Seit Jahren gibt es Diskussionen darüber, den Verkehrsraum auf der Ost-West-Achse hinter dem Hauptbahnhof neu aufzuteilen. Durch Corona und sogenannte Pop-Up-Radwege hatte diese Diskussion neue Fahrt bekommen. Doch die Stadt lehnte diese Provisorien ab. Nun legt Planungsdezernent Ludger Wilde einen „großen Wurf“ vor – er sieht neben einem Verkehrsgutachten einen fast zwei Millionen Euro teuren Umbau vor.
Nach mehr als vier Jahren setzen die Planer eine Forderung der Nordstadt-BV um
Der Straßenzug Treibstraße / Grüne Straße / Steinstraße / Heiligegartenstraße / Jägerstraße / Gronaustraße spielt nach Aussage von Ludger Wilde in der Radverkehrsstrategie der Stadt Dortmund eine besondere Rolle: In dem gerade fertiggestellten Entwurf des Zielnetzes für den Radverkehr, der in der zweiten Jahreshälfte 2021 als Teil des Masterplans Mobilität in die politische Beratung gehen soll, ist diese Ost-West-Verbindung als Hauptroute ausgewiesen. ___STEADY_PAYWALL___
Mit angelagerten Nutzungen wie Hauptpost, Arbeitsagentur, Hauptbahnhof, Jobcenter oder Musikschule erzeugt sie viele sogenannte „Quell- und Zielbeziehungen“. Als innerstädtische Tangente mit einer Ausdehnung von etwa zwei Kilometern ist sie aber auch wichtig zur schnellen Überbrückung mittlerer Distanzen im Radverkehr. Zusammen mit den parallel in der Entwurfsplanung befindlichen Straßen Heiliger Weg und Saarlandstraße werden wichtige Abschnitte eines Tangentenvierecks um die City herum fahrradgerecht umgestaltet.
Die Stadt folgt – mit mehr als vier Jahren Verspätung – einem Beschluss der Bezirksvertretung Innenstadt Nord vom 20. November 2016. Die BV hatte die Verwaltung beauftragt, für den Straßenzug Treibstraße / Grüne Straße / Steinstraße / Heiligegartenstraße / Jägerstraße / Gronaustraße eine Planung mit durchgängigen Radfahrstreifen vorzulegen.
Das Stadtplanungs- und Bauordnungsamt hat einen Konzeptvorschlag vorgelegt, der Grundlage für die weitere Planung werden soll. Die Verwaltung hat dabei den betrachteten Streckenabschnitt nach Osten bis zur Einmündung Bleichmärsch erweitert, um auch die in diesem Abschnitt gegebenen Qualitätsmängel zu beseitigen bzw. noch vorhandene Netzlücken zu schließen.
Fahrbahnerneuerung Steinstraße als Startschuss – Baubeginn im September 2021
Ein erster Teilabschnitt soll mit der Baumaßnahme „Fahrbahnerneuerung Steinstraße“ des Tiefbauamtes bereits im Herbst dieses Jahres konkret umgesetzt werden, wenn der Rat grünes Licht gibt. Nach Abschluss der ohnehin notwendigen Fahrbahnerneuerung (von Bordstein zu Bordstein, kein Vollausbau) zwischen Leopoldstraße und Kurfürstenstraße wird der Straßenquerschnitt durch Ummarkieren neu aufgeteilt, die Radverkehrsanlagen werden optimiert.
Im Streckenverlauf erhalten die Radfahrstreifen überwiegend eine Breite von drei Metern. Die Radfahrstreifen sollen als sogenannte „gesicherte Radwege“ gebaut werden – baulich abgegrenzt zur Straße. Dem motorisierten Individialverkehr steht dann künftig nur noch je eine Richtungsfahrbahn zur Verfügung – dazu kommen Abbiegespuren vor den Ampelanlagen.
Eine Besonderheit auf diesem Abschnitt: Da sich zwischen der Quadbeckstraße und Kurfürstenstraße der Knotenpunkt des Linienbusverkehrs am Dortmunder Hauptbahnhof befindet, ist es nach Ansicht der Stadtplaner wichtig, dass eine verlässliche Zu- und Abfahrt an dieser Stelle gesichert bleibt.
Damit die Verbesserungen für den Radverkehr nicht zu Lasten des ÖPNV gehen (hier laufen sechs Buslinien durch ) ist vorgesehen, dass die geplanten Radwege im Bereich zwischen Quadbeckstraße und Kurfürstenstraße für die Benutzung (Überfahrung) durch den Linienbusverkehr frei gegeben werden. „Die Überschneidungen halten wir für gut vertretbar“, so Wilde.
Dies erfolgt durch eine entsprechende Beschilderung eines „Radweges“ mit Zusatzzeichen „Linienverkehr frei“. Baubeginn ist voraussichtlich September 2021 – etwa zehn Monate werden die Arbeiten dauern. Die Gesamtkosten der Maßnahme auf diesem Straßenabschnitt belaufen sich auf etwa 1,98 Millionen Euro. Die Stadt rechnet mit einem Landeszuschuss von 75 Prozent.
Steinstraße als Muster für weiteren Streckenverlauf
Die grundsätzliche Neuausrichtung des Straßenquerschnitts der Steinstraße bildet dann auch das Muster für den weiteren Streckenverlauf. Das Konzept des Stadtplanungs- und Bauordnungsamtes sieht als nächstes eine neue Flächenaufteilung und Verkehrsführung für den westlich angrenzenden weiteren Straßenverlauf zwischen der Kurfürstenstraße und dem Sunderweg (mehrere Bauabschnitte) vor. Das entspricht auch der am 15. September 2020 beschlossenen Empfehlung des Beirates Nahmobilität.
Allerdings hatte dieser auch empfohlen, in der Zwischenzeit bis zur Realisierung die Strecke mit einem temporären Radweg – einer sogenannten „Pop-Up-Lane“ zu versehen. Dem ist die Stadtspitze aber nicht gefolgt. „System statt Stückwerk. Das ist mir ganz ganz wichtig“, war die Antwort von OB Thomas Westphal auf die Forderung.
„Wir werden den Umstieg nur bekommen, wenn wir mit System und Sicherheit und nicht mit Pop-Up arbeiten. Das mag länger dauern, aber erst das ist nachhaltig“, so Westphal. Auch gegen die Kritik – die Stadt sei beim Planen dieser Radwege zu langsam – wiegelte Wilde ab. Zwar sei der Baubeginn für die Steinstraße jetzt neun Monate später als zunächst angekündigt.
Doch ihm sei ein Grundsatzbeschluss zu dem Gesamtvorhaben wichtiger, dem Radverkehr mehr Raum anzubieten und separate Radwege zur Verfügung stellen. „Wir haben ein starkes Interesse daran, diese Gesamtachse schnell herzustellen. Wenn es Beschleunigungsmöglichkeiten gibt, werden wir sie auch nutzen“, so Wilde.
OB Westphal will bei Radwegen auch alternative Streckenführungen prüfen
Die Auswirkungen der neuen Aufteilung des Straßenraums auf die Verkehrsqualität wurden bereits untersucht. Die Kapazitätsreduzierung ist auch in den Modellrechnungen zum Neubau des Wallrings und den vier vorgeschlagenen Plan-Varianten berücksichtigt worden.
Hiernach kann es in den Spitzenstunden an einigen Knoten zu Überlastungen und Rückstaus kommen. Ein Ingenieurbüro wird dies noch vertiefend untersuchen. Die Ergebnisse und Auswirkungen werden vor der Umsetzung in einem noch zu fassenden Baubeschluss dargelegt.
Die veränderte Aufteilung des Straßenraums ist aber nicht nur lokal, für den unmittelbaren Einzugsbereich von Bedeutung. Die Förderung des Radverkehrs ist ein Hauptbaustein der Verkehrswende und hilft, die verkehrsbedingten CO2-Emissionen zu reduzieren.
Westphal schwebt perspektivisch ein „ganz großer Wurf“ vor und er will dabei die Radwege unabhängig vom Straßennetz denken. Es gehe nicht darum, entlang jeder Straße 1:1 einen Radweg zu planen. Ihm schweben dabei auch alternative Streckenführungen vor. Das Thema solle man eher denken wie beim Stadtbahnbau – diese habe ja auch ein eigenständiges Netz bekommen. „Wir wollen das Radwegenetz nicht einfach auf das bestehende Straßennetz projizieren“, so der amtierende OB.
Doch diese Planungen mit bekannten europäischen Fahrradmetropolen vergleichen möchte Westphal nicht: „Mit Vergleichen etwa mit Kopenhagen fange ich erst gar nicht an, weil ich weiß, dass es nicht gut endet“, spielt er auf die Schwärmereien seines Amtsvorgängers an.
Fahrradgruppen begrüßen Pläne für Straßenzug – Testfahrt bei Teddy-Demo
Die Fahrradgruppen „Aufbruch Fahrrad Dortmund“ und „VeloCityRuhr“ begrüßen die Pläne der Stadt, auf dem Straßenzug von der Treibstraße über die Heiligegartenstraße bis zur Jägerstraße durchgängige Radfahrstreifen anzulegen. „Dieser Straßenzug nördlich des Hauptbahnhofs ist eine wichtige Ost-West-Verbindung und bisher nicht gut mit dem Rad befahrbar“, sagt Sven Teschke.
Durchgängige und gute Radfahrstreifen auf dieser Achse seien eine enorme Verbesserung für den Radverkehr in der Nordstadt. Bisher habe die Stadt den Radverkehr vor allem mit schönen Worten gefördert. Nun bestehe die Chance, den Worten auch Taten folgen zu lassen und auf einem wichtigen Straßenzug sichere und komfortable Radverkehrsanlagen anzulegen.
„Wie sich die sichere Fahrt auf der Heiligegartenstraße eines Tages anfühlen wird, lässt sich am Donnerstag schon einmal ausprobieren“, sagt Felix Fesca von „Aufbruch Fahrrad Dortmund“. Anlässlich des Weltfahrradtags wird dort am 3. Juni ab 15 Uhr ein Fahrstreifen für einige Stunden in einen Pop-up-Radfahrstreifen umgewandelt. Die Radfahrenden werden nicht nur von Leitkegeln, sondern auch von Stofftieren vor dem Autoverkehr geschützt. Mit Schildern und Plakaten demonstrieren die Teddys für gute Radwege.
Kritik der Fahrradgruppen an geplanter Mitbenutzung der Radfahrstreifen durch Linienbusse vor dem Hauptbahnhof
„Gute Radverkehrsanlagen sind für alle Radfahrenden wichtig, aber am meisten profitieren Ungeübte und Kinder“, sagt Fesca. „Darum demonstrieren unsere Teddys immer wieder für sichere Radverkehrsanlagen“, so Fesca weiter. Bereits im vergangenen Jahr hatten die beiden Fahrradgruppen einen Pop-up-Radfahrstreifen auf dem Straßenzug nördlich des Hauptbahnhofs angelegt. Damals demonstrierten auf der Grünen Straße 300 Radfahrende und 200 Stofftiere für gute Radwege.
„Trotz der begrüßenswerten Pläne der Stadt bleibt für unsere Teddys auch weiterhin genug zu tun“, sagt Teschke. So sollen nach den Plänen der Stadt in einem Abschnitt vor dem Hauptbahnhof zahlreiche Linienbusse den Radfahrstreifen mitbenutzen. „Das ist keine Lösung, die für Kinder und Ungeübte geeignet ist“, findet Teschke.
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Bebbi
Teddies haben einen eigenen Willen und bieten Schutz gegen Autos? Meinen die dass wirklich ernst?