Hat die Albertus-Magnus-Kirche unweit des Borsigplatzes noch eine Zukunft? Eine Frage, die seit Jahren sehr kontrovers diskutiert wird. Von der Nutzung als „Soziales Zentrum“ über die Unterbringung von Flüchtlingen bis zum Abriss reicht die Diskussion. Das wurde bei einem Ortstermin mit (fast) allen Beteiligten deutlich.
Stadt kalkulierte 2013 6,3 Millionen Euro Kosten für die Sanierung
Sie ließen die verbarrikadierten Gebäude von Handwerkern öffnen und sahen sich die Räumlichkeiten nochmals genauer an.
Schon vor Jahren wurde die katholische Kirche in der Nordstadt profaniert – also entweiht und gilt nicht mehr als geheiligter Raum sondern als gewöhnliches Gebäude. Strom und Wasser wurden gekappt – alle technischen Anlagen sind außer Betrieb.
Die Idee, aus der Albertus-Magnus-Kirche ein Stadtteilzentrum für die Nordstadt zu machen, hatte sich aus Kostengründen zerschlagen.
Erst war von 4,5 Millionen Euro Kosten die Rede. Zuletzt hatte die Stadt mit 6,3 Millionen Euro gerechnet, um das Kirchengebäude sowie die beiden Wohngebäude links und rechts des massiven Kirchengebäudes in der Enscheder Straße wieder instandzusetzen und nutzbar zu machen.
Vor allem für die Verbesserung der Standfestigkeit des Gebäudes waren aufwändige Arbeiten vorgesehen: Mit Hochdruckinjektionen sollte eine „statische Ertüchtigung des Untergrundes“ erreicht werden. Der Rat der Stadt winkte jedoch ab – viel zu teuer.
Kirchengemeinde setzt auf Verkauf – der potenzielle Käufer auf Abriss
Die Kirchengemeinde verhandelte derweil über den Verkauf der Kirche mit der „Wert-Voll gGmbH“. Diese möchte die Kirche abreißen und eine „werteorientierte“ Kindertagesstätte errichten.
In diesen Prozess zwischen Eigentümerin und möglicher Käuferin grätschte im vergangenen Jahr die Gruppe „Avanti“. Aktivistinnen und Aktivisten besetzten die Kirche und wollten ein autonomes soziales Zentrum daraus machen.
Die Polizei beendete die Besetzung schon eine Woche später, weil die Staatsanwaltschaft das Gebäude in der Nordstadt als „Tatort“ beschlagnahmt hatte.
Die Kirchengemeinde und die Besetzer gingen dennoch im Guten auseinander: Sie sind noch heute im Gespräch über eine eventuelle Zwischennutzung.
Schneller Abriss ist fraglich – Stadt hat an den Wohnungen Interesse
Denn ein Abriss ist so schnell nicht denkbar. Der Denkmalschutz hat hohe Hürden gesetzt. Daher erhoffen sich die einstigen Besetzer, Teile des Gebäudes vorübergehend nutzen zu können.
Auch ein weiterer Interessent hat mittlerweile angeklopft – die Stadt. Sie spekuliert auf die Wohnungen, die ebenfalls seit Jahren ungenutzt leer stehen. Sie könnten gegebenenfalls für die Unterbringung von Flüchtlingen genutzt werden.
Über den baulichen Zustand informierten sich jetzt Mitglieder von Avanti und ein Vertreter des Liegenschaftsamtes.
Auch eine Vertreterin der Uni Siegen war dabei: Diplom-Architektin Jasmin Sowa möchte ein Forschungsprojekt für den Masterstudiengang „Bauen und Planen im Bestand“ ins Leben rufen.
Die Albertus-Magnus-Kirche könnte gegebenenfalls als Referenzobjekt taugen. Allerdings wäre die nicht vorhandene Zugänglichkeit ein Problem: Denn jede Öffnung ist mit Handwerkerkosten verbunden.
Lediglich die potenziellen Käufer fehlten bei dem Ortsermin. Eine Besichtigung wäre für sie auch nicht nötig, da sie ja ohnehin abreißen wollen.
Stadt und „Avanti“ kämen sich bei einer (Zwischen-) Nutzung nicht in die Quere
Eins wurde bei den Termin deutlich: Liegenschaftsamt und die Gruppe „Avanti“ kämen sich – falls beide wollten und könnten – nicht in die Quere.
Die Stadt hat lediglich am Wohnhaus links von der Kirche Interesse, die ehemaligen Hausbesetzer am Veranstaltungssaal unter dem Kirchenschiff und dem „Turmgebäude“ auf der rechten Seite.
Dort gibt es zwar auch kleine Wohnungen – die ehemaligen sogenannten Priesterwohnungen. Allerdings wären diese für die Unterbringung von Flüchtlingen nicht geeignet, weil es sehr viele Durchgangszimmer gibt. Dies würde bei den künftigen Bewohnern nur für Konflikte sorgen.
Anders bei einer Nutzung durch Avanti: Hier denkt man weniger an die Wohnnutzung als mehr an die Nutzung als Gruppenräume. Baulich wäre es kein Problem: Denn auch im zweiten „Turmgebäude“ wurden diese Wohnungen als Gruppenräume genutzt, verdeutlicht Dieter Wiese.
Wiese ist Mitglied des ehrenamtlichen Kirchenvorstandes. Mit Pfarrer Ansgar Schocke führte er die Interessierten durch die Gebäude.
Verkauf und Abriss der Kirche bleibt das Ziel von Gemeinde und Investor
Das oberste Ziel der Gemeinde bleibt allerdings Verkauf und Abriss. „Wir wollen keinen Euro mehr, der nicht notwendig ist, in das Gebäude stecken“, verdeutlichte Schocke.
Ob die Stadt die Wohnungen nutzen kann, ist ebenfalls fraglich. Denn die Investitionen wären wahrscheinlich erheblich.
Allerdings hegt Schocke große Sympathien für die sozialen Aktivitäten der jungen Leute. Eine große Hürde für eine Zwischennutzung wäre eine potenzielle Nutzungsänderung.
Dies würde umfangreiche Investitionen voraussetzen, weil dann alle Einrichtungen quasi in Neuzustand versetzt werden müssten.
Wäre Zwischennutzung durch „Avanti“ ohne Nutzungsänderung möglich?
Die Erkenntnis des Ortstermins: Nötig wäre eine Nutzungsänderung aber wohl gar nicht. Denn der Gemeindesaal unter der Kirche, den „Avanti“ gerne nutzen will, ist ja bereits ein Veranstaltungssaal – er hat sogar eine Bühne sowie Nebenräume für Küche und Technik.
„Hier fanden Gruppen-Aktivitäten, Tanzveranstaltungen, Karnevalsfeiern und Hochzeiten statt“, verdeutlicht Wiese. „Wir haben den Saal auch extern vermietet.“ Das würde „Avanti“ in die Karten spielen.
Das Kirchenschiff selbst – ebenso wie das Wohnhaus – will die Gruppe nicht. Daher wäre hier eine potenzielle Nutzungsänderung kein Argument.
Allerdings bliebe noch die Frage, wie die völlig maroden Anlagen – Heizung, Wasser, Strom – nutzbar gemacht werden können, ohne horrende Kosten zu verursachen. Das Gebäude ist seit Jahren von allen Versorgungsleitungen gekappt.
Möglicher Abriss steht in den Sternen: Was bedeutet eine „temporäre Nutzung“?
„Avanti“ ist sich nach eigener Aussage sehr bewusst, dass es sich um eine temporäre Nutzung handeln würde. Sie gehen selbst von ein bis zwei Jahren aus – insofern kommen große Investitionen nicht in Betracht.
Doch was genau temporär heißt, ist für alle Seiten völlig offen: „Bei der Besetzung hieß es, dass der Abriss ansteht und schon im nächsten Monat die Kirche Geschichte sein wird“, erinnerte einer der Aktivisten. „Das ist ein Jahr her – verändert hat sich seitdem nichts“.
Der Zustand des Gebäudes – es gibt erstaunlich wenig Schimmel und Wasserschäden – ist allerdings noch schlechter als vor einem Jahr.
Durch ein fehlendes Fenster sind jetzt Tauben im Turmgebäude eingezogen. Sie haben schon jetzt jede Menge Kot im Seitengebäude hinterlassen.
Im November soll ein Gutachten zu Nutzbarkeit und Denkmalschutz vorliegen
Nun warten alle Beteiligten auf ein Gutachten, welches die Kirchengemeinde vor geraumer Zeit zur Denkmalwürdigkeit bzw. zur Unmöglichkeit der Weiternutzung der Gebäude in Auftrag gegeben hat.
Im November soll es vorliegen. Spätestens dann werden die Gespräche mit allen Beteiligten weitergehen – der Ausgang ist völlig offen.
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