Für die Jüdische Kultusgemeinde und die Dortmunder Stadtgesellschaft könnte ein lang gehegter Wunsch in Erfüllung gehen: Wenn Rat und Bezirksregierung zustimmen, gibt es nach 83 Jahren bald wieder einen Grundschul-Standort für jüdische Schüler:innen in Dortmund. Geplant ist der neue Teilstandort mit konfessioneller Ausrichtung jüdischen Glaubens in der ehemaligen Hauptschule am Ostpark in der Davidisstraße.
Start des Schulbetriebs in den Räumen der Jüdischen Kultusgemeinde
Der Rat entscheidet im November darüber. Der Schulbetrieb könnte im Sommer 2025 starten. Dann allerdings zunächst in den Räumlichkeiten der jüdischen Kultusgemeinde. Der Grund: Der Altbau der ehemaligen Hauptschule am Ostpark in der Davidisstraße 13, der für den Teilstandort der Berswordt-Europa-Grundschule vorgesehen ist, muss erst noch saniert werden.
Für die Dortmunder Stadtgesellschaft und die jüdische Gemeinde wäre das ein bedeutendes Ereignis und ein starkes Zeichen. Jüdisches Leben und jüdische Kultur sind in Dortmund tief verwurzelt und haben lange Tradition: Eine jüdische Volksschule existierte wahrscheinlich schon seit der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts.
Die Schüler:innen der Volksschule wurden im Laufe der Jahre an unterschiedlichen Standorten unterrichtet: Breite Gasse (1870/71), Kampstraße (1889) und Lindenstraße (1930). Seit 1904 wurde diese Schule als Bekenntnisschule von der Stadt Dortmund finanziert.
Nazis schlossen alle jüdischen Schulen
Am 30. Juni 1942 besiegelten die Nationalsozialisten das grundsätzliche Schulverbot für jüdische Kinder: Alle jüdischen Schulen im Deutschen Reich wurden geschlossen, auch die jüdische Schule in Dortmund.
Der Zugang zu staatlichen Schulen wurde jüdischen Kindern schon im November 1938 verboten. Während der NS-Diktatur wurden in Dortmund über 2000 Mitbürger:innen ermordet.
Heute hat die Jüdische Kultusgemeinde über 3000 Gemeindemitglieder. Um jüdischen Mitbürger:innen und ihren Kindern den Unterricht an einer jüdischen Konfessionsschule zu ermöglichen, befassen sich Kultusgemeinde und die Verwaltung seit 2019 aktiv mit der Wiedereröffnung.
Unterricht nach NRW-Lehrplänen – plus Hebräisch und Religion
Viele jüdische Familien melden ihre Kinder schon seit Jahren an der Berswordt-Europa-Grundschule an, organisatorisch ändert sich für sie also nichts. Unterrichtet wird dort weiter, was die Lehrpläne des Landes NRW vorgeben.
Was den jüdischen Mitbürger:innen wichtig ist, geht über die Lehrpläne hinaus: Es geht um Sitten und Bräuche, um intensives jüdisches Erleben und Lernen in einer Atmosphäre, in der individuelle, familiäre und religiöse Unterschiede respektiert werden.
Hebräischunterricht und jüdischer Religionsunterricht sollen einen wichtigen und integralen Bestandteil des Schulprogramms bilden. Es soll ein tägliches Gebet geben, Schabbatfeiern und Zeremonien zu den Festtagen werden ebenso zum Schulalltag gehören wie koschere Mahlzeiten.
Interessierte Eltern können sich schon jetzt an die Berswordt-Europa-Grundschule wenden, der Teilstandort mit konfessioneller Ausrichtung jüdischen Glaubens steht auch anderen Konfessionen offen.
So soll sich der Schul-Komplex Robert-Koch-Straße insgesamt verändern
Der neue Schulzug ist nur einer von mehreren Veränderungen am Schul-Komplex Robert-Koch-Straße. Ein Jahr ist es her, dass der Neubau der Berswordt-Europa-Grundschule eingeweiht wurde. Vier Klassen pro Jahrgang lernen nun in den neuen Räumlichkeiten in der Davidisstraße 24 und freuen sich über moderne Räume und ein Lernen in Wohlfühl-Atmosphäre.
Auch für die ebenfalls am Standort ansässige Franziskus-Grundschule sollen nun die Lehr- und Lernbedingungen optimiert werden. Unter anderem entsteht mehr Raum für den Sport.
Sämtliche bauliche Maßnahmen sind nun in ein Konzept eingeflossen, das im Dezember vom Rat der Stadt Dortmund abgesegnet und dann Schritt für Schritt umgesetzt werden soll.
Die Schrittfolge für die Umsetzung ist getaktet
Los gehen soll es mit der ehemaligen Hauptschule am Ostpark: Damit der jüdische Teilstandort dort einziehen kann, muss die Sanierung des Altbaus geplant und umgesetzt werden. Parallel wird im daneben befindlichen Anbau ein Interim für die Franziskus-Grundschule hergerichtet.
Danach ist das Backsteingebäude in der Robert-Koch-Straße 50 an der Reihe. Dieses städtebaulich besonders wertvolle Gebäude wird vollständig saniert und modernisiert. So verfügt mittelfristig auch die Franziskus-Grundschule über ein rundum saniertes Gebäude, das den Anforderungen des heutigen Schulalltags gerecht wird.
Schließlich können der Anbau der ehemaligen Hauptschule am Ostpark und das gegenüberliegende Gebäude, das zurzeit für die Ganztagsbetreuung der Franziskus-Grundschule genutzt wird, abgerissen und auf der freiwerdenden Fläche die dringend benötigte Sporthalle gebaut werden.
Auch die Gestaltung der Schulhofflächen und die Stellplatzbedarfe werden im Zuge der Maßnahmen mitberücksichtigt.
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Reader Comments
Till Strucksberg
Undemokratisch
Selbstverständlich muss jede Religionsgemeinschaft staatlicherseits gleich behandelt werden. Insofern steht auch den jüdischen Eltern in Dortmund das Recht zu, nach dem Kindergarten ihre Kinder auch weiter in einer Grundschule mit ihrer Ideologie zu indoktrinieren – so wie es katholische und protestantische Eltern auch dürfen. Bevor wir aber jetzt weitere Konfessions-Grundschulen – muslimische, alevitische, schiitische, sunnitische usw. – durch den Staat, also unsere Steuergelder finanzieren, sollten wir kurz grundsätzlich einhalten: Sie alle sind nur eine Minderheit. Die Mehrheit, die „Ungläubigen, müssen diesen Obskurantismus mit finanzieren. Das ist in einer Gesellschaft mit angeblicher Trennung von Religion und Staat undemokratisch.
Toleranz lernen – schon in der Grundschule möglich (PM)
Noch bis zum 15 November, können Eltern ihre Kinder für die neue Berswordt-Europa-Grundschule mit jüdischer Ausrichtung anmelden.
Als neuer Teilstandort, wird die Schule ab dem Schuljahr 2025/2026 Kindern jüdischen und nicht jüdischen Glaubens zur Verfügung stehen. „Das ist gerade das Besondere. In der Grundschule können Jüdinnen und Juden zusammen mit Kindern anderer Religionen oder auch ohne Bekenntnis lernen“, sagt Leonid Chraga, Geschäftsführer der jüdischen Kultusgemeinde Dortmund.
Es gibt eine koschere Mensa, mit täglich frisch zubereiteten Mahlzeiten. An den höchsten jüdischen Feiertagen, wie Pessach, Yom Kippur oder Rosch ha-Schana gilt eine Unterrichtsbefreiung, dazu gibt es regelmäßige Besuche der Synagoge. Alle Kinder haben die Möglichkeit, neben Deutsch- und Englischunterricht, auch Hebräisch zu lernen.
„Es geht uns in dieser Schule natürlich auch um die Erziehung zu Toleranz, Respekt und friedlichem Zusammenlaben in einem multikulturellen Europa, heutzutage sind diese Werte wichtiger denn je“, so Chraga. Neben der Nutzung moderner Technologien, soll es einen Klassenrat und ein Schülerparlament geben.
Und warum schreibt die Caritas Dortmund eine Pressemitteilung, um auf den Teilstandort mit jüdischer Ausrichtung aufmerksam zu machen? Dazu Ansgar Funcke, Vorstandsvorsitzender des Caritasverbands Dortmund: „Wir möchten dieses Vorhaben und die Gedanken, die dahinterstehen, unbedingt unterstützen und sind der Meinung, dass es sehr wichtig ist, Kindern Toleranz anderen Religionen und Menschen gegenüber beizubringen“.
Anmeldungen für die neue Schule, sind sowohl über die Stadt Dortmund, als auch über die jüdische Kultusgemeinde möglich.