Die große Gedenkfeier musste zwar Corona-bedingt ausfallen. Doch trotz der besonderen Umstände war es allen Beteiligten ein Herzensanliegen, das Gedenken an die Novemberpogrome in Dortmund auch in Pandemiezeiten durchführen zu können. Um die Opfer zu würdigen, um an das Geschehene zu erinnern und nicht zuletzt, um sich immer wieder klar und unmissverständlich gegen Rassismus, Antisemitismus und Menschenfeindlichkeit zu positionieren. Daher fanden in Dortmund-Dorstfeld am jüdischen Mahnmal, sowie in der Innenstadt auf dem Platz der Alten Synagoge, zwei stille Gedenkveranstaltungen mit Kranzniederlegungen in kleinem Kreise statt.
In Dortmund ist kein Platz für Menschenfeinde!
Vertreten waren Gäste der Stadtgesellschaft und der jüdischen Gemeinde, um auch in diesem Jahr der Verantwortung gerecht zu werden, die das deutsche Volk durch die verbrecherische Verfolgung und Vernichtung jüdischen Lebens in Europa zur Zeit des Nationalsozialismus auf sich geladen hat. „Zum 81. Mal feiern wir dieses schwierige Jubiläum“, begrüßte Bezirksbürgermeister Ralf Stoltze die Gäste zum Gedenken in Dorstfeld. Er machte deutlich, dass die 82 Jahre, die seit der Nacht des 9. November 1938 vergangen sind, einem historischen Augenzwinkern gleichkommen. ___STEADY_PAYWALL___
Und dennoch müssen wir in Deutschland und besonders auch in Dortmund-Dorstfeld zur Kenntnis nehmen, dass es Menschen gibt, die allem Anschein nach keine Lehren aus der Geschichte gezogen haben.
Daher sei es umso wichtiger, die Erinnerung auch in der Coronakrise wachzuhalten. Dem schließt sich Oberbürgermeister Thomas Westphal an. Unmissverständlich machte er klar, dass Antisemitismus, Rassismus, Rechtsextremismus und Menschenfeindlichkeit jeder Art in Dortmund keinen Platz haben. „Da steh ich als neuer Oberbürgermeister voll hinter“, so Westphal.
Er dankte allen Beteiligten dafür, dass die gute und sinnvolle Tradition des Gedenkens in Dortmund auch in diesem Jahr durchgeführt werden konnte. „Es ist gut, dass wir das tun“. Die Reichspogromnacht markiere ein bedeutendes Datum im dunkelsten Kapitel deutscher Geschichte. Die Ereignisse jener Nacht seien jedoch nicht vom Himmel gefallen, sondern von den Nationalsozialisten von langer Hand so geplant worden.
OB Westphal: „Stolpersteine helfen beim Begreifen individueller Schicksale.“
Antisemitismus habe in der deutschen Geschichte auch vorher schon eine Rolle gespielt, in der Nacht des 9. November jedoch sei der Startschuss gefallen, die Vernichtungspläne des Nazi-Regimes voranzutreiben und letztlich grausam umzusetzen. Daher sei genau dieser Tag so wichtig für das Erinnern und das Mahnen.
Westphal erklärte, dass es für die Nachkriegsgenerationen oftmals schwer sei, das Geschehene nachzuvollziehen. Ihm persönlich helfe hierbei zum Beispiel die Installation der Stolpersteine, die vor Häusern in den Bordstein eingelassen werden, aus denen jüdische Mitbürger*innen vertrieben und letztlich deportiert wurden. Auf die Oberfläche der goldenen Steine sind jeweils die Namen der Opfer eingraviert.
„Dies hilft beim Begreifen individueller Schicksale. Wenn Sie vor einem Haus stehen und sehen, dass dort eine ganze Familie vom Kleinkind bis zum Großvater einfach über Nacht mitten aus dem Leben gerissen wurde“, so Westphal. Aktuell sehe er die Lage der jüdischen Bürger*innen in Dortmund jedoch positiv. Er spricht von „aufstrebendem, blühendem jüdischem Leben in Dortmund“ und er wolle als OB alles dafür tun, weiter daran zu arbeiten.
Baruch Babaev berichtete von Gemeindemitglied, das die Pogromnacht selbst erlebt hat
Der Rabbiner der Jüdischen Gemeinde Dortmund, Baruch Babaev, unterstrich ebenfalls, dass er Dortmund schon immer als eine bunte Stadt erlebt habe, die sich deutlich gegen Antisemitismus und Rassismus positioniert habe. Dennoch stünde man an einem Ort (das jüdische Mahnmal steht in Dorstfeld unweit der Stelle, wo sich früher eine Synagoge befand), wo vor 82 Jahren Schreckliches passiert sei. Babaev berichtete von einem seiner Gemeindemitglieder, der, heute selbst bereits Großvater, die Geschehnisse der Pogromnacht in Dorstfeld selbst miterlebt hat. „Er konnte mir erzählen, was er erlebt hat. Dass Männer in die Wohnung gekommen sind, die Möbel aus den Fenstern geworfen haben, seine Eltern geschlagen und auf die Straße gejagt haben“, so der Rabbiner.
Nur glücklichen Zufällen sei es zu verdanken, dass die gesamte Familie den Holocaust zuerst im Untergrund und später auch im Konzentrationslager überlebt habe. Ein Schicksal, das nicht vielen vergönnt gewesen ist. Babaev habe sich in seiner Zeit als Rabbiner in Dortmund intensiv mit der Geschichte der Dortmunder Juden und Jüdinnen auseinandergesetzt. Dies sei ihm ein besonderes Anliegen gewesen, denn auch hier seien Menschen getötet worden.
Rabbiner würde sich wünschen, dass es 1938 eine Demokratie gegeben hätte
Mit Sorge blickte er auf die aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen nicht nur in Deutschland und vor allem das unverblümte Auftreten von Feinden der Demokratie.
Er verwies auf die verschiedenen Demonstrationen gegen die Coronamaßnahmen in Deutschland, erwähnte hier namentlich Stuttgart, Leipzig und Berlin und stellte fest, dass Demokratie keine Selbstverständlichkeit sei: „Demokratie ist ein Geschenk, das die Menschen nicht mehr zu schätzen wissen“. Er würde sich wünschen, dass es 1938 eine Demokratie gegeben hätte.
Gemeinsam mit OB und Bezirksbürgermeister Stoltze legte Babaev den Gedenkkranz mit der Aufschrift „Ihr gehört zu uns“ am Mahnmal nieder. Abschließend trug der Kantor der Jüdischen Gemeinde Dortmund, Ariel Mozes, das jüdische Gedenkgebet vor. Neben den genannten Personen nahmen auch der Sonderbeauftragte für Vielfalt, Toleranz und Demokratie der Stadt Dortmund, Manfred Kossack, und der Dortmunder Polizeipräsident Gregor Lange an der Veranstaltung teil, die von der Polizei gut abgeschirmt, störungsfrei verlief.
Das Gedenken in Dorstfeld wurde wie in jedem Jahr von den Quartiersdemokraten organisiert. Veranstalter war wieder der Verein zur Förderung von Respekt, Toleranz und Verständigung in Dortmund-Dorstfeld e.V.
Stilles Gedenken zum 82. Jahrestag der Pogromnacht auf dem Platz der Alten Synagoge
Zum 82. Jahrestag der Pogromnacht legten OB Thomas Westphal, Rabbiner Baruch Babaev und Zwi Rappaport von der Jüdischen Gemeinde Dortmund am 9. November 2020 im Rahmen eines „Stillen Gedenkens“ Kränze am Platz der Alten Synagoge nieder.
Aufgrund der aktuellen Coronasituation musste diese Gedenkveranstaltung ohne Gäste und weitere Teilnehmende sowie ohne weiteres Rahmenprogramm stattfinden.
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Mowet
Erwähnt werden sollten außerdem die Bauzäune, die entlang der Stadtbahnhaltestelle aufgestellt wurden. Auf Bannern sind dort die Namen der jüdischen Opfer aus Dortmund zu lesen.