Der Internationale Tag der Pflege am 12. Mai soll die Bedeutung der professionellen Pflege würdigen. Er ist den 28 Millionen Menschen gewidmet, die in Pflegeberufen arbeiten und seit einiger Zeit enormen zusätzlichen Belastungen ausgesetzt sind. In verschiedenen Pflegeeinrichtungen in Dortmund gab es deshalb besondere Angebote, Danksagen und Aktionen. Viele von ihnen waren mit der Werbung für den Pflegeberuf verknüpft oder aber mit politischen Appellen. Einer richtet sich gegen die „Auswüchse bei der Leiharbeit“.
„Ich wünsche mir Pflege, so wie ich selbst auch gepflegt werden möchte“
Eine Dankeschön-Tour durch ihre Tagespflegen und stationäre Einrichtungen gab es bei der AWO in Dortmund: Ulrike Matzanke, stellvertretende Vorsitzende der Dortmunder AWO, und Geschäftsführerin Mirja Düwel nahmen diesen Tag zum Anlass, um den Menschen, die bei der AWO Dortmund in der Pflege beschäftigt sind, persönlich ihre Wertschätzung zu zeigen.
Vor allem aber nutzten sie die Gelegenheit, um sich mit den Mitarbeitenden in der Pflege zur aktuellen Situation auszutauschen: „Ich wünsche mir Pflege, so wie ich selbst auch gepflegt werden möchte. Pflege von Herz zu Herz und das passiert bei der AWO jeden Tag. Herzlichen Dank allen Pfleger*innen für die Pflege mit Herz!“ sagte Ulrike Matzanke.
„Es ist stellt sich die Frage, was uns die gute Versorgung der Menschen wert ist, die mit ihrem Einsatz Deutschland zu einem wohlhabenden Land gemacht haben“, betonte AWO-Geschäftsführerin Mirja Düwel. „Derzeit erleben wir in vielen Bereichen erst den Anfang einer dramatischen Entwicklung, wenn wir nicht sofort zielgerichtet und lösungsorientiert gegensteuern.“
„Wir brauchen mehr Mitarbeitende in der Pflege, sowie neben einer guten Bezahlung auch bessere Arbeitsbedingungen für Pflegekräfte, damit die Versorgung gesichert bleibt. Ebenso eine Flexibilisierung der Personalausstattung sowie einrichtungsindividuelle, bedarfsgerechte Qualifikationsmixe“, benannt Mirko Pelzer, Leiter des Fachbereichs Senior*innen bei der Dortmunder AWO, konkrete Forderungen.
Klare Botschaft: Auswüchse bei der Leiharbeit begrenzen
„Wir brauchen eine Begrenzung des Einsatzes von Personaldienstleistern und eine Begrenzung der Preise auf ein vergleichbares Tarifniveau sowie die Beteiligung der Anbieter an den Ausbildungskosten, damit die Pflege auch bezahlbar bleibt“, so Pelzer. Ebenfalls wichtig: „Eine Deckelung der Eigenanteile für pflegende Angehörige, damit die Pflege nicht zum Armutsrisiko wird.“
Die Dortmunder AWO sieht sich mit ihren Forderungen in guter Gesellschaft: Die Arbeitsgemeinschaft der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege NRW fordert, den „Auswüchsen in der Leiharbeit einen Riegel vorzuschieben“. Der Verband warnt anlässlich des Tags der Pflege, dass die massive Zunahme von Leiharbeit zu Lasten von Pflegebedürftigen, Pflegekräften und Einrichtungen gehe.
„Die Personalnot treibt in Seniorenzentren, Pflegediensten und Tagespflegen skurrile Blüten. Fehlen Pflegekräfte, müssen diese teuer über Leiharbeitsfirmen eingekauft werden. Schon jetzt kosten Mitarbeitende eines Dienstleisters mindestens das Doppelte von tariflich bezahlten festangestellten Kräften.
„Land und Bund müssen Zeitarbeitsfirmen Grenzen setzen, sie dürfen sich nicht länger auf Kosten unserer Gesellschaft bereichern“, so Christian Woltering, Vorsitzender der Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege NRW. „Wir fordern eine stärkere Regulierung, Leiharbeit muss wieder auf ihre Kernaufgaben zurückgeführt werden.“
Der Einsatz müsse begrenzt, die Preise auf vergleichbares Tarifniveau gedeckelt sowie die Beteiligung der Anbieter an den Ausbildungskosten sichergestellt werden. „Leiharbeit ist nicht nur teuer, sondern entsolidarisiert die Pflege. Die Zeche zahlen am Ende alle, die auf Pflege angewiesen sind“, so Elke Hammer-Kunze, Vorsitzende des Arbeitsausschusses Alter und Pflege der Freien Wohlfahrtspflege NRW.
Ausbildung stärken: Leiharbeit in der Pflege ist kein Allheilmittel
Personaldienstleister stellten keine Ausbildungsplätze und die damit verbundenen Ressourcen zur Verfügung. Sie profitieren im Rahmen ihres Geschäftsmodelles von den gut ausgebildeten Fachkräften, deren Ausbildungskosten die Dienste und Einrichtungen getragen haben. „Besonders absurd ist, dass unsere Auszubildenden direkt nach dem Examen von Leiharbeitsfirmen abgeworben werden, um dann an ihren ehemaligen Ausbildungsbetrieb verliehen zu werden“, so Elke Hammer-Kunze.
Hier werde ein Wirtschaftszweig gefördert, der mit Steuergeldern und der Not der Einrichtungen große Gewinne erwirtschafte und den Fachkräftemangel verschärfe, so die Kritik der Wohlfahrtsverbände. „Von den Kitas bis zur Eingliederungshilfe: Betroffen ist längst nicht nur die Pflege, weite Teile der sozialen Arbeit sind gefangen im System der Leiharbeit“, so Christian Woltering. „Die Politik muss den Auswüchsen der Leiharbeit schnellstmöglich einen Riegel vorschieben.“
Das unterstreicht auch die Caritas in Dortmund: Oftmals muss fehlendes Pflegepersonal von Trägern über Leiharbeitsfirmen eingekauft werden. Das steigert die Kosten. Auch sichern Leiharbeitsfirmen ihren Angestellten oft feste Arbeitszeiten zu. Unbeliebte Dienstzeiten werden dann nicht vom Leiharbeitspersonal abgedeckt. Sie müssen von den Festangestellten aufgefangen werden. Das belastet zusätzlich.
„Leiharbeit war als kurzfristige Lösung, zum Beispiel bei hohen Krankenständen, gedacht. Die Kosten dafür sind außerdem sehr hoch. Geklärt, wer das zahlen soll, ist es aber nicht. Die Verantwortung wird den Trägern von Pflegeeinrichtungen übertragen“, sagt Tobias Berghoff, Vorstand der Caritas Dortmund. „Leiharbeit in der Pflege kann eine Lösung für kurzfristige personelle Engpässe sein. Aber sie ist kein Allheilmittel bei generellem Fachkräftemangel. Da sind andere Lösungen notwendig, die nicht allein die Träger liefern können. Auch die Politik ist hier gefragt“, so Berghoff weiter.