Seit vier Wochen treffen sich Gegner:innen der Corona-Maßnahmen zu Demonstrationen in Dortmund-Huckarde. In den Aufrufen dazu distanziert man sich von „jeglicher Gewalt“. Konträr dazu laufen zum Teil in der ersten Reihe Neonazis mit, die in der Vergangenheit ihre Solidarität mit der Terrorgruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ bekundeten. Die Teilnehmer:innen vor Ort wollen davon allerdings nichts wissen. Für sie sind die Journalist:innen das Problem.
Der bekannte Dortmunder Neonazi Robin S. ist von Anfang an dabei
Mit einem unangemeldeten Lauf durch Huckarde fing am 5. Januar 2022 alles an. Seit drei Wochen versammelt man sich nun angemeldet zu „Spaziergängen“, wie sie es bezeichnen. Aufgerufen wird dazu über Telegram. Meist von einem Account, dessen Name Ähnlichkeit zum 2012 verbotenen „Nationalen Widerstand Dortmund“ aufwies. ___STEADY_PAYWALL___
Kurz nach der Berichterstattung von Nordstadtblogger dazu (Link am Ende) wurde dieser geändert. Die Organisator:innen sind andere als die der großen Demonstrationen in der Innenstadt. Unter den Teilnehmenden gibt es teils Überschneidungen, jedoch sind auch Unterschiede festzustellen.
Seit dem Anfang mit dabei ist der prominente Neonazi Robin S. aus Dortmund. Der Briefreund von Rechtsterroristin BeateZschäpe ist auf nahezu jeder Demonstrationen der Partei „Die Rechte“ mit von der Partie – in vorderster Reihe. Bei der Beerdigung von Siegfried Borchardt hielt er zuletzt die Grabfackel.
Die Bekanntheit von Robin S. beschränkt sich nicht auf Dortmund, wie Lorenz Blumenthaler von der Amadeu-Antonio-Stiftung weiß. Für die Stiftung beschäftigt sich Blumenthaler mit Rechtsextremismus und Verschwörungsideologie.
„[S.] gilt als einer der zentralsten rechtsextremen Akteure in Deutschland. Er hat Verbindungen zu eigentlich so gut wie jeder Form des organisierten Rechtsextremismus. In Deutschland wird er der 2020 verbotenen Gruppe „Combat 18“ zugerechnet, die damals eben schon aus älteren rechtsterroristischen Strukturen hervorging und auch europaweit sehr gut vernetzt ist“, so Blumenthaler. Im Rahmen dieses Verbotes gab es im Januar 2020 auch eine Hausdurchsuchung bei Robin S.. Dieser zeigte sich gerne in „Combat 18“-Kleidung. Auch seine Tochter kleidet er mit Symbolen der Gruppe.
Weiterer Neonazi aus dem „Combat 18“-Umfeld in Huckarde dabei
Auf den Demonstrationen in Huckarde lief S. zum Teil ganz vorne. Auch unterstützte er den Versammlungsleiter Jens L. bei der Verlesung von polizeilichen Auflagen. Jens L. gibt nach mehrfacherNachfrage durch den WDR an, Robin S. nicht zu kennen. Für Blumenthaler eine unglaubwürdige Anwort. „Dass Robin [S.] ein Rechtsextremer ist, sollte jedem, der in Dortmund irgendwie ab und zu mal eine Zeitung in die Hand nimmt, eigentlich ein Begriff sein“, meint er.
Im Aufruf zu den Demonstrationen in Huckarde distanziert man sich von „jeglicher Gewalt“. Mit der hat Robin S. jedoch Erfahrung. Schon 2007 schoss er bei einem Supermarkt-Überfall mehrfach auf einen Tunesier. Dafür erhielt er eine längere Haftsrafe. Heute ist seine Vernetzung in der rechten Szene bestens. „Robin [S.] mischt eigentlich überall in Deutschland mit, wenn es um organisierten Rechtsextremismus geht. Sei es in Chemnitz bei Demonstrationen oder sei es in Wunsiedel beim Hess-Gedenken“, erklärt Blumenthaler.
Auf den Demonstrationen in Huckarde ist Robin S. nicht alleine. Mit an seiner Seite, Neonazi Patric K.. Auf Fotos posierte der in der Vergangenheit zusammen mit Robin S. lachend in T-Shirts, die auf den „Nationalsozialistischen Untergrund“ anspielen. In Dortmund ist Patric K. nicht so präsent wie Robin S., doch auch er ist kein Unbekannter.
„Auch Patric [K.] ist tief in „Combat 18“-Strukturen verwurzelt. Im Grunde ist er eigentlich seit 2015 immer wieder dort in Erscheinung getreten, unter anderem bei internationalen Treffen, sei es jetzt in Polen, in Schweden oder auch [rund um] die gesamte deutsche Rechtsrock-Szene, wo er sehr gut vernetzt ist, vor allem um die Gruppe Oidoxie herum“, berichtet Blumenthaler.
Journalist:innen bei Demo bedrängt, geblendet, gefilmt
Nach Einschätzung von Blumenthaler nehmen Robin S. und Patric K. eine zentrale Rolle in der Vernetzung und Logistik der rechtsextremen Szene in Deutschland ein. Auch für die internationale Vernetzung seien sie seiner Einschätzung nach sehr stark verantwortlich. Dass die bekannten Neonazis bei einer Demonstration mitlaufen, die ihre Ziele in Sprechchören selbst als „Frieden, Freiheit, Demokratie“ bezeichnet, wirkt widersprüchlich. Für die Demo-Teilnehmer:innen aber offenbar kein Problem. Sie werfen stattdessen den anwesenden Journalist:innen vor, Nazis bei der Demo nur zu erfinden.
Eine fehlende Abgrenzung von Neonazis beobachtet Blumenthaler deutschlandweit. „Und wenn solche Leute dann ganz vorne bei einer Demonstration mitlaufen dürfen, ohne dass dann eine aktive Abgrenzung stattfindet, dann wirkt das beinahe schon so, als sei das gewollt“, kritisiert er.
Nachdem Journalist:innen bei den ersten drei Versammlungen „nur“ von Einzelpersonen gefilmt, beleidigt und leicht bedrängt wurden, zeigten sich am vergangenen Mitwoch (26. Januar 2022) weite Teile der Demonstration pressefeindlich. Besonders als die WDR-Kollegen den Versammlungsleiter interviewen wollten, wurden Kameras zugehalten, Journalist:innen geblendet und mit Trillerpfeifen ausgepfiffen.
Robin S. und Patric K. waren an dem Abend erstmals nicht vor Ort. Bereits in der vergangenen Woche zeigte sich Robin S. erkennbar nervös in Anbetracht von Videoaufnahmen. Gut möglich, dass man einer Berichterstattung kein weiteres Futter geben wollte.
Polizei: Anmelder hat Verbindungen zu organisierten Rechtsextremisten
Die Polizei beobachtet die Lage in Huckarde genau. Zwar gehöre der Versammlungsleiter der Demonstration in Huckarde nach jetzigen Einschätzungen zwar nicht der organisierten rechtsextremen Szene an. Er habe aber durchaus Verbindungen zu aktiven Rechtsextremisten.
Im Gegensatz zu den Montagsdemonstrationen in der Dortmunder Innenstadt handele es sich bei den Demos in Huckarde jedoch um Kleinstversammlungen. Generell würden Versammlungen jeweils einzeln betrachtet und eingeschätzt.
Bundesweit könne man zwar den Versuch von rechtsextremistischer Unterwanderung der Querdenken-Szene erkennen. Aber bei den größeren Montagsdemonstrationen in der Dortmunder Innenstadt würde es den Neonazis nach Einschätzung der Polizei nicht gelingen, Anschluss zu finden. Diese Situation sei in Huckarde jedoch gesondert zu bewerten.
Diese Unterscheidung liege auch der Aussage von Polizeipräsident Gregor Lange zugrunde, der in einem Radiointerview äußerte, er könne keine Radikalisierung der Bewegung erkennen. Die „Autonomen Antifa 170“ sieht die Aussage Langes kritisch: „Die Behauptung des Polizeipräsidenten Lange, eine Radikalisierung der Bewegung nicht zu erkennen, wird hier deutlich als hanebüchen enttarnt“, kritisiert Pressesprecherin Kim Schmidt. Die Polizei betont, dass sich Lange bei der Aussage auf die Demonstrationen am Montag bezog.
Die Dortmunder Antifa ist besorgt, aber nicht überrascht
Auch die Antifagruppe hat die Demonstrationen in Huckarde im Blick. „Das mit [Robin S.] ein Protagonist des rechten Terrors bei Querdenken auftaucht, ist besorgniserregend, aber nicht überraschend“, erklärt Schmidt.
Das passe ins Bild angesichts dessen, dass in ganz DeutschlandNeonazis bei diesen Protesten mitwirkten, teilweise in maßgeblichen organisatorischen Positionen und als „ausführende Schläger:innen“ bei der Gewalt gegen Journalist:innen, Gegendemonstrierende und Polizist:innen, erklärt die Dortmunder Antifagruppe. Egal ob in Huckarde oder anderswo, ist die Beteiligung von Neonazis für die Antifagruppe nicht der einzige Kritikpunkt an den Protesten.
„In der sogenannten Querdenken-Bewegungfindet sich eine Vielzahl rechter Ideologien wieder, die uns seit Jahrenimmer wieder in ähnlichen Mobilisierungen begegnen“, stellt dieSprecherin der Gruppe fest. So zeige sich der Antisemitismus in Relativierung der Shoa durch die Gleichsetzung der Verfolgung von Menschen jüdischen Glaubens während der NS-Zeit mit der Situation von Ungeimpften während der Corona-Pandemie.
Zudem taucht auch das klassische Gerücht über diemächtigen Jüdinnen und Juden auf, die angeblich die sogenannte „Plandemie“steuern würden. Auch den Sozialdarwinismus und die Verachtung der evidenzbasierten Medizin durch Esoteriker:innen kritisiert die Gruppe.
Demokratiefeindliche Politisierung bleibt auch nach Pandemie
Auch Lorenz Blumenthaler und die Amadeu-Antonio-Stiftung sehen nicht nur die Beteiligung von Neonazis kritisch. Das Problem sei eine generelle Demokratiefeindlichkeit die auf den Demonstrationen geschürt werde. Die Zusammensetzung der Teilnehmenden sei dabei sehr heterogen.“
„Dort finden wir sowohl Esoteriker:innen als auch ,ganz normale Bürger‘ aus der sogenannten bürgerlichen Mitte als auch organisierte Rechtsextreme“, erklärt Blumenthaler. Es bestehe allerdings die Gefahr, dass Menschen dabei immer weiter und tiefer in demokratiefeindliche Milieus hineingeraten.Er stellt jedoch auch klar, dass eine ständige Kritik der Regierungsmaßnahmen absolut notwendig sei und im Rahmen demokratischer und infektionstechnischer Möglichkeiten immer gegeben sein sollte.
Dass die Menschen nun teilweise demokratiefeindlich politisiert werden, sei langfristig problematisch: „Gerade in Sachsen kann man das sehr gut beobachten, wo sehr viele der Organisator:innen und zentralen Akteur:innen der jetzigen Demonstrationen sich gar nicht erst in der Pandemie politisiert haben, sondern eben schon 2014 bei den sogenannten Mahnwachen für den Frieden in Erscheinung getreten sind“, erklärt Blumenthaler.
„Wenn die Leute nicht wieder mit Angeboten abgeholt werden, könnten sich wirklich demokratiefeindliche Einstellungen stark verfestigen, erwartet er. Das sei etwas womit wir in Deutschland höchstwahrscheinlich in den nächsten zehn bis zwanzig Jahren ein großes Problem kriegen werden“, befürchtetBlumenthaler.
In einer früheren Version des Artikel hieß es, dass die Polizei auch in Huckarde keine Unterwanderung durch Rechtsextremisten sieht. Die Polizei hatte hier fälschlicherweise die Bewertung zu den Demonstrationen in der Innenstadt abgegeben. Das wurde entsprechend korrigiert. Außerdem merkte die Polizei an, dass sich PP Lange bei 91.2 ebenfalls nur auf die Demonstrationen am Montag bezog.
Reaktionen
Aufruf #DortmundHältZusammen: Wir lassen uns impfen! Dortmund ist solidarisches und demokratisch. (PM AKgR)
Die im DORTMUNDER ARBEITSKREIS GEGEN RECHTSEXTREMISMUS zusammengeschlossenen Organisationen aus der Mitte der Gesellschaft setzen noch einmal ein Zeichen gegen die Querdenken-Szene. In den vergangenen Tagen verteilte der Arbeitskreis 8.000 DinA3-Plakate „Wir lassen uns impfen! Dortmund ist solidarisch und demokratisch“.
Die Bürger:innen können die Plakate in die Fenster hängen, wenn die nächste Querdenken-Versammlung am Montag, den 14.3.2022, stattfindet. Die Sprecher:innen des Arbeitskreises Jutta Reiter und Friedrich Stiller rufen die Dortmunder:innen auf, mit den Plakaten zu zeigen, dass diejenigen, die Corona leugnen, das Impfen ablehnen und der Demokratie feindlich gegenüberstehen, keinesfalls die Mehrheit der Stadtgesellschaft repräsentieren.
Darüber hinaus bittet der Arbeitskreis die Bürger:innen den Aufruf #DortmundHältZusammen digital zu unterschieben (Internet: http://www.dortmund-rechts.de, Twitter: @AKRechtsEx, facebook: AK gegen Rechtsextremismus) .
Reaktionen
Aufruf #DortmundHältZusammen: Wir lassen uns impfen! Dortmund ist solidarisches und demokratisch. (PM AKgR)
Die im DORTMUNDER ARBEITSKREIS GEGEN RECHTSEXTREMISMUS zusammengeschlossenen Organisationen aus der Mitte der Gesellschaft setzen noch einmal ein Zeichen gegen die Querdenken-Szene. In den vergangenen Tagen verteilte der Arbeitskreis 8.000 DinA3-Plakate „Wir lassen uns impfen! Dortmund ist solidarisch und demokratisch“.
Die Bürger:innen können die Plakate in die Fenster hängen, wenn die nächste Querdenken-Versammlung am Montag, den 14.3.2022, stattfindet. Die Sprecher:innen des Arbeitskreises Jutta Reiter und Friedrich Stiller rufen die Dortmunder:innen auf, mit den Plakaten zu zeigen, dass diejenigen, die Corona leugnen, das Impfen ablehnen und der Demokratie feindlich gegenüberstehen, keinesfalls die Mehrheit der Stadtgesellschaft repräsentieren.
Darüber hinaus bittet der Arbeitskreis die Bürger:innen den Aufruf #DortmundHältZusammen digital zu unterschieben (Internet: http://www.dortmund-rechts.de, Twitter: @AKRechtsEx, facebook: AK gegen Rechtsextremismus) .