Freiflächen- und Fassadengestaltung sind Schwerpunkte von Maßnahmen zur Aufwertung der Vonovia-Großsiedlung in Dortmund-Westerfilde. Eine entsprechende Vereinbarung haben Stadt und Wohnungsgesellschaft nun getroffen. Die Vorhaben sind Teil einer Stabilisierungs- und Entwicklungsstrategie des häufig als Problemquartier angesehenen Stadtteils und werden mit knapp einer halben Million Euro aus städtischen, Landes- und Bundesmitteln gefördert; Vonovia selbst investiert knapp 1,5 Millionen.
Westerfilde – ein Dortmunder Stadtteil mit problematischer Gemengelage und schlechtem Image
Der Stadtteil Westerfilde hat einen schlechten Ruf. Das ist an sich kein Drama, denn Wahrnehmung oder Meinung hier, Realität dort – decken sich nie. Entscheidend ist ihr jeweiliger Abstand zueinander. Aber auch da verspricht ein erster Blick wenig rosiges. Der nach statistischer Taxonomie als „Unterbezirk“ geltende Vorort im Stadtbezirk Mengede weist von seinen Kennziffern her Problempotential aus.
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Die Arbeitslosenquote in Westerfilde beispielsweise liegt seit langem weit über dem kommunalen Durchschnitt; gleiches gilt für den Anteil von BewohnerInnen mit Migrationshintergrund. Und dann ist da die Wohnsituation: noch im Jahr 2008 kam eine „kleinräumige Quartiersanalyse“, die in drei größeren Siedlungsgebieten des Stadtteils durchgeführt wurde (s.u.), zu wenig erfreulichen Ergebnissen.
Seinerzeit fielen in dem Abschlussbericht zu den untersuchten Kleinquartieren u.a. Ausdrücke wie: „sehr hohe Leerstandsquote“, „Modernisierungsstau“, „ständig wechselnde Eigentümer/Insolvenzverwaltung“. Für die Speckestraße/Gerlachweg wurde von „Angsträumen“ gesprochen, ein „schlechtes Außenimage“ wunderte niemanden. Das Schreckgespenst der „Ghettoisierung“ geht um, bis heute.
Quartiersentwicklung geschieht vor dem Hintergrund der „nordwärts“-Kulisse
Doch es tut sich was: die Stadt versucht, die Probleme anzupacken; meckern kann jeder. Dafür braucht es auch eines schonungslosen Blicks – weswegen jenseits des „Röstigrabens“, also im Dortmunder Norden, solche Quartiersanalysen vom Amt für Wohnungswesen in den letzten Jahren reihenweise beauftragt wurden.
Mit ihnen sollen sowohl Risiken wie Chancen eines Wohnquartiers analysiert und in Handlungsoptionen überführt werden.
Ziel ist Entwicklung: sozial, wirtschaftlich, kulturell, ökologisch – wo es strukturelle Benachteiligungen gibt. Für diese Strategie steht in Dortmund das Generationenprojekt „nordwärts“, angelegt auf zehn Jahre, dessen Gebietskulisse fast 50 Prozent des Stadtgebietes mit unzähligen Teilprojekten umfasst.
Vor diesem Hintergrund seien die Anstrengungen der Stadtverwaltung in Westerfilde zu verstehen, betont OB Ullrich Sierau. Es geht also um Stadtteilerneuerung, um Quartiersentwicklung, soviel ist klar. Ein vielversprechendes Mittel zu diesem Zweck ist Wohnraumqualifizierung im engeren Sinne: es dort, wo sich Menschen aufhalten und begegnen können, für sie ein wenig angenehmer zu gestalten.
Wohnen und Leben sollen durch gezielte Wohnumfeldgestaltung attraktiver werden
Das hat insofern nachvollziehbare Gründe, als das Wohnen im Stadtteil in der Quartiersanalyse schlecht weggekommen war. Und, wo Menschen sich in ihrem Zuhause und im Wohnumfeld nicht wohl fühlen, werden eventuell vorhandene Neigungen befördert, die einem prosperierenden Zusammenleben wenig dienlich sind. Um aber ein veränderndes Geschehen wirkungsvoll in Gang zu bringen, braucht es selbstredend alle relevanten Akteure vor Ort.
Das sind in diesem Fall neben den AnwohnerInnen selbst und der Kommunalverwaltung die Eigentümer der größeren Wohnbestände im Stadtteil. Dazu gehört in Westerfilde – nach mehrfach wechselnden Besitzverhältnissen – und in erheblichem Umfang gegenwärtig die Vonovia SE: das größte bundesdeutsche Wohnungsunternehmen mit einem Börsenwert von etwa 24 Milliarden US-Dollar, Stand Mitte 2018.
Auch deren Ruf ist durchaus ausbaufähig, das ist kein Geheimnis in Dortmund. Immer wieder kam es in den letzten Jahren zu Mieterprotesten beispielsweise wegen fragwürdiger Betriebskostenabrechnungen oder versteckter Instandhaltungskosten in Modernisierungsumlagen, die dort nicht hingehörten, sich dadurch aber in Mieterhöhungen spiegeln, usf. Einerseits ist diese Liste lang.
Öffentliche Vorleistungen als Voraussetzung für privatwirtschaftliche Investitionen im Stadtteil
Andererseits hat das Unternehmen neben anderen Eigentümern von Wohnbeständen in Westerfilde und zusammen mit der Stadt vor einigen Jahren etwas unterzeichnet, was Sierau jetzt ein „Memorandum of Understanding“ nennt. In dem Papier habe im Prinzip gestanden: „Wir alle, die wir unterschreiben, wollen was Gutes tun.“ In und für Westerfilde, versteht sich.
Der OB ist sichtlich zufrieden: „Ich bin sehr dankbar, dass Vonovia sich hier nicht verschlossen hat, sondern im Gegenteil eigentlich Impulsgeber war“, gibt er beim Überreichen der Fördervereinbarung an den Regionalleiter der Kapitalgesellschaft, Ralf Peterhülseweh, zu Protokoll.
Insgesamt wird das Unternehmen fast 1,5 Millionen Euro an Ort und Stelle für Maßnahmen der Wohnraumaufwertung investieren; knapp eine halbe Million sollen aus städtischen, Landes- und Bundesmitteln des Städtebauförderungsprogramms „Soziale Stadt“ drauf gelegt werden. – In den Augen der Stadt ein Teil jener Vorleistungen, die den, wie Sierau sagt, öffentlichen Rahmen für Quartiere und den Einsatz von Instrumenten wie Mitteln als Voraussetzung für private Folgeinvestitionen gäben.
Nach Vonovia sieht die Kommune auch andere Eigentümergesellschaften in der Pflicht
Denn natürlich gibt sich niemand der Illusion hin, dass dies auch ohne kommunales Engagement und der damit verbundenen, verlässlichen Perspektive für den Stadtteil hätte erwartet werden können. Der Punkt aber ist: „Vonovia hat Wort gehalten“, betont Sierau explizit.
Keine Selbstverständlichkeit: ob dies auch bei anderen, die das Papier gezeichnet hätten, der Fall sein werde, könne er nicht sagen.
Die Anderen – das sind jene Eigentümer mit Großimmobilien in Westerfilde, die sich bislang offenbar nicht zu ähnlichen Investitionen für die Gestaltung von deren Wohnumfeld durchringen konnten. Gespräche liefen hier teilweise.
Für deren etwaige Ausgänge hat der OB während der offiziellen Übergabe der Fördervereinbarung schon einen Hinweis in Sachen Verantwortung für das Quartier: könne die nicht wahrgenommen werden, war aus seinen Worten deutlich herauszuhören, wäre ggf. eben zu überlegen, wie sie auf anderen Schultern verteilt werden könne.
Das mag zwar umsetzungsbezogen heiße Luft sein, es ist jedenfalls ein deutlicher politischer Hinweis.
Maßvolle Modernisierung südlich der Westerfilder Straße, „um attraktive Mieten gewährleisten zu können“
In Westerfilde selbst verändert sich augenblicklich zumindest einiges. Seit 2016 seien die dortigen Gebäudebestände einer maßvollen energetischen Modernisierung unterzogen worden, wie Ralf Peterhülseweh versichert: „orientiert an den Bedarfen des Objektes, auch, um attraktive Mieten gewährleisten zu können“. Dies betrifft den Bereich südlich der Westerfilder Straße mit frei finanziertem Wohnraum. Jetzt ginge es um die Außenanlagen, das Wohnumfeld: es so aufzuwerten, dass sich die BewohnerInnen dort auch wohlfühlten.
Wie hoch im Einzelfall die Modernisierungsumlagen auf die Mieten sind, war nicht in Erfahrung zu bringen. Auch der Mieterverein Dortmund konnte auf Nachfrage von nordstadtblogger hierzu keine Angaben machen.
Dagegen gilt für das nördlich der Westerfilder Straße gelegene Quartier Vonovia zufolge: nach Abschluss der Modernisierung könne dort preisgebundener Wohnraum mit 5,60 Euro pro Quadratmeter für 110, entsprechend 30 Prozent der dortigen Wohnungen angeboten werden.
Und: „Ein wesentlicher Baustein dieses Quartiersentwicklungskonzepts ist die Mietermitbestimmung“, betont der Regionalleiter von Vonovia. Es sei nicht über die Köpfe der MieterInnen hinweg geplant, sondern vielmehr mit ihnen die Wohnumfeldgestaltung in Angriff genommen worden.
Schattenrisse als Geschichten, „die dazu führen sollen, dass die Menschen sich identifizieren“
Was bisher dabei herausgekommen ist, sind u.a.: verschiedene Aufenthaltsplätze, eine Boulebahn, Spielplätze, kleine Gärten, ein Gemeinschaftsgarten, in dem sich mutmaßlich grüne Hände unter Anleitung versuchen können. Alles in Zusammenarbeit mit der Stadt über das Quartiersmanagement und dessen Vernetzung mit den AnwohnerInnen.
Und dann wäre da noch das Erbe einer monotonen Baustruktur der Großsiedlungen aus den 60er und 70er Jahren – zu ändern nur bei Strafe von Abriss. Die etwas moderatere Idee der PlanerInnen: ein Fassadenkonzept mit frohen Farben, die ein mediterranes Flair vermitteln. Dazu klassische Gartenmotive, ergänzt mit Schattenrissen von aktuellen Bewohnerinnen, um einen lebendigen Zeitbezug herzustellen.
Susanne Linnebach, Abteilungsleiterin Stadterneuerung, macht klar: solche Silhouetten von Menschen, die in Westerfilde lebten, wie eine Frau Hohmann mit ihrem Hund – das seien Geschichten, „die dazu führen sollen, dass die Menschen sich identifizieren“. Darin liegt wohl der Kern aller Bemühungen.
Kosten für Fassaden- und Freiflächengestaltung werden nicht auf die Mieten umgelegt
Die studierte Raumplanerin erklärt: mit der Gestaltung sei es auch darum gegangen, „Identität schaffen und die Verbindung der Menschen zu dem Stadtteil stärker in den Vordergrund zu rücken“. Durch die Bilder berühmter Maler an den Fassaden könne zum Beispiel den einzelnen Gebäuden noch einmal eine besondere Identität gegeben werden – nach dem Motto: „Ich wohne in dem Haus, wo das Monet-Bild drauf ist.“
Zum anderen Schwerpunkt der konzertierten Bemühungen, zur Freiflächengestaltung: es gäbe zwar viele Kinder und viele Freiflächen in Westerfilde, aber oft ohne Aufenthaltsqualität. Daher sei ein Ziel gewesen, diese Flächen der privaten Wohnungsunternehmen auch für die übrigen Kinder im Quartier nutzbar zu machen. Das würde nun über Vonovia auf deren Grundstücken umgesetzt.
„Wir versuchen, den Stadtteil in ein anderes Licht zu rücken“, also weg vom besagten Image eines Problemquartiers, und „eine positive Stimmung zu erzeugen“, fasst die Spezialistin für Stadterneuerung zusammen – und fügt als wichtige Information für alle MieterInnen hinzu: „640 Wohneinheiten profitierten von der Gestaltung; und die Maßnahmen, die umgesetzt worden sind, werden kostenmäßig nicht auf die Miete umgelegt“.
Weitere Informationen:
- Evaluationsbericht über die kleinräumigen Quartiersanalyse „Westerfilde“, hier:
- Abschlussbericht der kleinräumigen Quartiersanalyse „Westerfilde“, hier:
- Aktionsplan Soziale Stadt Dortmund, hier:
- Eine großangelegte Studie zur sozialen, ethnischen und demographischen Segregation in bundesdeutschen Großstädten, darunter Dortmund, von Mai 2018, hier:
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Ute Görsch
Ich wohne seit einem jahr in westerfilde es werden immer mehr ausländer es wird vermüllt was nicht normal ist so das sich ratten tummeln wenn ich früh oder spätschicht habe ist mir nicht wohl alleine hier zu gehen weil immer öfter gruppen von jüngeren männern sich hier aufhalten