Millionen-Investitionen in Rückhaltebecken und Deiche – wie der Emscherumbau Dortmund vor Hochwasser schützt

Rückhaltebecken wie dieses schützten die Gebiete an der Emscher vor einer Hochwasserwelle. Fotos: Karsten Wickern

Bei dem vergangenen Unwetter ist Dortmund vergleichsweise glimpflich davon gekommen. Die Dortmunder Gewässer sind weitergehend nicht über ihre Ufer getreten. Das liegt auch an den vielen Hochwasserschutzmaßnahmen, die von der Emschergenossenschaft in in den vergangenen Jahren getroffen wurden. Doch dabei steht sie immer wieder auch vor Problemen. Ein Tour durch Dortmund gibt einen Einblick in den Hochwasserschutz der Emscher.

Flächenknappheit stellt die Emschergenossenschaft vor Herausforderung

Prof. Dr. Burkhard Teichgräber erklärt, wie der Phönixsee 100.000 Kubikmeter Wasser abfing.

Der Dauerregen zusammen mit Starkregen hat das Emschersystem in der vergangenen Woche auf ordentlich die Probe gestellt. Etwa 35 Mio Kubikmeter hat es im Gebiet der Emschergenossenschaft in kurzer Zeit geregnet. „Wenn da noch zwei (Regen-) Tage gekommen wären dann hätten wir ein echtes Problem gehabt“, sagt Dr. Emanuel Grün, Technischer Vorstand der Emschergenossenschaft. ___STEADY_PAYWALL___

Aber auch so waren die Wassermassen schon enorm. Deshalb wurde erstmals die Hochwasserschutzfunktion des Phoenixsees angewendet. Über 100.000 Kubikmeter Wasser der Emscher wurden in den See geleitet. Seit dem wird die Wasserqualität kontinuierlich kontrolliert. „Da sehen die bisherigen Ergebnisse sehr gut aus“, berichtet Prof. Dr. Burkhard Teichgräber von der Emschergenossenschaft. Er ist erstaunt, dass so wenige Schmutzstoffe in den See eingetragen wurden.

An einer anderen Stelle der Emscher wird das große Problem deutlich, vor denen die Expert*innen der Emschergenossenschaft bei der Renaturierung stehen – Flächenknappheit. In Dortmund Deusen ist der Platz für die Emscher gering. Die Genossenschaft hat hier ein Versuchsstrecke gebaut und getestet, wie eine grüne Emscher auf engem Raum realisierbar ist. Denn das Problem der Flächenknappheit besteht nicht nur hier: „Nur wenn man Fläche hat, kann man Hochwasser auch zurückhalten“, erklärt der Vorstandsvorsitzende der Emschergenossenschaft, Prof. Dr. Uli Paetzel.

Ein Wehr mit einem Wasserrückhaltebecken für 60 Millionen Euro kappt Hochwasserwellen bei Mengede

Das Wehr in Mengede gibt eine konstante Maximalwassermenge ab – effektiver Schutz.

Mittlerweile kaufe die Emschergenossenschaft Grundstücke, um die auf dem Markt gegen kompatible Grundstücke zu tauschen. Verschärft wurde die Situation nochmal mit der vergangenen Änderung des Landeswassergesetzes: „Im alten Gesetz gab es noch das Vorkaufsrecht. Das ist jetzt von der schwarz-gelben Regierung abgeschafft worden“, ärgert sich Paetzel.

Ein paar Kilometer Abwärts befindet sich das Hochwasserrückhaltebecken Emscher-Auen bei Mengede. Hier wurden vergangene Woche eine Million Kubikmeter Wasser eingestaut. Viel mehr als im Phönixsee. Das liegt daran, dass dieses Becken fast leer bereitsteht, während beim Phoenixsee lediglich der letzte Meter zur Uferkante als Hochwasserschutz zur Verfügung steht.

Das Rückhaltebecken Emscher-Auen hat eine Steuerung. „Es hat eine feste Wehr Anlage. Damit wird die Hochwasserwelle gekappt“, erklärt Dr. Emanuel Grün, Technischer Vorstand der Genossenschaft. Das Wehr lässt nur eine festgelegte Menge Wasser durch. Das ganze zusätzliche Wasser staut sich vor dem Wehr auf und fließt dann über den Deich in das Rückhaltebecken. So werden die jeweils Emscher abwärts liegenden Orte von den jeweiligen Becken geschützt. 60 Millionen Euro hat alleine das Rückhaltebecken in Mengende gekostet. „Ich glaube es war eine gute Investition. Man sieht jetzt, die Wirksamkeit hat sich bewährt“, resümiert Grün.

Trotz aller Vorkehrungen werden sich nicht alle Hochwasser und damit Schäden grundsätzlich verhindern lassen

Prof. Dr. Uli Paetzel (l) und Dr. Emanuel Grün erklären das Hochwasserrückhaltebecken Emscher-Auen.

Die Emscher-Expert*innen sind sich einig, dass durch den Klimawandel Wetterextreme häufiger werden. Kontinuierlich sind sie damit beschäftigt, das Emscher-System zu verbessern. Schon jetzt habe man bei dichter Bebauung einen Schutz der auf zweihundertjährige Hochwasser ausgelegt sei. Auch die Stromversorgung der Pumpwerke ist besonders aufgebaut. So bekommen sie Strom aus unterschiedlichen Quellen.

Das schützt auch, falls mal ein Bagger eine Stromleitung beschädigt. Auch auf den Fall, dass die Kommunikationsnetze zusammenbrechen ist man vorbereitet: „Wir haben ein völlig unabhängiges Kommunikationssystem“, beruhigt Teichgräber. Im Notfall könnte das eingesetzt werden, um Wasserstände durch zu geben, selbst wenn Pegel weggespült wurden. Mit dem Emscherumbau tut sich viel in der Region in Sachen Hochwasserschutz.

Doch auch alle Hausbesitzer*in sollen im gewissen Maß Eigenvorsorge betreiben. „Die zum Beispiel anfängt bei der Rückstauklappe“, erklärt Grün. Viele Haushalte hätten diese nicht eingebaut oder sie würde durch fehlende Instandhaltung klemmen. Zur Hochwasservorsorge hat die Emschergenossenschaft eine eigene App veröffentlicht: Die „EGLV FloodCheck“ App zeigt die Überflutungsgefahr am eigenen Wohnort an. In einigen Städten zeigt die App auch Hinweise der Städte an. Eine Möglichkeit, die die Stadt Dortmund aber bislang nicht nutzt.

Auch wenn die Emschergenossenschaft und die Stadt Dortmund zahlreiche Maßnahmen ergreifen, um Hochwasserschäden zu verhindern, sind sie nicht ausgeschlossen. „Wenn das Extreme sind, wird sich das nicht grundsätzlich verhindern lassen“, erklärt Paetzel. Die Emschergenossenschaft arbeitet aber daran, das die Schäden so gering wie möglich bleiben. Paetzel ist froh, dass er dass mit der Emschergenossenschaft überkommunal tun kann. Solche Verbände sein wichtig für die Planung.

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  1. Hochwasserschutz wird weiter verbessert: Emschergenossenschaft und Lippeverband stellen weiteres Vorgehen vor (PM)

    Nach dem Hochwasser ist vor dem Hochwasser! Die Starkregen-Ereignisse und die daraus resultierende Hochwasserlage im Juli hat auch an Emscher und Lippe zu teils erheblichen Auswirkungen geführt. Nach einer umfangreichen Analyse der Überflutungssituation in den Verbandsgebieten beschließen Emschergenossenschaft und Lippeverband mit ihren Räten nun konsequente Maßnahmen.

    „Der hohe Ausbaugrad des Hochwasserschutzes an der Emscher hat uns beim Extrem-Hochwasser im Juli geholfen, die Situation zu bewältigen. Erste Ergebnisse unserer Auswertungen zeigen aber, dass es – bei gleichen Regenmengen wie zum Beispiel in Hagen – auch bei uns zu erheblichen Schäden gekommen wäre. Deiche der Emscher und von Nebenläufen wären überströmt worden. Für eine klimafeste Zukunft in unserer Region müssen wir etwas tun“, fasst Dr. Frank Dudda als Vorsitzender des Emschergenossenschaftsrates und Oberbürgermeister der Stadt Herne die Lage zusammen. Die daraus resultierenden Überflutungen hätten einige Tausend Menschen betroffen und erhebliche Schäden nach sich gezogen. „Die Menschen in unserer Region machen sich Sorgen, das nehmen wir ernst und werden handeln, um ihnen diese Sorgen möglichst nehmen zu können“, führt Bodo Klimpel, Vorsitzender des Lippeverbandsrates und Landrat des Kreis Recklinghausen, weiter aus.

    Vieles sei daher nach den Ereignissen bereits in die Wege geleitet worden. „Wir haben uns nach dem Hochwasser intensiv mit der Daten- und Faktenlage beschäftigt, standen unseren Mitgliedern mit unserer Expertise zur Seite und haben umfangreiche Information zum Starkregen- und Hochwasserschutz zur Verfügung gestellt. Noch im Herbst finden Hochwassertagungen statt, um die Kommunikation mit Vertreterinnen und Vertretern aus Kommunen, Landkreisen, Krisenstäben und Feuerwehren zu vertiefen“, fasst Prof. Dr. Uli Paetzel, Vorstandsvorsitzender von Emschergenossenschaft und Lippeverband, zusammen. Am 10. November findet in Essen eine Hochwassertagung für die Mitglieder der Emschergenossenschaft statt, am 18. November in Recklinghausen eine Tagung für die Mitgliedskommunen des Lippeverbandes.

    Hochwasserschutz auf besondere Herausforderungen des Klimawandels ausrichten

    Auch technisch und baulich wollen die sondergesetzlichen Wasserwirtschaftsverbände den Hochwasserschutz weiter ausbauen und somit den neuen Herausforderungen des Klimawandels Rechnung tragen. „Gesetzlich sind wir dazu verpflichtet, an den Hauptläufen unserer Gewässer ein 100-jährliches, an den Nebenläufen ein 25- bis 50-jährliches Hochwasser abwehren zu können. Vor dem Hintergrund des Klimawandels ist jedoch davon auszugehen, dass solche Katastrophen häufiger auftreten werden und zu weit stärkeren Schäden führen“, so Dr. Emanuel Grün, Technischer Vorstand von Emschergenossenschaft und Lippeverband.

    „Eine unserer Schlussfolgerungen muss sein, dass wir die Hochwasservorhersage weiterentwickeln“, so Emanuel Grün. Bedingt durch den Klimawandel entstehen mittlerweile kleinere, schwer zu prognostizierende Starkregenzellen. Gerade diese Zellen wirken sich beim Niederschlag auf kleine Gewässer aus und machen aus plätschernden Bächen reißende Ströme. Gerade dieser Aspekt ist für die beiden Wasserwirtschaftsverbände herausfordernd, denn die Verbände sind auf Niederschlagsprognosen des Deutschen Wetterdienstes angewiesen, auf deren Grundlage sie die Hochrechnungen für Pegelstände vornehmen. Dabei habe sich gezeigt, dass die Intervalle der Hochwasserprognose deutlich verkürzt werden müssen. Eine weitere Konsequenz ist daher, dass das Pegelnetz auch an kleineren Gewässern an einigen wenigen Stellen verdichtet werden muss.

    Ausbau der Hochwasserschutzanlagen ist alternativlos

    Die Pegelstände insbesondere an der Emscher, aber auch an Nebenläufen im Lippe-Gebiet haben gezeigt, dass ein Ausbau der technischen Schutzanlagen stellenweise alternativlos ist. „Wir müssen Deichabschnitte überströmungssicher ausbauen und den Ausbaugrad der Deiche an einigen Stellen erhöhen – zum Beispiel auf ein Hochwasser, das statistisch gesehen alle 500 Jahre vorkommen kann“, so Grün. Im Emscher-Lippe-Gebiet haben im Juli die 55 Hochwasserrückhaltebecken der Emschergenossenschaft und des Lippeverbandes, die ein Rückhaltevolumen von insgesamt 5 Millionen m³ haben, Schlimmeres verhindert.

    Das zeigt: Retentionsräume erfüllen eine unverzichtbare Funktion zum Schutz der Bevölkerung. Mittelfristig werden weitere Flächen an Gewässern benötigt, das betonten die Verantwortlichen der Wasserwirtschaftsverbände sehr deutlich. „Unseren Erkenntnissen müssen Konsequenzen folgen“, so Paetzel. Dazu zähle auch die Klimafolgenanpassung der Kommunen: „Die Lage macht es erforderlich, dass unter anderem Gründächer, Entsiegelungen und Entflechtungen – ganz nach den Prinzipien der Schwammstadt – in den Flächennutzungs- und Bebauungsplänen der Kommunen festgeschrieben werden.“

    Allen Beteiligten kommunaler und wasserwirtschaftlicher Seite ist klar: Man braucht eine gesamtgesellschaftliche Vereinbarung für einen langfristigen an den Klimawandel angepassten Hochwasserschutz – denn die nächsten Starkregenereignisse werden kommen!

    HINTERGRUND: Emschergenossenschaft und Lippeverband

    Emschergenossenschaft und Lippeverband sind öffentlich-rechtliche Wasserwirtschaftsunternehmen, die als Leitidee des eigenen Handelns das Genossenschaftsprinzip leben. Die Aufgaben der 1899 gegründeten Emschergenossenschaft sind unter anderem die Unterhaltung der Emscher, die Abwasserentsorgung und -reinigung sowie der Hochwasserschutz. Der 1926 gegründete Lippeverband bewirtschaftet das Flusseinzugsgebiet der Lippe im nördlichen Ruhrgebiet und baute unter anderem den Lippe-Zufluss Seseke naturnah um.

    Gemeinsam haben Emschergenossenschaft und Lippeverband rund 1.700 Beschäftigte und sind Deutschlands größter Abwasserentsorger und Betreiber von Kläranlagen (rund 740 Kilometer Wasserläufe, rund 1320 Kilometer Abwasserkanäle, rund 350 Pumpwerke und fast 60 Kläranlagen). http://www.eglv.de

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