Gibt es doch noch eine Perspektive für den angeschlagenen Kohleverstromer STEAG, an dem die Dortmunder Stadtwerke mit 36 Prozent beteiligt sind? Eigentlich hatten CDU und Grüne vorgehabt, im Rat die Weichen für den Ausstieg des Unternehmens zu stellen, an dem neben der DSW21 noch fünf weitere Stadtwerke in Essen, Duisburg, Bochum, Oberhausen und Dinslaken Eigentümer des Essener Unternehmens sind. Überall regt sich der Wille zum Ausstieg, weil statt Gewinnen massive Verluste drohen. Doch jetzt sieht es anders aus: Der Rat hat nun über die „Entwicklung“, nicht den „Ausstieg“ diskutiert. Der Grund: Die milliardenschwere Essener RAG-Stiftung erwägt, der STEAG mit einem Treuhandmodell unter die Arme zu greifen.
RAG-Stiftung will sich um Sanierung und Marktplatzierung kümmern
Dabei blieben die Stadtwerke Eigentümer des Unternehmens, treten aber bestimmte Rechte treuhändisch an die RAG-Stiftung ab. Die will sich dann darum kümmern, die STEAG über einen Zeitraum von zwei bis drei Jahren zu sanieren und – sofern dies funktioniert – nach Absprache mit den Kommunen bzw. den Stadtwerken zum Verkauf am Markt zu platzieren.
In den Jahren 2011 und 2014 hatte ein Konsortium aus den Stadtwerken Dortmund (36 %), Duisburg (19 %), Bochum (18 %), Essen (15 %), Oberhausen (6 %) und Dinslaken (6 %) den fünftgrößten deutschen Stromerzeuger für rund 1,2 Milliarden Euro von Evonik übernommen.
Doch die Energiewende und die damit verbundene Stilllegung der Steinkohlekraftwerke bedroht das Kerngeschäft der STEAG. Die Erträge sind eingebrochen und die Mehrheit der kommunalen Eigentümer wollte sich daher von dem Unternehmen wegen drohender Millionenverluste von der STEAG verabschieden, konnten sich aber zuletzt nicht darüber verständigen. Nun kommt durch die RAG-Stiftung Bewegung in die Diskussion.
Die entscheidende Frage für die beteiligten Stadtwerke, für die es (noch) keine Antwort gibt: Wie sind die Konditionen, zu denen die RAG-Stiftung in das Treuhandmodell einsteigt. Dazu werden in den kommenden Wochen die Verträge ausgehandelt. Der Unterschied: Im Gegensatz zu den anderen Kommunen würden die Dortmunder Stadtwerke gerne die STEAG-Anteile halten. Daher soll auch die Entscheidung über den Verkauf – so zumindest der Wunsch – in der DSW21-Zentrale fallen.
Der Dortmunder Rat will „engmaschig informiert und beteiligt werden.“
Doch der Rat der Stadt Dortmund machte am Donnerstag deutlich, dass er selbst darüber entscheiden will, wie es mit der STEAG-Beteiligung weitergehen soll. Erneut wurde das „Primat der Politik“ bemüht – der Rat will „engmaschig informiert und beteiligt“ werden, machten im Prinzip alle Fraktionen deutlich.
Mit einem gemeinsamen Antrag haben GRÜNE, CDU und FDP Eckpunkte definiert. Sie wollen sicherstellen, dass der Rat bei einer möglichen Treuhandlösung mit der RAG-Stiftung eingebunden wird und sowohl an der Ausgestaltung als auch der Umsetzung des Treuhandmodells beteiligt ist. Dem Rat soll zudem eine Vorlage über die Übertragung der STEAG-Anteile der DSW21 auf die RAG-Stiftung vorgelegt werden.
„Die Entwicklungen bei der STEAG und der kommunalen Beteiligungsgesellschaft (KBSG) haben sich in den letzten Tagen überschlagen. Aufgrund der finanziellen Situation beider Gesellschaften geht es jetzt vor allem darum, noch in diesem Jahr belastbare Lösungen gegenüber den Banken zu finden“, hatten die Grünen bereits im Finanzausschuss betont.
Grüne bedauern, dass der Verkauf der STEAG in dieser Situation nicht realisierbar ist
Die aktuell auf Ruhrgebietsebene ins Spiel gebrachte Lösung der treuhändischen Verwaltung durch die RAG-Stiftung könnte helfen, den drohenden finanziellen Schaden zunächst abzuwenden. „Auch wenn dabei noch viele Fragen offen sind. Deshalb ist es uns wichtig, dass der Rat eng eingebunden wird und über die endverhandelte Treuhandlösung mitentscheidet.“
Die Grünen bedauern, dass der von ihrer Seite gewünschte Verkauf der STEAG in dieser Situation nicht realisierbar ist. In der aktuell angespannten Finanzlage könnte die geplante Treuhandlösung ein Weg sein, Verluste im Millionenbereich abzuwenden. Dafür muss der Dortmunder Anteil an der KSBG in Höhe von 36 Prozent treuhänderisch auf die RAG-Stiftung übertragen werden.
Die RAG-Stiftung will sich in den nächsten drei Jahren um eine Restrukturierung der STEAG bemühen. „Für die Zukunft braucht die STEAG allerdings eine dauerhafte, finanzstarke Eigentümerstruktur, die die dringend nötigen Investitionen in die Zukunft des Unternehmens leisten kann. Dies ist den kommunalen Eigner*innen in der Vergangenheit nicht gelungen“, betonte Ingrid Reuter.
Die CDU hofft auf Chancen für das Unternehmen und seine Mitarbeiter*innen
Die CDU-Fraktion sieht in einem Treuhandmodell eine Chance für das Unternehmen und die dortigen Arbeitsplätze.
„Die STEAG steht vor der Aufgabe einer strategischen Neuausrichtung. Für diesen Prozess könnte es eine gute Lösung sein, wenn sich die RAG-Stiftung mit ihrer Expertise und ihrem Netzwerk in einer treuhänderischen Rolle einbringen würde. Die für die Zukunftsausrichtung dringend notwendigen Investitionsmittel sind in einer kommunalen Beteiligungsstruktur nicht aufzubringen“, betont. Dr. Jendrik Suck, Vorsitzender der CDU-Fraktion.
„Wir müssen deshalb dafür sorgen, dass die STEAG eine verlässliche, finanzstarke Eigentümerstruktur erhält, die Investitionen in die Zukunft des Unternehmens anschiebt und so die Chancen für das Unternehmen und seine Mitarbeiter realisiert. Die sechs Mitglieder des Stadtwerkekonsortiums treten bei der Suche nach einer Lösung seit nahezu zwei Jahren mehr oder weniger auf der Stelle. Es ist höchste Zeit, diesen Knoten endlich zu durchschlagen.“
„Die an der STEAG beteiligten Konsortien müssen endlich ihrer Verantwortung gegenüber dem STEAG-Konzern und seinen Mitarbeitern gerecht werden. Die RAG-Stiftung könnte hier treuhänderisch wertvolle Unterstützung leisten. Wir jedenfalls sind offen für den eingeschlagenen Weg, die RAG-Stiftung über ein Treuhandmodell einzubinden.“
Der SPD ist wichtig, dass die Entwicklung, nicht der Verkauf im Mittelpunkt steht
SPD-Fraktionschef Hendrik Berndsen gefielen die veränderten Vorzeichen: Er begrüßte, dass nicht mehr der Ausstieg, sondern die Zukunft bzw. die Entwicklung der STEAG thematisiert werde.
Das unterstrich auch Utz Kowalewski (Linke+): „Im Antrag ist eine Entscheidung, ob die Stadtwerke in der STEAG bleiben, nicht beinhaltet. Diese Entscheidung trifft man erst später, wenn auch ein Ergebnis eines Treuhandprozesses auf dem Tisch liegt“, so Kowalewski.
„Wir sind der Auffassung, dass das für die STEAG eine zukunftsfähige Lösung werden kann. Das Modell kann eine gute Chance haben. Das Weitere werden die anschließenden Verhandlungen zeigen“, glaubt Michael Kauch (FDP/Bürgerliste). „In der STEAG sind sehr unterschiedliche Geschäftsfelder vereint. Da müssen wir mal sehen, was das künftige Geschäftsfeld ist.“
Heiner Garbe (AfD) warnte vor überzogenen Erwartungen: Die neue STEAG könne nicht werthaltiger sein, „als das, was wir heute haben. Wir werden mit erheblichen Korrekturen in den Büchern leben müssen“.
OB: Nicht Verkauf, sondern Sanierung und Reaktivierung stehen im Mittelpunkt
OB Thomas Westphal setzt in dem Prozess – der Antrag wurde einstimmig beschlossen – auf einen intensiven Austausch mit dem Rat: „Dieses Modell ist in der Abwägung mit anderen Möglichkeiten die beste Situation, die wir im Moment vorliegen haben. Wir werden den Prozess starten, der unter dem Modell der Treuhandlösung steht und nicht den Verkauf von Anteilen“, so Westphal.
„Wir treten unsere Rechte ab, die KSBG und damit die STEAG zu sanieren und am Markt zu etablieren. Es ist eine Verwaltungs- und Veräußerungs-Treuhand. Es geht nicht darum, auf jeden Fall Anteile zu verkaufen, sondern auch um Sanierung und Reaktivierung“, machte der Dortmunder OB deutlich.
Die Treuhand-Verträge seien noch nicht unterschrieben: „Wir werden jeden Schritt mit ihnen abstimmen, soweit das wirtschaftlich möglich ist. Wir verhandeln nicht über Ausstieg, sondern über einen Prozess der Weiterentwicklung.“
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