Psychologische Begleitung bei Kinderwunsch-Behandlung: Eine emotionale Achterbahnfahrt mit Hoffen und Bangen

Diplom-Sozialarbeiterin Mareike Petrozza im Beratungsgespräch mit einem Ehepaar.
Diplom-Sozialarbeiterin Mareike Petrozza im Beratungsgespräch mit einem Ehepaar.

Von Alexander Völkel

Ungewollte Kinderlosigkeit kann emotional sehr belastend sein. Mit diesem und vielen anderen Themen befasst sich die Beratungsstelle für Schwangerschaftskonflikte, Ehe- und Lebensprobleme im AWO-Stadtzentrum Dortmund.

,Kinderwunschzeit’ als emotionale Achterbahnfahrt für Frauen und Paare

Diplom-Psychologin Bärbel Nellissen
Diplom-Psychologin Bärbel Nellissen

„Aus unserer mehrjährigen Beratungsarbeit mit Frauen und Paaren zum Thema ,unerfüllter Kinderwunsch’ wissen wir, was für eine emotionale Achterbahnfahrt die ,Kinderwunschzeit’ sein kann“, erklärt Diplom-Psychologin Bärbel Nellissen (50).

„Doch ebenso haben wir erfahren, was vielen Betroffenen während dieser Zeit helfen oder sie unterstützen kann.“

Daher hat die Beratungsstelle neben ihren bisherigen Angeboten im AWO-Stadtzentrum und im Kinderwunschzentrum erstmals eine Abendveranstaltung aufgelegt, die sich gezielt mit der Unterstützung im Umgang mit seelischer Belastung und Herausforderung beschäftigt. Der Name ist passend gewählt: „Achterbahn Kinderwunsch“. Dies beschreibt die Gefühlslage vieler Frauen und Paare während der zum Teil mehrjährigen Behandlung.

„In unserer Veranstaltung möchten wir hierüber informieren und uns mit Ihnen austauschen. Schwerpunkte des Abends werden die Vorstellung eines Entspannungsverfahrens und ein positiv gestimmter Umgang mit der Sehnsucht nach einem Kind sein“, berichtet Diplom-Sozialarbeiterin Mareike Petrozza (31).

Begleitung von Kinderwunschbehandlungen hat sprunghaft zugenommen

Diplom-Psychologin Bärbel Nellissen und Diplom-Sozialarbeiterin Mareike Petrozza kümmern sich die Paare.
Diplom-Psychologin Bärbel Nellissen und Diplom-Sozialarbeiterin Mareike Petrozza kümmern sich die Paare.

In den vergangenen zehn Jahren hat die Begleitung von Kinderwunschbehandlungen sprunghaft zugenommen. Frauen im Alter von Anfang 20 bis Mitte 40, Männer auch mal bis 50, kommen zu den Therapeutinnen.

Das Team der AWO kümmert sich dabei ausschließlich um die psychosozialen Aspekte. Das Medizinische regelt die Kinderwunschklinik. Viele Paare unterschätzten, welche psychologischen Auswirkungen eine solche Behandlung haben könne.

„Es ist immer ein auf und ab, wenn man in Behandlung ist. Bei jedem neuen Versuch gibt es Hoffnung, bei jedem Rückschlag Enttäuschungen – das ist psychisch belastend“, berichtet die Sozialarbeiterin.

Wissenschaftliche Untersuchungen hätten belegt, dass sich psychische Belastungen reduzieren lassen, wenn Paare eine Beratung erhalten. „Wir haben relativ früh damit angefangen, Paare zu beraten. Das hat sich rumgesprochen“, berichtet Nellissen. Vier Beratungen pro Woche bietet sie vor Ort im Kinderwunschzentrum an, doch auch in der Beratungsstelle wird bei ungewollter Kinderlosigkeit beraten.

Die Chancen stehen bei jedem Versuch  2:1, dass es nicht klappt

„Die Ärzte haben da einen ganz guten Blick, wer belastet ist und Unterstützung brauchen könnte. Sechs von zehn Frauen kämpfen mit psychischem Stress und Symptomen“, berichtet die Psychologin. Die physische Anstrengung sei dabei nur ein Faktor.

Diplom-Sozialarbeiterin Mareike Petrozza
Diplom-Sozialarbeiterin Mareike Petrozza

Erfolgsaussichten der Behandlung sind begrenzt, es kommt zu belastenden invasiven Eingriffen und wiederholter Trauer bei erfolglosen Behandlungszyklen.

Man erlebt die Trauer wieder und wieder – mitunter über Jahre ein Hoffen und Bangen. „Die Paare machen sich viel Leistungsdruck. Die Chancen stehen bei jedem Versuch  2:1, dass es nicht klappt“, weiß die Therapeutin.

Das Positive: Der Kinderwunsch stärke die meisten Paare und lasse sie dichter zusammenrücken. Allerdings können sie häufig nicht darüber mit anderen reden. Daher ist in der Begleitung das Zuhören wichtig.

„Einige Paare, können nicht im Freundes- und Familienkreis darüber sprechen. Viele weihen ihre Umwelt nicht in eine Kinderwunschbehandlung ein“, weiß Petrozza. Eine neutrale Person einzubinden sei manchmal hilfreicher, weil die beste Freundin, mit zwei Kindern auf dem Arm, vielleicht nicht die beste Zuhörerin sei.

Kinderlose Paare leiden vor allem unter unerwünschten Ratschlägen

Das Wichtigste für die Therapeutinnen: Sie verzichten auf Ratschläge. „Darunter leiden viele Paare“, weiß Nellissen. „Ungefragte Ratschläge von Hinz und Kunz“ seien ein Problem: Sprüche wie „Wenn es nicht klappt, adoptiert ihr ein Kind“ , „Entspann dich mal, bei dem Druck kann das nicht klappen“ oder „Wenn ihr nicht mehr dran denkt, dann kommt das Kind“ seien Gift für die betroffenen Frauen.

Hilfreicher sei da manchmal der Austausch mit Paaren, die dasselbe Problem hätten. Aus dieser Idee heraus hat die Beratungsstelle auch das Seminar aufgelegt. Die Paare können sich so gegenseitig unterstützen und austauschen.

„Es macht deutlich, dass es auch anderen so geht und dass, wer gerade eine schwere Zeit durchlebt, weinerlich, ängstlich oder reizbar sein darf“, verdeutlicht Nellissen. Viele brauchen eine Einschätzung, ob diese Empfindungen normal seien – oder ob sie zusätzliche Hilfe brauchen.

Psychologische Begleitung soll auch Probleme erkennen helfen

Diplom-Sozialarbeiterin Mareike Petrozza im Beratungsgespräch mit einem Ehepaar.
Diplom-Sozialarbeiterin Mareike Petrozza im Beratungsgespräch mit einem Ehepaar.

Es geht in der psychologischen Begleitung auch darum, die Erlaubnis auszusprechen, dass es ihnen schlecht gehen darf: „Ich darf mich jetzt mal nur um mich kümmern, muss nicht Rücksicht nehmen, und auf jeder Familienfeier gut gelaunt strahlen. Und nach einer Fehlgeburt darf ich auch das Gefühl haben, nicht direkt auf die Füße zu kommen.“

Allerdings haben die Therapeutinnen auch einen Blick darauf, wo mehrere oder gravierende Probleme zusammen kommen: Ein Erschöpfungssyndrom, eine Anpassungsstörung oder die Entwicklung psychischer Probleme mit Krankheitswert.

Dann beraten sie und vermitteln Wege. „Wir versuchen dann, eine engmaschige Begleitung zu organisieren – mit Krankschreibung, Kur oder Psychotherapie.“

Die Arbeit ist erfolgreich, die Paare sind über die kostenlose Begleitung durch das Team dankbar. Das spiegeln auch die Rückmeldungen wider. Denn häufig steht am Ende der Achterbahnfahrt doch ein positives Ende.

Mehr Informationen zu „Achterbahn Kinderwunsch“:

  • Datum: 25.10.2016, 18 – 20 Uhr (Einlass ab 17:30) 
  • Veranstalter: Beratungsstelle für Schwangerschaftskonflikte, Ehe- und Lebensprobleme
  • Ort: AWO-Stadtzentrum, Klosterstr. 8 – 10, 44135 Dortmund 
  • Referentinnen: Bärbel Nellissen (Dipl. Psychologin, Psychologische Psychotherapeutin) und Mareike Petrozza (Dipl. Sozialarbeiterin, systemische Therapeutin) 
  • Anmeldungen zur Veranstaltung sind noch bis zum 18.10.2016 unter der Rufnummer 0231/ 99 34 222 möglich.
  • Teilnahmegebühr: Die Teilnahme ist kostenlos, um Spenden wird gebeten (Enpfehlung: 15 Euro p.P.)
  • Der Flyer als PDF zum Download: flyer_achterbahn_kinderwunsch

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