Die SPD will mit Wiederausweitung der Meisterpflicht dem Qualitätsverlust im Handwerk entgegenwirken

Das Handwerk wirbt schon seit Jahren für eine Rückkehr zur Meisterpflicht. Foto: HWK Dortmund

Von Robert Bielefeld

„Ausbildungsplätze schaffen und Verbraucher schützen“, so argumentiert die SPD-Bundestagsabgeordnete Sabine Poschmann für die Wiederausweitung der Meisterpflicht auf bislang davon ausgenommene Gewerbe seit der Lockerung aus dem Jahr 2004. Sie sprach jüngst vor Vertretern des „Fachverbands Fliesen und Naturstein“ über eine baldige Einführung der Pflicht und die Konsequenzen, die diese mit sich bringt. Die Dortmunder SPD-Abgeordnete rechnet mit einem Beschluss im Bundestag Anfang nächsten Jahres. Wie wird das Thema in Dortmund diskutiert? Nordstadtblogger habt sich umgehört.

„Wir brauchen wieder mehr Meisterbriefe“, Meisterpflicht soll Verbraucher schützen und Ausbildungsplätze schaffen

Jürgen Bullmann, Dietmar Schäfers, Sabine Poschmann, Karl-Hans Körner und Rudolf Vors trafen sich, um über die Ausweitung der Meisterpflicht zu diskutieren.

Seit 2004 besteht die Meisterpflicht nur noch für Gewerbe, bei deren Ausführung das Leben oder die Gesundheit Dritter gefährdet sind. Eine Lockerung der Pflicht brachte eine Welle neuer Unternehmen mit sich und erweiterte somit das Angebot auf dem Markt enorm.

Die Preise fielen, doch in den Augen vieler fiel so auch die Qualität der handwerklichen Leistung in diesen Gewerben. Die SPD-Abgeordnete schließt sich dem an und bemüht sich aktuell, eine Wiedereinführung der Meisterpflicht für ausgewählte Gewerbe im Bundestag durchzusetzen.

„Die Ausbildungsquote im deutschen Handwerk ist doppelt so hoch wie in der Wirtschaft insgesamt. Dazu tragen insbesondere die meisterpflichtigen Gewerke bei, in denen 95 Prozent der Ausbildungen stattfinden“, so Poschmann. Die Abgeordnete sieht hohe Qualität in der Ausbildung als Eckpfeiler für die Wettbewerbsfähigkeit mittelständischer deutscher Unternehmen und möchte diese auch weiterhin stärken.

Mit der Lockerung der Pflicht in der Novelle von 2004 sanken die Zahlen der Auszubildenden nachweislich rapide. „Im Handwerk gibt es einen Nachwuchs- und Fachkräftemangel“, so Poschmann, trotzdem gibt es mehr Handwerker denn je. Die Parteien sehen hierbei einen Qualitätsverlust und die SPD möchte etwas dagegen tun.

Nur ein Scheinerfolg – Handwerkerkreis Dortmund sieht die Novelle 2004 als Rückschritt für die Branche

Bei der Meisterfeier ist die Stimmung gut. Hier wünscht man sich schon seit langem die Meisterpflicht wieder in den Gewerben einzuführen. Foto: Andreas Buck

Ursprünglich lüftete man den Meisterzwang, um der Arbeitnehmerfreizügigkeit nach EU-Vorschriften gerecht zu werden, sowie der damals hohen Arbeitslosigkeit in der Bundesrepublik entgegenzuwirken. Tatsächlich erzielte die Novellierung wenigstens augenscheinlich ihr Ziel.

Ein förmliches Gründerfieber erfasste Deutschland und das Handwerk wuchs erstmalig wieder nach vier Jahren auf ein Rekordhoch. Nach der Handwerkszählung von 2015 bestehen 579.264 Handwerksbetriebe mit über fünf Millionen beschäftigten Personen.

KritikerInnen befürchten, dass eine erneute Verschärfung der Meisterpflicht zu einem Einbruch in der Branche führen könne. Die negativen Konsequenzen trügen in diesem Fall nicht nur die Betriebe, auch VerbraucherInnen könnten negativ betroffen seien.

Weniger Betriebe bedeuten weniger Arbeitsplätze und weniger Konkurrenz auf dem Markt. Was unweigerlich die Preise für Dienstleistungen in die Höhe treiben wird.

Frohes Wiedersehen – Handwerkerschaft begrüßt die Rückkehr zur Meisterpflicht überwiegend positiv

Doch auch wenn Ungewissheit droht, so ist die Rückmeldung vom Handwerk überwiegend positiv. Bereits 2004 befürchteten viele HandwerkerInnen und Institutionen, dass ein Qualitätsverlust für die Branche unvermeidlich und verheerend sei. Das sieht auch Martina Gralki-Brosch von der Kreishandwerkerschaft Dortmund so. „Die Anzahl der Betriebe in unserem Gewerk ist gestiegen, aber die Gesamtumsätze und die Anzahl der Beschäftigten sind gleich geblieben.“

Für sie hat die Novelle ihr Ziel verfehlt. Viel schlimmer noch, die Bedingungen im Handwerk hätten sich im Zeitraum 2004 bis heute sichtlich verschlechtert. „Honorare am Existenzminimum, kaum Urlaub, ständig drohende Insolvenz“, das seien die Errungenschaften der Lockerung von 2004.

Nach Erhebungen des Volkswirtschaftlichen Instituts für Mittelstand und Handwerk an der Universität Göttingen sind 60 Prozent der neu gegründeten Unternehmen in die Insolvenz gegangen und bestätigen die Beobachtungen des Handwerkerkreises.

Qualitätssiegel wieder einführen – Meisterpflicht soll die Ausbildung wieder rentabel machen

Auch Berthold Schroeder von der Handwerkskammer Dortmund begrüßt eine Wiedereinführung. Foto: Andreas Buck

Extreme Dumpingpreise und der ständige Konkurrenzkampf in der Branche führten zu den Bedingungen, unter denen die HandwerkerInnen heute leiden. Besonders bitter sei es hier für solche HandwerksmeisterInnen, die ihre Leistungen meist unter einem angemessenen Preis anbieten müssten, um konkurrenztauglich zu bleiben, so Gralki-Brosch.

Solche Umstände gaben auch der Handwerkskammer Dortmund zu bedenken. „Der Meistertitel steht für höchste Qualität und Kompetenz und wird von den Handwerksorganisationen als wertvolles und notwendiges Gütesiegel gesehen, auf das sich Kunden verlassen können“, bekräftigt Berthold Schröder, Präsident der Handwerkskammer. Die Bedingungen in den meisterpflichtfreien Gewerben machen die langen Ausbildungszeiten weniger rentabel, was für ihn letztlich den Fachkräftemangel vorprogrammierte.

Schröder unterstützt den Beschluss der Bundesregierung und wünscht sich eine baldige Rückkehr zur Meisterpflicht für die Gewerbe. Welche Felder genau betroffen seien werden, ist momentan noch unklar und soll im weiteren Verlauf des Jahres bekannt gegeben werden. Sicher ist hingegen, dass eine Übergangsphase für die bereits bestehenden Betriebe gewährleistet wird.

Das hat sich auch Schröder gewünscht: „Wichtig ist hierbei, dass es im Falle einer Wiedereinführung einen Bestandsschutz für diejenigen gibt, die sich zuvor ohne Meisterbrief selbstständig gemacht haben.“ Über das nächste Jahr hinweg wird sich dann herausstellen, wie sich die Wiedereinführung der Meisterpflicht auf Dortmunder Unternehmen auswirken wird. Die Stimmung der HandwerkerInnen jedoch ist überwiegend positiv.

Mehr zum Thema auf nordstadtblogger.de:

Konjunkturbericht der Handwerkskammer: Gute Prognosen in Wachstum und Umsatz, aber fortwährender Fachkräftemangel

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  1. Sabine Poschmann (SPD-Mdb – Pressemitteilung)

    Poschmann sieht Bedarf für Rückkehr zum Meisterbrief: „Handwerksordnung kommt auf den Prüfstand“

    Rückkehr zum Meisterbrief im Handwerk? „Ja, wir prüfen, ob es für bestimmte Gewerke sinnvoll ist, die Meisterpflicht wieder zur Voraussetzung für die Selbstständigkeit zu machen“, sagt Sabine Poschmann, Dortmunder Bundestagsabgeordnete und Beauftragte der SPD-Bundestagsfraktion für Mittelstand und Handwerk.

    Poschmann gehört der auf Bundesebene gegründeten Arbeitsgruppe „Meisterbrief“ an, die eine EU-konforme Änderung der Handwerksordnung anstrebt.

    Eine Wiedereinführung der Meisterpflicht sei vor allem für eine Stadt wie Dortmund mit 32.000 Beschäftigten im Handwerk bedeutsam, sagt Poschmann. Unter den insgesamt knapp 4.300 Betrieben gäbe es mittlerweile 1.100 Betriebe in zulassungsfreien Gewerken.

    Dies sei auch eine Folge der Handwerksnovelle von 2004, als die Zahl der Berufe mit Meisterpflicht um 53 von 94 auf 41 reduziert worden sei. Seitdem habe sich in diesen Gewerken die Zahl der Betriebe deutlich erhöht, während die Zahl der Auszubildenden spürbar gesunken sei. „Diese Entwicklung müssen wir stoppen“, fordert Poschmann mit Blick auf den sich abzeichnenden Nachwuchs- und Fachkräftemangel. „Eine gute und fundierte Ausbildung in einem qualifizierten Betrieb ist der beste Weg zur Fachkräftesicherung und sichert darüber hinaus Kunden und Verbrauchern eine hohe Qualität der Arbeit“, sagt die Dortmunderin. Viele der seit 2004 gegründeten Betriebe seien Ein-Mann-Betriebe ohne Angestellte, die nach einer gewissen Zeit wieder vom Markt verschwänden.

    Klaus Feuler, Vizepräsident der Handwerkskammer Dortmund und des Deutschen Handwerkskammertages (DHKT), begrüßt die Arbeitsgruppe „Meisterbrief“: „Gut, dass die Koalition in Berlin den Meisterbrief wieder mehr in den Fokus nimmt. Denn ohne Meister geht es nicht!“

  2. Sabine Poschmann (SPD-MdB – Pressemitteilung)

    Ausweitung Meisterbrief soll 2020 kommen – Poschmann: „Verbraucherschutz und qualitätsvolle Ausbildung sind gute Gründe für Reform“

    „Die Rückkehr zum Meisterbrief in einigen Handwerksberufen rückt in greifbare Nähe“, meldet die Dortmunder SPD-Bundestagsabgeordnete Sabine Poschmann. Um das Inkrafttreten Anfang Januar 2020 zu ermöglichen, soll dem Bundestag im kommenden Herbst ein entsprechender Gesetzentwurf zur Beratung vorliegen. Dies sieht ein gestern beschlossenes Eckpunktepapier der neunköpfigen „Arbeitsgruppe Meisterbrief“ vor, der Poschmann als Beauftragte der SPD-Bundestagsfraktion für Mittelstand und Handwerk angehört.

    „Wichtig ist uns, dass die betroffenen Gewerke und die Sozialpartner vom Bundeswirtschaftsministerium eingebunden werden und die Möglichkeit für eine Stellungnahme erhalten“, sagt die Dortmunderin. „Eine Ausweitung der Meisterpflicht muss rechtssicher und gut begründet sein. Daher müssen nun alle Daten und Fakten auf den Tisch“, betont Poschmann. Gründe für die Rückkehr des Meisterbriefes könnten beispielsweise der Verbraucherschutz und die Sicherstellung einer qualifizierten Aus- und Fortbildung sein. Aber auch Ziele wie der Erhalt kleinbetrieblicher Strukturen oder Kulturgüterschutz würden geprüft.

    Mit der im Koalitionsvertrag vereinbarten Reform soll die Meisterpflicht im Handwerk gestärkt werden. Sie war 2004 in 53 von 94 Berufen abgeschafft worden – was in einigen Branchen unter anderem zur Verringerung der Qualität und zu einem Rückgang der Ausbildungszahlen geführt hat. Allein in Dortmund mit 33.000 Beschäftigten im Handwerk arbeite inzwischen jeder vierte Betrieb in einem zulassungsfreien Gewerk – 1060 von insgesamt 4215 Betrieben, so Poschmann. Deswegen solle es auch einen Bestandsschutz für bestehende Betriebe ohne Meisterbrief geben.

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