neonazis.

Rassismus, Homophobie und Wehrhaftigkeit sowie Vorstellungen von Männlichkeit, Härte, Disziplin und Wehrhaftigkeit verbinden sich mit modernen Kampfevents. Kampfsport dient als Trainingsplatz für politische Gewalt und Auseinandersetzungen auf der Straße. Die Triebfeder sind auch kommerzielle Interessen: Trainingsstudios, Modelabels und Wettkämpfe tragen zur Finanzierung rechtsextremer Strukturen bei.

Aus Sicht dieser Szene besonders attraktiv sind diejenigen Kampfsport-Disziplinen, die dem Straßenkampf technisch am nächsten kommen, etwa Mixed Material Arts (MMA) oder Kickboxen. Sie sind überwiegend nicht in klassischen Vereinsstrukturen organisiert, sondern auf einem unübersichtlichen Markt: Es existieren mehrere Verbände gleichzeitig, ebenso wie eine ganze Reihe an Veranstaltern, die eigene Events durchführen und Titelkämpfe in den unterschiedlichen Gewichtsklassen austragen. 

In diesen internationalen Kampfsport-Welten bilden Rechtsextremisten keine hermetisch abgeschottete Nische. Sie trainieren auch in Studios und Hallen, in denen viele andere aktiv sind, die dem Rechtsextremismus keinesfalls nahestehen. Kontakte oder Überschneidungen mit gewaltorientierten Fußballszenen sind nicht selten.

Politische Agitation, Freizeitaktivität und Lifestyle verschmelzen auch beim Kampfsport

Wegen der Symbole, Namen und Motive ist die Marke bei Neonazis sehr beliebt.
Politische Agitation, Freizeitaktivität und Lifestyle verschmelzen beim Kampfsport.

Die Veranstaltung hat daher die Verbindung von Rechtsextremismus und Kampfsport in den Blick genommen. Sie zeigte zudem auch Ansätze und Projekte innerhalb des Kampfsports auf, die rechtsextremen Raumgewinnen entgegenwirken und das eigene Sportverständnis auf der Basis demokratischer Werte nach innen und außen deutlich machen.

Dr. Thomas Pfeiffer vom NRW-Verfassungsschutz widmet sich speziell dem Thema Gewalt- und Erlebniswelten und hinterfragt, warum sich ein junger Mensch dem Rechtsextremismus annähert – und warum freiwillig? „Er wird ja meistens nicht gezwungen – also was lockt und reizt?“ Er sieht das im möglichen „Mehrwert“, den eine Hinwendung oder Mitgliedschaft bedeutet: Zugehörigkeit, Action, Anerkennung, Selbstaufwertung seien Faktoren, die auch beim Kampfsport eine Rolle spielen.

Bei allen Fomen, mit denen sich der Rechtsextremismus gezielt an Jugendliche wendet, verschmelzen politische Agitation, Freizeitaktivität und Lifestyle – das macht Pfeiffer als „Reiz und Attraktivitätsmoment“ der Neonazi-Szene aus. Sowohl mediale als auch nicht-mediale Erlebniswelten fänden sich im Kampfsport. Das Event als reales Ereignis, aber auch eine breite Palette an Videos, Podcasts und vieles mehr finden sich im Netz, wo rechtsextremer Kampfsport thematisiert wird.

Die Suche nach Dominanz und dem „Wir-Gefühl“ als Schlüsseltriebfedern

Hooligans verabreden sich zum Kämpfen - und trainieren mit Nazis zum Straßenkampf. (Archivbild)
Hooligans verabreden sich zum Kämpfen – und trainieren auch mit Neonazis zum Straßenkampf. (Archivbild)

Die umfassten drei Dimensionen – Sinnwelten, Erfahrungswelten und Emotionswelten. Zum einen gebe es im Rechtsextremismus „inhaltliche Angebote, die die Welt so klar machen, dass sie nicht klarer sein könnte, die in Gut und Böse einteilen, wo ich weiß, dass ich zur guten und richtigen Seite gehöre“, so Pfeiffer.

Zudem sei die Suche nach Dominanz eine Schlüsseltriebfeder, aber auch die Suche nach dem „Wir-Gefühl“, verbunden mit dem Versprechen – nicht der Realität – dass die Person dazu gehöre, jemand sei und zu etwas Großem gehöre. Der Kampfsport eröffnet Neonazis neue Möglichkeiten. Denn er ist Teil eines modernen Trends, der weit über den Rechtsextremismus hinaus geht. 

Er biete Schnittstellen zu modernen Jugendkulturen und eine Verknüpfung zu zeitgenössischen Lebensgefühlen. Das macht den Kampfsport so gefährlich. Denn frühere Angebote wie die „Wiking-Jugend“ oder die „Heimattreue deutsche Jugend“, die die NS-Zeit bis hin zu Kleidung und Formen abbilde, seien zwar wegen der Indoktrinierung von Kindern gefährlich, aber verfügten nicht über die Breitenwirkung. 

„Da traue ich dem Kampfsport sehr viel mehr zu. Zudem gibt es informelle Strukturen“, so Pfeiffer. Die Aktiven bewegten sich nicht in dem, was manche für verstaubte Strukturen des etablierten Sports halten. Dazu gibt es die Traditionslinie zum „Freefight“ – dem Straßenkampf ohne Regeln. Dazu gibt es authentische Underground-Events und schließlich einen gewissen Glamour-Faktor. 

„Kampf der Nibelungen“ mit 850 Teilnehmenden wird von Dortmundern organisiert

Das Thema Kampfsport und dazugehörige Events wie der „Kampf der Nibelungen“ spielen in der Szene eine große Rolle. Foto: Screenshot Facebook
Das Thema Kampfsport und dazugehörige Events wie der „Kampf der Nibelungen“ spielen in der Szene eine große Rolle. Foto: Screenshot Facebook

In diesem Dunstkreis des Kampfsports mischen die Dortmunder Neonazis kräftig mit. Zwischen 2013 und 2017 wurde der „Kampf der Nibelungen“ (KdN – früher „Ring der Nibelungen“) konspirativ organisiert. Weitere Events kamen hinzu, so im April 2018 erstmals das „Festival Schild & Schwert“ oder in den Jahren 2018 und 2019 „Tiwaz – Kampf der freien Männer“ sowie die Heureka-Kongresse (Wardon), die den Kampfsport ideologisch untermauerten.

Diese Breitenwirkung sorgte dafür, dass der 6. „Kampf der Nibelungen“ mit Oktober 2018 mit 850 Teilnehmenden stattfand. Erst 2019 – nach den Vorfällen im Chemnitz – schritten die Behörden ein und erreichten im Oktober 2019 ein Verbot der Großveranstaltung. 

„So verdichteten sich […] Anhaltspunkte dafür, dass die Kampfsportveranstaltung durchgeführt werden solle, um die Teilnehmer zunehmend auf den Kampf gegen das System physisch und psychisch vorzubereiten und einzuschwören. Auch die Verlautbarungen des Veranstalters ließen den Schluss zu, dass der Kampfsport in letzter Konsequenz auch gegen andere und das politische System insgesamt trainiert werden solle. […]“, betonte das Sächsisches Oberverwaltungsgericht, Bautzen (11.10.2019)

„Die Annahme, dass die Kampftechniken, wie sie bei der Kampfsportveranstaltung gezeigt werden sollen, auch gegen Polizeikräfte zum Einsatz kommen sollen, ist, wie die Ereignisse in Chemnitz gezeigt haben, nicht fernliegend“, so das Gericht weiter. Dabei handelt es sich allerdings nur um eine Eilentscheidung. Das Hauptsacheverfahren steht noch aus. Bis dieses entschieden ist, will Organisator Alexander Deptolla auch keine neuen Events ansetzen. Im Corona-Jahr 2020 gab es den KdN nur als Online-Stream.

Führende Köpfe sind Alexander Deptolla aus Dortmund und Denis Kapustin („Nikitin“)

Parteifunktionär Alexander Deptolla ist Organisator des „Kampf der Nibelungen“. Foto: Alex Völkel
Der Dorstfelder Parteifunktionär Alexander Deptolla ist Organisator des „Kampfes der Nibelungen“.

Organisator Alexander Deptolla ist in Dortmund kein Unbekannter: Er kann als die Führungsperson der Dortmunder Neonazi-Szene angesehen werden, nach dem Michael Brück nach Chemnitz gegangen ist und Sascha Krolzig (wie viele weitere Kameraden) in Haft kam.

Deptolla ist seit April 2021 Landesvorsitzender der Partei „Die Rechte“ in NRW, seit Jahren Mitorganisator des KdN und seit Oktober 2019 hauptverantwortlich für diesen wichtigen Kampfsport-Event. 

Seit den 2000er Jahren mischt er bei den Autonomen Nationalisten bzw. dem Nationalen Widerstand Dortmund mit und war 2009 einer der Hauptbeschuldigten nach Übergriffen gegen DGB-Kundgebung – wurde allerdings freigesprochen.

Zweiter wichtiger Akteur der Kampfsportszene ist Denis Kapustin („Nikitin“). Dabei handelt es sich um einen europaweit aktiven und vernetzten rechtsextremistischer Kampfsportler, Trainer, Organisator und Händler. Er ist seit 2008 Inhaber des Labels „White Rex“ und hat maßgeblich zur Professionalisierung rechtsextremistischer Kampfsportevents beigetragen. Da er seit 2019 einem Einreiseverbot für Deutschland und den weiteren Schengen-Raum unterliegt, sind seine Aktivitäten in Deutschland derzeit eingeschränkt.

Die Opfer- und Normalitäts-Diskurse richten sich gegen die „Political Correctness“

AfD - Ausstellung
Die AfD hat die Grenzen und „Roten Linien“ des Sag- und Machbaren immer weiter nach rechts verschoben.

Der Kampfsport, den diese und andere Akteure vorantreiben, unterliegt nach Ansicht von Dr. Thomas Pfeiffer einer ideologischen Rahmung. Vier Facetten macht er aus: Den Opfer- und Normalitätsdiskurs, die rassistische Bestimmung der „Wir-Gruppe“, den Diskurs gegen die Moderne und den Kampfdiskurs gegen „das System“. 

Die Opfer- und Normalitäts-Diskurse richten sich vor allem gegen die „Political Correctness“. Dabei werden – wie bei der AfD – die Grenzen und „Roten Linien“ des Sag- und Machbaren immer weiter nach rechts verschoben. Dazu kommt die „rassistische Bestimmung der Wir-Gruppe“. Damit knüpft das „Kampfsportevent für weiße Menschen“ an den Mythos der Rasse als zentrales Ideologem im Nationalsozialismus an. 

Allerdings haben die Neonazis diese Begriff etwas verändert: Sie vertreten die „Pan-Arische Weltanschauung“ die deutlich weiter ausgreift und – anders als die „ur-arische Ideologie“, nicht abwertend gegen slawische Völker gerichtet ist. 

Das wäre auch ein Problem: Denn Osteuropa und viele Länder bis hin zur Ukraine und Russland spielen nach Ansicht des Verfassungsschutzes eine wesentliche Rolle im Kampfsport, wie das Beispiel von „Nikitin“ zeigt. „Das wäre ideologisch nicht machbar, wenn man am ursprünglichen Rassebegriff festhielte“, betont Thomas Pfeiffer.

„Diskurs gegen die Moderne“ als Gegenbild zum verweichlichten Menschen

Wegen seiner „N.S.heute“ wurde gegen
Wegen seiner „N.S.heute“ wurde gegen „Schriftleiter“ Sascha Krolzig Anklage erhoben. (Screenshot)

Den „Diskurs gegen die Moderne“ verstehen die Neonazis als Gegenbild zum verweichlichten Menschen – sie propagieren den archaischen Menschen oder auch den Germanen. Dies wird beispielsweise durch den „Heureka-Kongress“, eine Rednerveranstaltung, untermauert. Dabei wird der Kampfsport ideologisch überspannt.

Ebenfalls wichtig ist der „Kampfdiskurs gegen ,das System’“. Das findet sich auch partiell im „Wir über uns“ beim Kampf der Nibelungen“: Darin heißt es: „Wir sind der Überzeugung, dass unsere Leidenschaft zum Sport fest zusammenstehende Gemeinschaften formt, welche in der Tiefe ihrer Bindung in den von Materialismus und grenzenloser, individueller Selbstverwirklichung bestimmten demokratischen Gesellschaften selten zu finden sind.“ 

Untermauert wird das auch im in Dorstfeld ansässigen Magazin „N.S. Heute“: Darin heißt es: „Beim KDN treten stolze Europäer an, die ihre Wurzeln noch kennen und für ein weißes Europa der Vaterländer stehen, statt es zu einer multikulturellen Kloake verkommen zu lassen“, beschreibt es einer der Teilnehmenden.

„Straight Edge“ zur Entwicklung des „wehrhaften gesunden (Volks-) Körpers“

Die Erlebniswelt Kampfsport wird durch Ideologie, aber auch durch Lifestyle gerahmt. Dazu passt auch die Grundhaltung „Straight Edge“ – eine subkulturelle Bewegung, die den Verzicht von Alkohol, Zigaretten und Drogen propagiert. Auch Veganismus passt dazu, bzw. gehört dazu.

Dr. Thomas Pfeiffer vom NRW-Verfassungsschutz widmet sich speziell dem Thema Gewalt- und Erlebniswelten.
Dr. Thomas Pfeiffer vom NRW-Verfassungsschutz widmet sich speziell dem Thema Gewalt- und Erlebniswelten.

Diese Einstellungen haben auch Teile der Neonazis für sich entdeckt – und auch dies ideologisch eingebettet: Es geht darum, einen „Wehrhaften gesunden (Volks-) Körper“ zu entwickeln – auch wenn dies ein verächtlicher Blick auf andere rechte Jugendkulturen ist. Eigentlich entstanden als Gegenströmung zu Punk und Co., findet sich das auch im Kampfsport wieder. 

Die Kampfsportvereinigung „Wardon 21“ zelebriert „Straight Edge“. In einer Selbstdarstellung heißt es: „Unser Körper ist unsere Festung, die einen gesunden Geist birgt. Wir verstärken den Schildwall unseres Glaubens durch das vorangetragene Kreuzen unserer Arme und als Bekenntnis zur Freiheit durch eine volksgesundheitliche Lebensweise in Verhalten und Konsum.“

„Es geht darum, besonders bewusst und nachhaltig zu leben, auch moralisch höherwertig“, so Pfeiffer. Das strahlt auch auf die rechtsextreme Straight-Edge-Bewegung ab. Diese „Stärke und moralische Überlegenheit“ werde konsequent in jeden Teil des Alltags integriert. „Wir sind die Elite und die Avantgarde des Rechtsextremismus“, macht Pfeiffer deutlich.

Doch diese Bereiche würden ohne Alkohol kaum funktionieren: „Das wird sich reiben“, ist sich der Experte sicher. Denn dies stehe auch dem Brückenschlag ins Rockermilieu im Weg, da diese Szene auch mit dem Drogenhandel verbunden ist. Dennoch gebe es Überschneidungen zu Rocker- und Türsteher-Milieu.

Merchandising und Professionalisierung beim Eventmanagement sind wichtig

Auch beim „Kampf der Nibelungen“ ist das Merchandising wichtig – zur Identifikation und natürlich als Einnahmequelle.

Die ideologische Rahmung manifestiert sich auch im Merchandising, das für die Kampfsportszene eine sehr hohe Bedeutung hat. Das gilt auch für andere Bereiche der rechtsextremen Szene. Dabei geht es vor allem um Identität, aber auch darum, Einnahmen zu erzielen. Die gesamte Kampfsportszene ist davon durchdrungen. Der „Kampf der Nibelungen“ ist daher auch ein eingetragenes Markenzeichen.

Aber auch beim rechtsextremen Kampfsportturnier „Tiwaz – Kampf der freien Männer“ spielt es eine Rolle. Das Turnier schließt nahtlos an andere rechte Kampfsport-Veranstaltungen wie den „Kampf der Nibelungen“, den „Day of Glory“ in Frankreich oder den „Triumph of Will“ in Ungarn an. 

„Alle rechtsextremen Labels und Akteure stehen – und das ist durchaus ungewöhnlich – im wesentlichen in einem kooperativen Verhältnis, auch wenn es um Wettbewerb, Größe, Prestige und Geld geht“, so Pfeiffer. Besonders kooperativ sind sie dann, wenn sie, wie beim „Kampf der Nibelungen“, zur eigenen „Kampfgemeinschaft“ zählen.

Die Professionalisierung ist ein wichtiges Stichwort. Denn mit einem erfolgreichen Eventmanegement konnte sich der „KdN“ in der Szene einen guten Namen machen. Die Veranstaltung hat mehrere Jahre legal stattgefunden – es gab offenbar keinen Anlass für Repression und „geordnete Verhältnisse“. Vor Ort waren Ärzte, Sanitäter, Ring- und Punktrichter sowie eine professionelle Promotion – auch online. 

Die gestiegene „Gewaltkompetenz“ spielt in der Nazi-Szene eine große Rolle

Hooligans verabreden sich zum Kämpfen - und trainieren mit Nazis zum Straßenkampf. (Archivbild)
Hooligans verabreden sich zum Kämpfen – und trainieren mit Nazis zum Straßenkampf. (Archivbild)

Das Sächsische Oberverwaltungsgericht hatte das Verbot mit der Gefährdung der öffentlichen Ordnung und der Vorbereitung auf dem Kampf gegen das politische System begründet. Die gestiegene „Gewaltkompetenz“ spielt in der rechtsextremen Szene eine große Rolle – insbesondere mit Blick auf den „straßenkampftauglichen Kampf“. „Das hat für das Verbot des Kampfs der Nibelungen eine wesentliche Rolle gespielt“, macht Pfeiffer deutlich.

Im Wortlaut der Begründung des Gerichts heißt es: „So verdichteten sich […] Anhaltspunkte dafür, dass die Kampfsportveranstaltung durchgeführt werden solle, um die Teilnehmer zunehmend auf den Kampf gegen das System physisch und psychisch vorzubereiten und einzuschwören. Auch die Verlautbarungen des Veranstalters ließen den Schluss zu, dass der Kampfsport in letzter Konsequenz auch gegen andere und das politische System insgesamt trainiert werden solle“, urteilte das Sächsische Oberverwaltungsgericht in Bautzen am 11.10.2019.

Und weiter: „Die Annahme, dass die Kampftechniken, wie sie bei der Kampfsportveranstaltung gezeigt werden sollen, auch gegen Polizeikräfte zum Einsatz kommen sollen, ist, wie die Ereignisse in Chemnitz gezeigt haben, nicht fernliegend.“   Deshalb wies das Oberverwaltungsgericht eine Eilklage der Veranstalter ab.

Damals waren bei den Auseinandersetzungen Polizisten mit Kampfsporttechniken außer Gefecht gesetzt worden. „Doubleleg-Takedown ist offensichtlich geeignet, in Straßenkampfsituationen gegen Gegner und Polizei gezielt zu punkten. Das waren Gründe für Gerichte, dass hier zumindest eine erhebliche Gefahr vorhanden ist“, so Pfeiffer. Im Hauptsache-Verfahren ist allerdings noch nicht entschieden worden.

Internationalisierung als Ziel – „weltweiter Kampf für Rasse und Nation“

Die Fachtagung stieß auf großes Interesse zum Thema rechtsextremer Kampfsport stieß auf großes Interesse. Foto: Alex Völkel
Die Fachtagung stieß auf großes Interesse zum Thema rechtsextremer Kampfsport stieß auf großes Interesse.

Die Internationalisierung ist bei der Kampfsport-Szene wichtig: Dabei ist die Ausweitung das Ziel. Es geht um ein internationales Netzwerk und auch den internationalen Markt. „Das ist nicht neu und gab und gibt es auch bei rechtsextremer Musik. Beim Kampfsport zeigt sich das aber besonders deutlich. ,Der Kampf der Nibelungen’ ist ein neuralgisches Ereignis für die europäische Szene – das größte rechtsextreme Kampfsportevent in Europa.“

Die Internationalität spielt auch hier ideologisch eine Rolle und werde als „weltweiter Kampf für Rasse und Nation“ gesehen. Diese Mentalität wird auch im Kampfsport transportiert: So könnten sich die einzelnen Akteure an einer Sache beteiligen, die weit größer sei als sie selbst. Das hat Folgen: „Der Kampfsport trägt erheblich zur Modernisierung des Rechtsextremismus und seiner Erlebniswelten bei“, zieht der Verfassungsschützer ein (Zwischen-) Fazit. 

Bei der Internationalisierung mischen sich geschäftliche und politische Interessen. Dazu kommt die Professionalisierung der Gewaltkompetenz – gegen das System und politische Gegner. „Staatliche Maßnahmen haben Raumgewinne im Kampfsport erschwert. Aber es ist eine Illusion, sich darauf zu verlassen, dass Repression es richten wird. Repression hat beigetragen, Innovationen zu fördern“, so Pfeiffer. 

„Repression ist immer eine wichtige Seite, aber wird alleine nicht ausreichen. Daher machen wir ja auch heute die Tagung“, sagte er mit Blick auf das sehr heterogene und vielschichtige Feld der Teilnehmenden. Dabei ging es unter anderem auch um die „Dortmunder Perspektiven aus der Praxis“. 

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