85. Jahrestag der Pogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938

Nach dem Anschlag der Hamas: Ein Zeichen gegen den ansteigenden Antisemitismus weltweit setzen

Aktuell(er) ausgerichtet war die Kundgebung von politischen Jugendorganisationen auf dem Friedensplatz. Nordstadtblogger-Redaktion

Zum 85. Mal jährte sich die „Reichspogromnacht“ vom 9. auf den 10. November 1938. Um den Opfern der nationalsozialistischen Verbrechen zu gedenken und auch ein Zeichen gegen den aktuellen Antisemitismus zu setzen, fand am Mahnmal der ehemaligen Synagoge in Dorstfeld eine Gedenkfeier statt. Diese wurde von einem Rahmenprogramm auf dem Wilhelmplatz begleitet. Doch war das nicht die einzige Veranstaltung. Auch auf dem Platz der alten Synagoge in der City und an mehreren anderen Orten in Dortmund gab es Gedenkveranstaltungen.

Auch an die Opfer des Terroranschlags wird gedacht

Foto: Alexander Völkel für Nordstadtblogger.de

Vor 85 Jahren wurden Synagogen in Brand gesetzt, jüdische Einrichtungen, Wohnungen und Geschäfte zerstört und geplündert. Auch in Dortmund brannten Synagogen. Die Nacht vom 9. auf den 10. November des Jahres 1938 war der Beginn der systematischen Verfolgung und Vernichtung von Jüdinnen und Juden – und somit des Holocausts.

Auf dem Wilhelmplatz haben Organisationen, Initiativen und auch Schüler:innen einer Dortmunder Schule ihre Arbeit zu den Themen Nationalsozialismus, Gedenken und Antisemitismus vorgestellt. Die Gedenkveranstaltung wurde durch das Projekt „Quartiersdemokrat:innen“ organisiert. Veranstalter ist der Trägerverein Quindo e.V..

Die Menschen versammelten sich am Mahnmal für die ehemalige Synagoge in Dortmund-Dorstfeld, um sich die Reden anzuhören. Foto: Alexander Völkel für Nordstadtblogger.de

„Ganz generell gesagt ist das alljährliche Gedenken an die Opfer der Progromnacht von 1938 ein wesentlicher Teil der Dorstfelder Erinnerungskultur. Aber gerade mit Blick auf den Terroranschlag durch die Hamas in Israel sind wir sicherlich an einem Punkt, wo wir sagen: Nie wieder ist jetzt“, sagte Viviane Dörne, Mitarbeiterin des Projekts „Quartiersdemokrat:innen“, ___STEADY_PAYWALL___

„Das müssen wir zeigen, indem wir auch diesen Tag dafür nutzen, auf den aktuellen aufkommenden Antisemitismus aufmerksam zu machen.“ Es wurde nicht nur an die Opfer der nationalsozialistischen Verbrechen gedacht, sondern auch an die, die bei dem Terroranschlag durch die Hamas in Israel umgekommen sind.

Zudem hat man den Tag auch genutzt, um auf die vermehrt vorkommenden antisemitischen Vorfälle in Deutschland aufmerksam zu machen.

„RIAS und andere Organisationen haben zur aktuellen Lage seit dem 7. Oktober 2023 über 2.000 antisemitische Vorfälle in Deutschland gezählt. Sie stehen im Kontext des Nahost-Konflikts. Ich glaube, da sehen wir, wie virulent der Antisemitismus ist  und wie gewalttätig er bis heute immer noch wirkt“, so Dörne.

Zunahme der antisemitischen Vorfälle ein großes Problem

1. Bürgermeister Norbert Schilff Foto: Alexander Völkel für Nordstadtblogger.de

Auch in den Reden am Mahnmal für die ehemalige Synagoge in Dortmund-Dorstfeld wurde die Zunahme der antisemitischen Vorfälle thematisiert. Ein Grund dafür seien „Anti-Israel“-Hetzkampagnen in den sozialen Medien. Aus diesem Grund haben einige Schulklassen ihre Teilnahme an der Gedenkveranstaltung abgesagt. Die Angst vor möglicher Gewalt sei zu groß. Stattdessen hörte man von diesen Schüler:innen Wortbeiträge über Lautsprecher.

„Ich möchte Sie alle ermutigen heute ein starkes Zeichen zu setzen. Lassen Sie uns gemeinsam gegen Hass und Extremismus auftreten“, sagte Bürgermeister Norbert Schilff. Er verstehe die Angst der Schüler:innen, doch betont er auch, dass diese uns nicht hindern dürfte, unsere Werte, unser Engagement für Demokratie und Toleranz zu verteidigen.

Bezirksbürgermeisterin Astrid Cramer Foto: Alexander Völkel für Nordstadtblogger.de

„NS-Verbrechen von damals und und der Angriff der Hamas von heute werden relativiert. Der Terror wird nicht als solcher klar benannt. Die Existenz Israels wird delegitimiert und Jüd:innen haben auch hier wieder Angst um ihr Leben“, sagte Bezirksbürgermeisterin Astrid Cramer.

„Ja, der Krieg Israels gegen die Hamas, der als Reaktion auf den Terror seit dem 7. Oktober andauert, ist schrecklich. Auf palästinensischer Seite sterben in diesen Tagen tausende unschuldige Menschen. Diese Nachrichten und Bilder sind kaum zu ertragen.“

Rabbiner Avigdor Moshe Nosikov Foto: Alexander Völkel für Nordstadtblogger.de

Auch der Dortmunder Rabbiner Avigador Moshe Nosikov rief aus, dass sich die Menschen klar gegen die Verbrechen an Jüdinnen und Juden aussprechen sollten.

Anders als vor einem Jahr, als er noch neu in Dortmund war und auf englisch sprach, richtete er sich nun in deutscher Sprache an die zahlreichen Zuhörer:innen und fand deutliche Worte – zum Antisemitismus damals und heute.

„Die Lektion, die die Menschheit vor 85 Jahren mit Flüssen von Blut bezahlt hat, sollten uns daran erinnern, dass es kein „ja aber“ im Kampf des Lichts gegen die Dunkelheit geben darf“, so Nosikov.

Zeitzeuge Bert Woudstra Foto: Alexander Völkel für Nordstadtblogger.de

Im Anschluss sprach der neue Kantor der Jüdisches Kultusgemeinde Dortmund, Abraham Goldberg, das Totengebet, welches an die Opfer der Shoa in den europäischen Konzentrationslagern erinnerte.

Zudem hatte auch Bert Woudstra, ein Überlebender des Holocausts den Anstieg antisemitischer Vorfälle angesprochen: „Speziell weil heute in Israel/Gaza leider wieder ein Krieg entbrannt ist, kocht weltweit der Hass auf Juden wieder hoch. Manche gebrauchen den Antisemitismus und die Diskriminierung, um sich zu rächen an einzelnen Menschen jüdischen Glaubens.“

„Pro-Palästina-Demonstrationen mutieren regelmäßig zu Pro-Hamas-Veranstaltungen“

OB Thomas Westphal und Zwi Rappoport, Vorsitzender des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden von Westfalen-Lippe. Nordstadtblogger-Redaktion

Abends fand auch im Foyer des Dortmunder Opernhauses eine Gedenkveranstaltung statt. Oberbürgermeister Thomas Westphal sowie Zwi Rappoport, Vorsitzender des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinde von Westfalen-Lippe und Vorstand der Jüdischen Kultusgemeinde Dortmund sprachen.

Es folgte ein Beitrag des Journalisten und Rechtsexperten Dr. Ronen Steinke zum Thema „85 Jahre später immer noch aktuell – antisemitische Gewalt heute“. Auch Ahmad Aweimer, Sprecher des Rates der muslimischen Gemeinden war anwesend. Zudem präsentierte der World Jewish Congress auf einem großen Bildschirm virtuelle Rekonstruktionen der 1938 zerstörten Synagogen.

Der World Jewish Congress präsentierte auf einem großen Bildschirm virtuelle Rekonstruktionen der 1938 zerstörten Synagogen an den jeweiligen historischen Standorten. Chimène Goudjinou | Nordstadtblogger

Auch hier war der Anstieg antisemitischer Vorfälle durch den Nahostkonflikt Thema. „Die Pro-Palästina-Demonstrationen mutieren regelmäßig zu Pro-Hamas-Veranstaltungen, bei denen die Terroristen bejubelt und als Widerstandskämpfer gefeiert werden“, sagte Rappoport.

Doch erwähnte er in seiner Ansprache nicht nur die Pro-Palästina-Demonstrationen. Er drückte auch seine Sorge vor einer „Allianz aus linkem, rechtem und islamistischem Antisemitismus“ aus.

„Wir fragen uns voller Sorge: Müssen wir nach dem versuchten Massenmord eines Rechtsextremisten in Halle 2019, der nur durch eine massive Holztür verhindert wurde, nun mit einer ähnlichen Bedrohung von muslimischer Seite rechnen? Oder von Linksextremisten? Oder von allen gemeinsam?“, so Rappoport.

Dr. Ronen Steinke sprach zum Thema „85 Jahre später immer noch aktuell – antisemitische Gewalt heute“. Chimène Goudjinou | Nordstadtblogger

Auch Ronen Steinke erwähnte in seiner Ansprache die Pro-Palästina-Demonstrationen: „Ich finde es eigentlich traurig, dass es überhaupt pro-palästinensische und pro-israelische Demos gibt. Ich weiß gar nicht, welche passender für mich wäre.“

„Ich bin Pro Humanität, Pro Menschenrechte und Pro unschuldige Zivilisten. Die sehe ich auch unter den Palästinensern, die unter dem furchtbaren Joch der Hamas leiden im Gaza, viele Menschen, die meine Empathie verdienen, meine Empörung über ihr Leid ist groß“, so Steinke.

Antisemitischer Vorfall auf der Gedenkveranstaltung der Grünen Jugend

Die Kranzniederlegung auf dem Platz der alten Synagoge in Dortmund. Chimène Goudjinou | Nordstadtblogger

Die Gedenkveranstaltung im Foyer des Dortmunder Opernhauses wurde mit einer Kranzniederlegung auf dem Platz der alten Synagoge beendet.

Danach gingen viele der Teilnehmer:innen auf den Friedensplatz. Dort hatte die Grüne Jugend Dortmund eine Gedenkveranstaltung organisiert.

„Am 9. November gilt es, wie an jedem anderen Tag, überall und unermüdlich gegen Antisemitismus zu kämpfen. Das ist das, was wirklich zählt. Deswegen stehen wir heute 85 Jahre nach der Pogromnacht hier“, hieß es dort beispielsweise von der Grünen Jugend. „Ich bitte Sie alle, führen Sie sich jeden Tag vor Augen, Antisemitismus bekämpft man nicht mit Islamfeindlichkeit. Antisemitismus bekämpft man mit Haltung.“

Die Grüne Jugend Dortmund hat auf dem Friedensplatz eine Gedenkveranstaltung organisiert, auf der auch einige Ansprachen gehalten wurden. Nordstadtblogger-Redaktion

So ganz ruhig war die Veranstaltung aber nicht verlaufen. Zwei Teilnehmer:innen beobachteten einen Mann, der auf den Boden spuckte und „Scheiß Juden“ rief. „Er stand dann aber noch ein bisschen hier im Hintergrund rum und hatte das so beobachtet. Deswegen haben wir gedacht, wir sprechen mal eben die Polizisten darauf an. Weil er auch schon relativ aggressiv guckte“, berichtete einer der Teilnehmenden.

Als der Mann bemerkte, dass die Polizei auf ihn aufmerksam wurde, lief er weg. Doch konnte ihn die Polizei noch schnappen und eine Anzeige aufnehmen. Auch dieses Ereignis zeigt, wieso das jährliche Erinnern und sofortige agieren so wichtig ist.

Manfred Kossack – ehrenamtlicher Sonderbeauftragter des Oberbürgermeisters für Vielfalt, Toleranz und Demokratie in Dortmund – versicherte, dass das Thema Antisemitismus eine der wesentlichen Aufgaben des neuen Aktionsplans wird, den der Stadtrat beauftragt hat. Es wird wieder ein großes Beteiligungsverfahren geben, sowie wissenschaftliche Auswertungen der Lage und aktualisierte Handlungsempfehlungen. „Ich schätze mal, so in zwei Jahren müsste das Werk fertig sein und im Rat auch beschlossen werden und damit haben wir wieder einen neuen lokalen Aktionsplan“, sagte er.

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  1. Nie wieder ist jetzt! – Konzert mit Statement gegen Antisemitismus (PM Konzerthaus)

    Dem Konzert am 2. Dezember mit Lahav Shani, Pinchas Zukerman und den Bamberger Symphonikern wird ein Solidaritätsakt vorausgehen, der ein deutliches Zeichen gegen Antisemitismus setzt. Reden wird u. a. der frühere Bundestagspräsident Norbert Lammert.

    »Angesichts der aktuellen politischen Krisen möchte ich das von israelischen Künstlern und mit einem israelischen Komponisten gestaltete Konzert am 2. Dezember nicht unkommentiert lassen. Der brutale Angriff der Hamas gegen Zivilistinnen und Zivilisten in Israel am 7. Oktober und die damit verbundene Zuspitzung des Nahost-Konflikts haben uns tief erschüttert. Dass daraufhin überall auf der Welt der Antisemitismus aufgeflammt ist und die Gewalt gegen Jüdinnen und Juden zugenommen hat, darf uns nicht gleichgültig sein und ist auch nicht zu relativieren«, so Konzerthaus-Intendant Raphael von Hoensbroech. Das Konzerthaus Dortmund will daher sichtbar und hörbar gegen Antisemitismus in Deutschland eintreten. Zugleich gilt das Mitgefühl allen Menschen, die unter dem Nahost-Konflikt zu leiden haben, insbesondere wenn sie unschuldig mit einbezogen werden.

    Aus diesem Grund haben Oberbürgermeister Thomas Westphal und Raphael von Hoensbroech gemeinsam mit dem israelischen Dirigenten Lahav Shani, dem israelischen Geiger Pinchas Zukerman und den Bamberger Symphonikern entschieden, im Rahmen des Konzerts am 2. Dezember ein Zeichen gegen Antisemitismus, Hass und Ausgrenzung zu setzen.

    Zu Beginn des Konzerts wird es eine Rede des früheren Bundestagspräsidenten Norbert Lammert sowie weitere kürzere Ansprachen geben. Das Konzert u. a. mit dem Violinkonzert des in den 1930er-Jahren vor den Nazis geflohenen israelischen Komponisten Paul Ben-Haim wird unter Anwesenheit von Vertreterinnen und Vertretern der Dortmunder Stadtgesellschaft stattfinden.

  2. BRING THEM HOME. NOW! 150 Tage – 134 Geiseln (PM)

    Noch immer befinden sich 134 Geiseln in den Händen der Terrororganisation Hamas. Seit fast fünf Monaten ist das Schicksal dieser Verschleppten, darunter kleine Kinder, Frauen und Greise, völlig ungewiss. Sie werden in den Terrortunneln der Hamas unter menschenunwürdigen Bedingungen festgehalten. Dei tägliche Pein und Not der Geiseln und ihrer Angehörigen ist unerträglich und kaum nachvollziehbar.

    Am Montag, .4 März 2024, werden wir von 6 bis 22 Uhr mit einer Installation auf dem Dortmunder Friedensplatz auf das Schicksal der 134 Geiseln aufmerksam machen. Und dabei brauchen wir Ihre und Eure Unterstützung:
    Keinenmernennietetedienergeniare,NeztwereespeneSiunsAmuf nisamketi zu schaffen.

    – Kommen Sie zum Friedensplatz und machen Sie von dort ein Posting mit dem Social Media Kanal ihrer NGO/Organisation/Partei und helfen Sie uns dabei Aufmerksamkeit zu schaffen. Nutzen Sie so Ihre Reichweite, um auf das Schicksal der Geiseln hinzuweisen und lassen Sie uns gemeinsam ein starkes Zeichen aus unserer Heimatstadt Dortmund senden.

    Die Installation wird organisiert durch die Jüdische Kultusgemeinde Groß-Dortmund in enger Kooperation mit dem World Jewish Congress, der what matters gGmbH, der FYNAL AG und NEOVAUDE GmbH und unter Beteiligung vieler weiterer Netzwerkpartner.

    • Die reinen Materialkosten für die Installation belaufen sich auf ca. 10.000 EUR,
    weshalb wir uns über eine Spende zur Unterstützung der Installation sehr freuen. Die
    Arbeitsleistung für die Planung und Durchführung wird von allen Netzwerkpartnern
    kostenfrei eingebracht. Eine genaue Abrechnung erfolgt mi Anschluss an das Projekt. Möglicherweise zu viel gespendete Beträge werden an das Familienforum der Vermissten und Geiseln in Tel Aviv weitergeleitet.

    Spendenkonto what maters gGmbH
    BIAN: DE58 4416 0014 6643 6528 0
    Eine Zuwendungsbescheinigung kann ausgestellt werden.
    Bite wenden Sei sich dafür an info@whatmatters.de.

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