„Es geht uns um die Gleichberechtigung aller Frauen. Es geht uns um gerechten Lohn. Und wir sprechen uns gegen jede Form der Unterdrückung aus. Wir wollen keine Unterdrückung durch Ehemänner, durch Väter, aber auch nicht durch den Staat. Wir wollen einfach nur unser Recht.“ So fasst Vorsitzende Gülizar Genç die Ziele des Migrantinnenvereins Dortmund zusammen.
Bei den Treffen im Dietrich-Keuning-Haus geht es nicht nur um ein nettes Frühstück
Frauen unterschiedlicher Herkunft und Bildung unterstützen sie seit 2005 bei dieser Arbeit. 2012 haben sie sich zum Migrantinnenverein zusammengeschlossen: Tamilinnen sind ebenso dabei wie Frauen aus dem arabischen Raum und Kurdinnen, Sunnitinnen oder Alevitinnen. Alle kämpfen Seite an Seite für „ihre“ Sache.
Einmal im Monat treffen sie sich zum Frühstück und tauschen sich aus. Zudem gibt es Fachvorträge. Denn der Verein, der dem Bundesverband der Migrantinnen angeschlossen ist, hat das Ziel, dass alle Frauen – egal woher sie stammen – auf eigenen Beinen stehen.
„Das ist eine langwierige Angelegenheit“, sagt Vereinsmitglied Fatime Sahin. „Viele türkische Frauen müssen erst lernen, dass sie eigene Rechte haben und dass es ein selbstbestimmtes Leben außerhalb der Familie gibt.“
Oft schreitet der Migrantinnenverein aktiv ein. Bei einer drohenden Zwangsheirat. Bei der Kontaktaufnahme zum Frauenhaus. Bei einer fehlenden Aufenthaltsgenehmigung. Bei Nicht-Anerkennung von Diplomen. Oder einfach nur bei der Vermittlung von Deutschkursen oder mit einer Übersetzungshilfe beim Behördengang. Alles ehrenamtlich.
Gleichberechtigte Teilhabe aller Frauen am gesellschaftlichen Leben als oberstes Ziel
Die Frauen wollen ihren Geschlechtsgenossinnen helfen, selbstständig zu werden. Doch das funktioniere nicht ohne Bildung und einen fair bezahlten Arbeitsplatz, sagt die Vorsitzende.
„Es ist ein Kreislauf. Viele Frauen sprechen nicht gut deutsch. Also bekommen sie nur schlecht bezahlte Putzstellen. Sie zahlen möglicherweise keine Sozialabgaben und erhalten deshalb später keine eigene Rente. Wenn sie aber kaum eigenes Geld verdienen, sind sie von ihren Männern abhängig. Das ist bei Türkinnen nicht anders als bei deutschen Frauen.“
Gülizar Genç: „Wie soll eine Frau ihren gewalttätigen Mann verlassen, wenn sie finanziell von ihm abgängig ist? Oder wenn ihre Aufenthaltsgenehmigung an ihn gekoppelt ist?“
Bei den Kindern setze sich die Thematik fort, sagt die Vorsitzende. Ohne ausreichende Deutschkenntnisse hätten die Kinder Probleme in der Schule. Doch ohne eine gute Schulbildung sei die Situation auf dem Arbeitsmarkt schwierig.
„Aus diesem Grund sind wir gegen das Betreuungsgeld“, sagt die Vorsitzende. „Die Frauen sollen nicht dafür bezahlt werden, dass sie zu Hause bleiben.“ Und der Besuch des Kindergartens schon in ganz jungen Jahren würde eine gute Entwicklung der Kinder unterstützen.
Schnell wird klar: Bei den Treffen im Dietrich-Keuning-Haus geht es nicht nur um ein nettes Frühstück. Auch in Flugblättern wird die gleichberechtigte Teilhabe aller Frauen am gesellschaftlichen Leben thematisiert. Das Frühstück sei aber wichtig, stellt Gülizar Genç klar. Unter dem Motto“ Voneinander lernen – miteinander leben“ bekämen die Frauen hier regelmäßig die Gelegenheit, sich auszutauschen.
HINWEIS:
– Der Artikel von Claudia Behlau ist ein Beitrag aus dem Buch “Wir: Echt Nordstadt”.
– Das Buch mit 106 Gruppenportraits ist kostenlos beim Quartiersmanagement Nordstadt, Mallinckrodtstraße 56, 44147 Dortmund, erhältlich. (Mail: info@nordstadt-qm.de)
– Eine große Ausstellung mit Bildern und Texten zu “Wir: Echt Nordstadt” ist bis Ende September 2015 am Big Tipi im Fredenbaumpark zu sehen.
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