Nach 33 Jahren übergibt der Allgemeinmediziner Hans-Georg Kubitza seine Praxis in der Dortmunder Nordstadt seinen Praxispartnern und geht nach Indien. Dort möchte er nicht seinen Ruhestand genießen, sondern dort helfen, wo die Menschen unzureichende bis keine medizinische Versorgung bekommen. In Indien engagiert er sich bei den „German Doctors“. In seinen sechs-wöchigen Einsätzen rettet Kubitza schon mit Basis-Untersuchungen vielen Patient:innen das Leben.
Arzt aus der Nordstadt verschlägt es ein drittes Mal nach Indien
Schon zum dritten Mal reiste er Anfang 2024 in die Region östlich von Kalkutta, in die Sundarbans, deren Gebiete die Bengal:innen „schöner Wald“ nennen. Hier verbrachte Hans-Georg Kubitza sechs Wochen wie zuvor im Frühjahr 2019 und dann nochmals 2020.
Auslöser für sein Engagement war, dass er sein Wissen nicht einfach verrotten lassen wollte, erzählt der Allgemeinmediziner aus der Nordstadt. „Ich wollte meine Erfahrung und mein Wissen noch weiter verwerten“. So kam er zu den „German Doctors“.
In seinen ersten zwei Einsätzen untersuchte er erkrankte Menschen in den Slums von Kalkutta und Howrah. Danach konnte er aufgrund der Pandemie vorläufig nicht mehr nach Indien reisen. Doch entschied er sich jetzt wieder dazu, als ausländischer Arzt den Indern zu helfen.
Im Gegensatz zu den vorherigen Einsätzen, war der Arzt in diesem Jahr in einer ländlichen Gegend unterwegs. Ziel war es, möglichst viele Menschen basismedizinisch zu versorgen. In einer Gruppe mit zwei weiteren deutschen Ärzt:innen sowie zwei indischen Dolmetscher:innen reiste Kubitza durch abgelegene Dörfer in den Sundarbans. Zusätzlich erhielten sie Hilfe von einer indischen Krankenschwester und einen indischen Arzt.
Ohne Blutbild und Röntgen stellt Kubitza eine Lungenentzündung fest
Ein Hindernis für die mangelnde medizinische Versorgung ist, dass die Menschen weitestgehend mittellos sind und deshalb nicht zum nächstgelegenen Krankenhaus in rund 60 Kilometer Entfernung reisen können. Außerdem sind die Menschen nicht abgesichert. Wenn sie nicht arbeiten, fällt auch der Lohn aus.
Die Gruppe von Kubitza behandelte die Patient:innen in Versammlungsräumen, Moscheen oder Schulen in ihren Dörfern. Selbst mit den begrenzten Mitteln der Gruppe, kann der Arzt schon echte Hilfe leisten.
Ein Fall ist ihm dabei in Erinnerung geblieben: Eine Mutter kam mit ihrer zwei Monate alten Tochter zu ihnen zur Behandlung. Das Kind hatte Fieber und Husten, was nicht ungewöhnlich ist. Denn diesmal ging Kubitza von einer Lungenentzündung aus, was lebensbedrohlich für das Kind sein kann.
Kubitza kann bei diesen Einsätzen weder Blutbilder erstellen noch Röntgen. Dies wäre allerdings notwendig, um eine Lungenentzündung sicher zu diagnostizieren. „Zum Glück gibt es von der Weltgesundheitsorganisation (WHO ) für solche Situationen Regeln, die einem helfen festzustellen, wie wahrscheinlich es ist, dass das Kleinkind eine Lungenentzündung hat“, sagt Kubitza.
Der Arzt kontrollierte wie oft das Mädchen pro Minute atmet. Wenn Kleinkinder sehr schnell atmen, ist dies ein laut WHO ausreichender Hinweis auf eine Lungenentzündung. Der Arzt gab dem Kind also Antibiotika. 14 Tage später kam die Mutter mit dem genesenen Kind zur Sprechstunde – die Symptome waren weg.
Kubitza ist dieses Erlebnis besonders wichtig, weil vier Prozent der Kinder von armen Inder:innen sterben, bevor sie fünf Jahre alt sind. Und ein Fünftel dieser Kinder versterben an Lungenentzündungen, die einfach zu behandeln wären. „Mit begrenzten Mitteln konnten wir schon viele Leben retten“.
In vielen Fällen stößt auch die Basismedizin an ihre Grenzen
Manche Schäden lassen sich nicht so einfach mit ein paar Tabletten heilen. Kubitza erinnert sich an einen etwa 60-jährigen Mann, der mit einem kaputten Kniegelenk bei ihm vorstellig wurde.
Da der Mann Röntgenaufnahmen seines Knies dabei hatte, konnte der Dortmunder direkt sehen, dass nur eine Knieprothese hier Linderung verschaffen konnte. Der Patient hat keine Möglichkeit sich eine solche Prothese einsetzen zu lassen. Weder gibt es in seiner Gegend entsprechende Kliniken, noch hat er die notwendigen Mittel für einen solchen Eingriff.
Besonders beschäftigt den Dortmunder Arzt dieser Fall, weil der Mann seinen Lebensunterhalt so nicht mehr verdienen kann, aber keinerlei Absicherung hat. Als Arbeiter in einem Ziegelwerk, konnte er seiner Arbeit so nicht mehr nachgehen. „Dem Mann liefen die Tränen über das Gesicht. Er sagte, er müsse jetzt betteln gehen, und habe keine Familie, die sich um ihn kümmern könnte“, erzählt Kubitza.
Das habe ihn lange beschäftigt, dass einem Menschen mit vergleichbaren Problemen sofort geholfen werden kann – dank Krankenkasse und Rentenversicherung. „Dort konnten wir dann nur sehr wenig für ihn tun. Das ist wirklich eine sehr schwierige Situation“, sagt Kubitza
Ein weiteres Mal kann der Arzt aus der Nordstadt nicht als „German Doctor“ nach Indien reisen: „Ich würde es nochmals machen, aber Doktoren haben eine Altersgrenze. Die ist bei den German Doctors 75 und dann ist Schluss“.
Mehr Informationen gibt es hier: Die German Doctors