Jetzt ging doch alles ganz schnell und nahtlos: Im Nordstadtblogger-Interview hatte der scheidende Sonderbeauftragte für Vielfalt, Toleranz und Demokratie, Hartmut Anders-Hoepgen, eine zeitnahe Nachbesetzung der ehrenamtlichen Position gefordert. Nun ist – wenige Tage vor der Verabschiedung des 75-Jährigen am 27. Februar – ein Nachfolger gefunden. Manfred Kossack wurde von OB Ullrich Sierau zum 1. März 2020 als Nachfolger berufen, nachdem er die Personalie am Vortag im Ältestenrat vorgestellt hatte. Der 66-Jährige ist im Herbst letzten Jahres als Arbeitsdirektor von DEW21 und DSW21 in den Ruhestand gegangen.
Der frühere Arbeitsdirektor Manfred Kossack tritt das Ehrenamt zum 1. März an
Manfred Kossack wird die Nachfolge von Hartmut Anders-Hoepgen, der am 27. Februar offiziell im Rahmen einer Fachveranstaltung zur Förderung der Demokratie verabschiedet wird, am 1. März antreten. So ist ein nahtloser Übergang gewährleistet. „Die Stelle ist zu bedeutsam, als dass wir ein Vakuum über mehrere Monate hinnehmen könnten“, sagt der OB.
Damit schoss er indirekt eine Breitseite gegen die Grünen-Stadträtin Daniela Schneckenburger und ihren Ehemann Pfarrer Friedrich Stiller (auch einer der Sprecher des Arbeitskreises gegen Rechtsextremismus). Diese hatte die Position vertreten, dass das Ehrenamt vakant bleiben solle, bis die Nachfolge von Sierau als OB geklärt sei.
Der oder die neue Oberbürgermeister*in solle dann entscheiden, ob und mit wem dieses Ehrenamt besetzt werden sollte. Schneckenburger bewirbt sich selbst um diese Position – und Stiller hatte vor 12 Jahren selbst mit einer Berufung als Sonderbeauftragter geliebäugelt. Berufen wurde dann aber dessen damaliger scheidender Chef – Superintendent Hartmut Anders-Hoepgen.
Dennoch wollte Sierau – bei allen Seitenhieben – größtmöglichen Konsens erzielen. Alle Fraktionen – mit Ausnahme der AfD – hatten den Vorschlag im Ältestenrat unterstützt. Mit Blick auf die Nachfolge im Amt des Oberbürgermeisters, beruft Sierau Manfred Kossack zunächst für ein Jahr. So haben beide Seiten die Möglichkeit, gegebenenfalls 2021 auf neue Rahmenbedingungen zu reagieren.
Ehrenamtlicher Sonderbeauftragter als wichtiges Bindeglied zwischen Kommune und Zivilgesellschaft
Für Dortmunds Oberbürgermeister ist es unabdingbar, dass Stadt und Zivilgesellschaft im Kampf gegen Rechtsextremismus und Rechtspopulismus nicht nachlassen und weiter Flagge zeigen. Dazu gehören neben dem vielfältigen Engagement der Bürgerschaft auch die Arbeit der Koordinierungsstelle sowie die Stelle des Sonderbeauftragten.
Dies war Hartmut Anders-Hoepgen auch ein wichtiges Anliegen: Denn der Sonderbeauftragte sei ein wichtiges Bindeglied zwischen Kommune und Zivilgesellschaft. Coaches aus dem Bundesprogramm „Demokratie leben“ hätten dieses Engagement und diese Konstellation in Dortmund immer als modellhaft bezeichnet. „Da ist es wichtig, dass dieses Amt nicht acht oder neun Monate vakant bleibt. Die Situation verschärft sich bundesweit – das kann nicht so lange ruhen“, machte Anders-Hoepgen eindringlich deutlich.
Eine seiner Aufgaben war es auch immer, Stellung zu nehmen – insbesondere gegenüber überregionalen oder internationalen Medien. „Wir haben immer mit überregionalen Medien diskutiert, die uns immer zur Hochburg von Nazis machen wollen, obwohl wir eine Hochburg zur Bekämpfung von Neonazis sind“, sagte Sierau. Entsprechend leidvolle Erfahrungen machte Anders-Hoepgen in den vergangenen zwölf Jahren. Seine einordnenden Worte blieben von den Medien oft unerhört.
Die aktuelle Situation sieht er als eine überparteiliche Aufgabe, dass sich die Vorkommnisse in Thüringen in NRW nicht wiederholten. „Ich scheide daher mit einem lachenden und weinenden Auge aus. Ich hätte eher gedacht, dass sich die Aufgabe erledigt und nicht noch ausweitet und verschärft“, so Anders-Hoepgen. Umso mehr Engagement von Demokrat*innen werde braucht. „Das Problem verschärft sich bundesweit.“
Eindringliche Forderung nach einem Demokratiefördergesetz in NRW
Er erneuerte daher seine Forderung, dass das Land nun doch noch ein Demokratiefördergesetz auf den Weg bringe. Der Dortmunder war vor einigen Monaten als sachkundiger Bürger in den Hauptausschuss des Landtages eingeladen worden. Obwohl die meisten Expert*innen ein solches Gesetz begrüßt hätten, habe es aber der Landtag dennoch nicht beschlossen.
„Das Gesetz ist dringender nötig denn je, obwohl ich ja nicht für Bürokratie bin. Aber hier muss Zivilgesellschaft gestärkt und Engagement verstetigt werden. Ich war entsetzt, dass das Gesetz nicht beschlossen wurde. Aber jetzt ist ein guter Zeitpunkt, das Thema wieder aufzunehmen, Demokratie zu stärken und in Gesetzen zu verankern“, zeigte sich Anders-Hoepgen kämpferisch.
So kämpferisch, dass man den Eindruck gewinnen konnte, dass er doch nicht aufhören wolle. Allerdings sind sich Sierau und Anders-Hoepgen einig, in Manfred Kossack einen geeigneten Nachfolger gefunden zu haben, der das Thema voranbringen und mitunter auch neue Akzente setzen könnte.
Kossack bewegt das Thema seit der Arbeit an der Ausstellung „Widerstand und Verfolgung“
„Als Arbeitsdirektor war ich bundesweit vernetzt. Ich kenne Kollegen in Halle an der Saale, Chemnitz und anderen Orten. Das sind alles Städte, die sich solche Strukturen wie in Dortmund wünschen würden“, zollte Kossack dem bisherigen Engagement Respekt. Und anders als anderenorts sei eine solche Beauftragung nicht gedacht, dass sich der OB nicht mehr kümmern müsse. Dieser OB geht bei dem Thema voran“, klopfte Kossack seinem Parteifreund Sierau verbal auf die Schulter.
Gleichwohl machte der 66-Jährige deutlich, dass er sich seit Jahrzehnten mit dem Thema beschäftige.
Sein „Ziehvater“ in der Stadtverwaltung, Erich Rüttel, sei seinerzeit für das Stadtarchiv zuständig gewesen. Gemeinsam mit anderen hätten sie – er damals als persönlicher Referent von Rüttel – die erste Ausstellung „Widerstand und Verfolgung 1933 – 1945“ entwickelt. Die Ausstellung war zunächst durch die Stadt gewandert, habe zwischenzeitlich im Westpark eine vorübergehende Bleibe gefunden, bevor die in der Steinwache eine Heimat gefunden habe.
„Ich habe sehr viel gelernt durch die Arbeit mit der Ausstellung und lernte auch einen Paul Winzen aus Eving kennen, der Druckschriften gegen die Nazis vervielfältigte“, erinnerte Kossack an den Dortmunder Widerstandskämpfer, der 1943 von den Nazis in Berlin-Plötzensee hingerichtet wurde. Winzen hatte Aphorismen geschrieben: „Die Rücksichtslosigkeit wächst nur dort, wo sie von der Duldsamkeit ernährt wird. Darum ist die eine nicht weniger schuldig als die andere.“
Dies sei ein Leitmotiv für sein Handeln: damals ebenso wie heute, in der neuen Aufgabe. In der Ausstellung in der Steinwache könne „man sehen, wie eine Stadtgesellschaft kippen kann, wenn man nicht dafür eintritt. Die neue Aufgabe ist eine Ehre für mich, die Familie zieht mit“, so Kossack.
Stimmen zur Nachfolge:
„Der DGB Dortmund begrüßt, dass Manfred Kossack Nachfolger von Hartmut Anders-Hoepgen wird. Nur weil wir vor einer Kommunalwahl stehen, darf ein solch wichtiges Amt nicht unbesetzt bleiben. Gerade in der aktuellen Situation dürfen wir keinen Zweifel an der klaren Haltung der Stadt aufkommen lassen. Manfred Kossack ist gut vernetzt und in der Stadt bekannt, so dass er diese Aufgabe gut erfüllen wird.“
Jutta Reiter, Vorsitzende DGB Dortmund
„Ich freue mich, dass Hartmut Anders-Hoepgen bei BackUp-ComeBack weiterhin dem Verein für die offensive Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus vorsteht. Und ich bin froh, dass nun nahtlos mit Manfred Kossack ein Nachfolger in das Amt des Sonderbeauftragten eintritt. Ich bin mir sicher, dass Manfred Kossack sich ebenfalls hoch engagiert, kompetent und empathisch einbringen wird. Auch er ist in unserer Stadt gut vernetzt und – ich füge noch hinzu – auch überparteilich. Ich freue mich auf die Zusammenarbeit. Glück auf!
Georg Deventer, Dortmunder Arbeitskreis gegen Rechtsextremismus
„Die jüdische Gemeinde begrüßt die Ernennung von Manfred Kossack als Sonderbeauftragten in der Koordinierungsstelle für Vielfalt, Toleranz und Demokratie. Wir haben Herrn Kossack bereits in der Vergangenheit als zuverlässigen und engagierten Partner im gemeinsamen Kampf gegen Antisemitismus und Diskriminierung kennengelernt. Wir sind sehr zuversichtlich, dass Herr Kossack die wertvolle und erfolgreiche Arbeit, die Hartmut Anders-Hoepgen seit 2007 ehrenamtlich als Sonderbeauftragter geleistet hat, ebenso erfolgreich weiterführen wird. Für dieses Ehrenamt, das Herr Kossack nun übernehmen wird, wünschen wir ihm viel Erfolg und sind sicher, mit ihm einen verlässlichen Partner an unserer Seite zu haben.“
Leonid Chraga, Geschäftsführer der Jüdischen Kultusgemeinde
Ich war nie Mitglied irgendeiner Partei und blicke – schon mein Leben lang – argwöhnisch auf Besetzungen von Posten, die manchmal ein Rätsel sind, wobei mir aber nicht zusteht, Kompetenzen anzuzweifeln. Zweifel an der Kompetenz eines Hartmut Anders-Hoepgen hatte ich nie. Der Kampf gegen Diskriminierung und Rassismus lag bei ihm in den besten Händen. Und daran muss sich Manfred Kossack in Zukunft messen lassen. Aber eins ist klar: ich glaube ihm. Denn wenn einer sich in diesem für Dortmund so wichtigen wie ehrenamtlich aufreibenden Job zur Verfügung stellt, ist das ein Wert an sich. Und das finde ich gut! Ich wünsche ihm viel Glück und werde, genau wie ich Hartmut Anders – Hoepgen unterstützt habe, meine Möglichkeiten zur Zusammenarbeit anbieten.
Fred Ape, Musik-Kabarettist und Veranstalter
„Die Koordinierungsstelle für Vielfalt, Toleranz und Demokratie und der ehrenamtliche Sonderbeauftragte sind für viele engagierte Demokrat*innen aus der Zivilgesellschaft in Dortmund sehr wichtig. Die Kontinuität dieser Arbeit der Koordinierungsstelle und des Sonderbeauftragten ist daher für viele Akteure der Zivilgesellschaft unerlässlich.”
Friedrich Gnad, Mitglied am Runden Tisch für Toleranz und Verständigung in Dorstfeld, Mitglied im AK Christen gegen Rechtsextremismus und Mitglied des Presbyteriums der Evangelischen Elias-Kirchengemeinde Dortmund.
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