
Die Dortmunder Proteste gehen in die nächste Runde: Vor etwas mehr als einer Woche brachte die CDU/CSU-Fraktion von Friedrich Merz einen Antrag zur Migrationspolitik ins Parlament ein, gefolgt von der Abstimmung über das sogenannte „Zustrombegrenzungsgesetz“, welches auch von AfD und FDP unterstützt wurde. Letztendlich gab es keine Mehrheit dafür – der Aufschrei in der Bevölkerung über die Zusammenarbeit ist jedoch seitdem bundesweit groß.
Die Brandmauer ist für viele Menschen bereits gefallen
Bereits am 30. Januar protestierten rund 5000 Menschen in der Dortmunder Innenstadt. Am Samstag (8. Februar 2025) folgte nun eine weitere Demonstration, zu der die Initiative „Dortmund Solidarisch“ aufrief, der sich knapp 60 Organisationen und Personen anschlossen. Unter dem Motto „Solidarität statt Hetze“ nahmen laut Angaben der Polizei bis zu 2.900 Menschen an der Protestaktion teil, die friedlich und störungsfrei verlief.

Noch vor dem offiziell geplanten Demonstrationsbeginn um 11 Uhr versammelten sich zahlreiche Menschen vor der Reinoldikirche. Mithilfe von Schildern und Plakaten mit Aufschriften wie „Wir sind die Brandmauer“, „Die Mehrheit ist bunt“ und „Gegen Nazis“ gaben die Demonstrant:innen ihrer Wut über das politische Vorgehen Ausdruck — Denn die Brandmauer sei für viele durch die Zusammenarbeit der demokratischen Parteien mit der rechtspopulistischen AfD gefallen.
„Die Geschehnisse und der Schulterschluss der CDU mit der AfD haben uns schockiert. Am Vormittag wird den Opfern des Holocaust, dem 80. Jahrestag der Befreiung des KZ Ausschwitzs gedacht, am Abend jubeln die Mitglieder der faschistischen AfD” so eine Rednerin der Naturfreunde Dortmund Nord.

Neben ihnen hielten weitere Organisationen Ansprachen, unter anderem auch die Autonome Antifa 170: „Wir können und wir werden nicht schweigend zusehen, wenn nach und nach das Bleiberecht unserer Mitmenschen infrage gestellt wird. Wir alle sind verantwortlich dafür, dass die Welle der Empörung nicht abebbt und unser Protest Wirkung zeigt“, so die Rednerin.
„Der Kampf gegen Rechts muss am Arbeitsplatz, in der Universität und in der Schule geführt werden. Wir werden nicht zulassen, dass Nazis und Konservative großen Teilen dieser Gesellschaft das Leben zur Hölle machen.“ – jubelnde Rufe aus der Menschenmenge folgten, bevor der Demonstrationszug kurz vor 12 Uhr startete.
Dieser führte rund um die Reinoldikirche, weiter über die Kampstraße und den Wall, unter anderem an der Zentrale der CDU vorbei, wobei Parolen wie „Shame on you, CDU“ und „Ganz Dortmund hasst die CDU“ skandiert wurden.

In einem eigenen Block der Naturfreundejugend marschierten auch Kinder und Familien mit, die „Kinderrechte statt rechte Menschen“ forderten. Der gesamte Zug mündete auf dem Friedensplatz, wo die Veranstaltung mit weiteren Beiträgen fortgesetzt wurde.
Trotz zahlreicher Demonstrationen geringe Wahlveränderungen laut Umfragergebnissen
Allein an diesem Wochenende finden bundesweit rund 200 Proteste gegen Rechts statt, wie auch die Initiative „Dortmund Solidarisch“ während des Demonstrationszuges betonte. Ebenso drückten sie und die Autonome Antifa 170 ihr Unverständnis über aktuelle Befragungen zum Wahlverhalten aus.

Eine Teilnehmerin aus Dortmund erklärte, welche Hoffnung sie mit den Demos verbindet: „Ich wünsche mir, dass die Leute wach werden. Viele wählen die AfD und sagen, sie halten sich aber nicht für Nazis. Es muss einfach klar sein, wenn man sie wählt, das ist eine rechtsextreme Partei“. Ihre Begleiterin fügt hinzu: „Dass rechtes Gedankengut so salonfähig geworden ist, finde ich total krass“.
Und zum Thema, das den Bundestag so beschäftigt, sagten sie: „Wir brauchen Migration, weil sonst das ganze System zusammenbricht. Wir sind die Boomergeneration, wenn wir in Rente sind, sind nur wenige da, die nachkommen“. Außerdem stehe das Recht auf Asyl im Grundgesetz – „Das ist überhaupt nicht zu diskutieren“.
„Die Stimmung ist so, dass sich viele Leute große Sorgen machen“
Trotz der großen Empörung in der Zivilgesellschaft, die sich neben der AfD besonders gegen Friedrich Merz richtet, habe die CDU laut den aktuellen Umfrageergebnissen einen Prozentpunkt dazugewonnen. Sie läge jedoch weiterhin bei einem Gesamtwert von rund 30 Prozent.

Die AfD erhielte laut Umfragen etwa 20 Prozent der Stimmen, habe jedoch einen Prozentpunkt verloren. Die Ergebnisse solcher Umfragen basieren jedoch auf Stichproben, die hochgerechnet werden. Geringe Schwankungen in der Bilanz können daher zufällig sein, weshalb die Ergebnisse nicht als exakte Vorhersage dienen.
Ein weiteres Vereinsmitglied fügte hinzu: „Die Stimmung ist so, dass sich viele Leute große Sorgen machen. Wir haben früher für Fahrradwege demonstriert und jetzt stehen wir hier und gucken sehr sorgenvoll auf die politische Landschaft und auf diese Wahl. Das habe ich so noch nicht erlebt“.

Inwieweit die Zahlen das tatsächliche Wahlergebnis der Bundestagswahl am 23. Februar widerspiegeln, bleibt daher abzuwarten.
Ein Demonstrant vom „Team Hollandse frietjes“ aus Bochum beschrieb die Stimmung vor der Wahl: „Man hat gemischte Gefühle, weil es so ein politischer Kipppunkt sein kann und die Sorge ist riesig. Weil es vielleicht kein Zurück mehr gibt. Alle gucken gebannt auf den 23., was dann von der Republik übrig bleibt“.
Abschlussworte auf dem Friedensplatz: Solidarität und Hoffnung für die Zukunft
Noch bevor sich die Demonstration gegen 13.30 Uhr auf dem Friedensplatz dem Ende zuneigte, wandten sich weitere Organisationen an die Demonstrierenden. Neben „Fridays for Future“, „Erinnern verändert Dortmund“ und weiteren Initiativen war darunter auch William Dountio vom Solidaritätskreis Mouhamed.

„Das Glück und Wohl eines Menschen, einer Familie, sollte auch unser Glück sein. Wenn ein Mensch im Mittelmeer stirbt, stirbt ein Stück unserer Menschheit. (…) Aber wenn wir heute zusammen aufstehen und Widerstand leisten, wenn wir uns solidarisch zeigen, dann bringen wir nicht nur für uns, sondern auch für all die Kinder und Jugendlichen, die ich hier sehe, und für diejenigen, die noch kommen werden, Hoffnung. Deshalb sage ich noch einmal: Hoch die internationale Solidarität!“, sprach Dountio ins Mikrofon.
Ein weiteres Zeichen gegen Hass und Hetze möchte der Dortmunder Arbeitskreis gegen Rechtsextremismus am 20. Februar setzen. Unter dem Motto „Ein Lichtermeer für Demokratie und Vielfalt“ ist eine Kundgebung geplant, die von 18 bis 20 Uhr in der Kampstraße, in der Nähe der Petrikirche, stattfinden wird.
Anm.d.Red.: Haben Sie bis zum Ende gelesen? Nur zur Info: Die Nordstadtblogger arbeiten ehrenamtlich. Wir machen das gern, aber wir freuen uns auch über Unterstützung!
Mehr auf dazu auf Nordstadtblogger:
Trotz Regen und Kälte: Dortmund demonstriert gegen Rechts(d)ruck in der deutschen Politik
Die CDU Dortmund bekräftigt ihre lokale „Brandmauer“ zwischen sich und der AfD
Nach gescheitertem Merz-Antrag: Eine weitere Demo in Dortmund setzt Zeichen gegen Rechts
Reaktionen
Ulrich Sander, Dortmund, Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/BdA
Am 20. Februar gilt es, ein mächtiges Zeichen gegen die AfD zu setzen.
Die AfD ist schon lange im neofaschistischen Lager angekommen. Darauf weisen die Selbstdarstellungen des Bundestagskandidaten Matthias Helferich aus Dortmund hin, er sei das „freundliche Gesicht des NS“ und der „demokratische Freisler“. Ferner die Berichte über seine Kontakte zur Dortmunder Neonaziszene. Die breite gewollte oder ungewollte Popularisierung der Helferich-Thesen durch die lokale Monopolzeitung heutigen Tages ist entschieden anzulehnen. Das grenzt an Begünstigung für NS-Propaganda. – Der Artikel 139 GG mit der eindeutigen Überschrift „Fortgeltung der Entnazifizierungsvorschriften“ sollte in Erinnerung gerufen werden: „Die zur ‚Befreiung des deutschen Volkes vom Nationalsozialismus und Militarismus‘ erlassenen Rechtsvorschriften werden von den Bestimmungen dieses Grundgesetzes nicht berührt.“ Zu diesen Rechtsvorschriften gehörte das Verbot der NSDAP und aller Nachfolgeparteien sowie der NS-Propaganda. Propaganda für die AfD sollte bekämpft werden wie bisher die der Neonazi-Szene Dortmunds. Die Merz-CDU und die hiesigen Printmedien eilen den AfD-Neonazis zur Hilfe. Sie sollten sich schämen.
Jugendring Dortmund kritisiert gefährliche Scheindebatte um Neutralitätsgebot (PM)
Der Jugendring Dortmund kritisiert die aktuelle Debatte über die parteipolitische Neutralität von zivilgesellschaftlichen Organisationen als irreführend und gefährlich. Die Behauptung, diese dürften sich nicht klar gegen extrem rechte und menschenverachtende Politik positionieren, ohne ihre Gemeinnützigkeit zu riskieren, schränkt wichtige demokratische Aushandlungsräume in ihrer Arbeit ein.
Anfragen der CDU/CSU-Bundestagsfraktion vom 24. Februar und der FDP-Fraktion im NRW-Landtag vom 17. Februar stellen erneut die Förderung zivilgesellschaftlicher Organisationen infrage, die sich aktiv gegen Rechtsextremismus einsetzen. Der Jugendring Dortmund sieht darin eine besorgniserregende Entwicklung, die das demokratische Engagement junger Menschen unter Generalverdacht stellt und die Arbeit zivilgesellschaftlicher Akteure erheblich erschwert.
Gegründet wurde der Jugendring Dortmund 1946 im Bewusstsein des demokratischen Neubeginns nach dem NS-Staat. Jugend und ihre Organisationsformen sollten sich frei von staatlicher Beeinflussung entwickeln. Der Bundesgesetzgeber hat den Jugendverbänden und Jugendringen sogar die herausgehobene Rolle als Interessenvertretung für Kinder und Jugendliche zugeschrieben (§12 SGB VIII). Sie sind immer parteiisch für die Interessen junger Menschen, aber parteipolitisch neutral. Einher geht damit auch, sich kritisch zu äußern, ganz gleich welche Partei sich gegen ihre Interessen und Werte positioniert.
Die Jugendverbände in Dortmund engagieren sich für eine plurale Demokratie und gegen jede Form von Menschenfeindlichkeit. Diese Haltung ist gerade kein parteipolitisches Engagement, sondern eine grundlegende Verpflichtung zum Schutz der Demokratie.